Die Normative Kraft des Faktischen

A)

Die normative Kraft des Faktischen:

Durch das „Faktische“ wird die „Norm“ der Realität angepasst.

Welche Fakten sind das, und welche Normen resultieren daraus?

Gemeint ist damit, das Tatsachen, Voraussetzungen oder Sachzwänge die Regeln des Handelns diktieren.

B)

Der Naturalistische Fehlschluss:

Vom Sein (So ist es) kann n i c h t auf das Sollen
(wie etwas sein soll) geschlossen werden.

Aus Tatsachen folgt keine Norm.

Aus beschreibenden Aussagen folgen keine Bewertungen, Bewertungsmaßstäbe oder Ziele.

Die Biologie (und andere Naturwissenschaften), die Soziologie (und andere Geisteswissenschaften) beschreiben und erklären Beziehungen und Zusammenhänge. Diese Beschreibungen liefern aber keine normativen Aussagen.

Das schließt nicht aus, dass sie zur Grundlage normativer Aussagen gemacht werden können.
Sie sind aber ungeeignet diese normativen Aussagen auch zu begründen.

Die Behauptung des Sachverhalts p erlaubt weder zu folgern:„es ist geboten, daß p“, noch „es ist verboten, daß p“.(http://www.gavagai.de/themen/HHPT06.htm)

Frage:

„Die normative Kraft des Faktischen“

UND/ODER/VERSUS ???

„Naturalistischer Fehlschluss“

P.S.
Vielleicht ist sogar das Postultats („Die normative Kraft des Faktischen“) ein Naturalistischer Fehlschluss?

Gruss

Michael
„MultiVista“

Juristischer Kontext
Hi.

Nun, um einen ersten kurzen Beitrag zu liefern: der in Frage stehende Begriff kommt aus der Rechtsphilosophie (Georg Jellinek) und hat einen ausschließlich soziologischen Kontext. Es geht dabei um das Verhältnis zwischen Regeln/Gesetzen und deren faktischer Befolgung in der sozialen Praxis. Jellinek war Rechtspositivist, dachte also, dass Recht nicht als Wahres bzw. Ideales besteht(und dann auf konkrete Realität übertragen wird), sondern das notwendige Minimum an gültigen Normen ist, die für das soziales Funktionieren erforderlich sind.

Das Faktische kann normative Kraft haben, wenn es zu eklatanten Widersprüchen zwischen sozialer Praxis und Gesetzen kommt. Heute ist vieles erlaubt, was früher unsinnigerweise verboten war, einfach weil man einsah, dass das Faktische durch sinnlose Verbote nicht aus der Welt geschafft werden kann.

In diesem Sinne ist die NKDF wohl eine Antithese zum nat. Fehlschluss. Allerdings fragt sich, ob dieser Fehlschluss TATSÄCHLICH einer ist. Wer sagt, es gäbe im Universum („Natur“ ist ein zu enger Begriff) nicht wirklich eine Quellen des Guten (ich meine absolut nichts Christliches, wohlgemerkt)? Diese Debatte ist jedenfalls noch eine offene, denke ich.

Gruß

Hallo Horst,

aktuelles Beispiel ist der Streit, ob auch ohne die Zustimmung der Regierung Burmas Hilfsgüter entsendet werden sollten.

Die Not vor Ort ist unverkennbar.

Die Russen und die Chinesen sind dagegen (Positivistische Haltung). Die Amerikaner und die Europäer (Frankreich)dafür.

Ist die Haltung der Europäer völkerrechtswidrig? Wer vertritt die Gute Seite? Ob es die Bevölkerung Burmas interessiert? Wenn ja, kannst Du denen das erklären?

Gruß
guvo

Hi.

aktuelles Beispiel ist der Streit, ob auch ohne die Zustimmung
der Regierung Burmas Hilfsgüter entsendet werden sollten.

Ob diese Frage das Thema trifft, bin ich mir nicht so sicher. Insofern stehen auch meine Antworten unter Off-topic-Verdacht. Jedenfalls sind es nicht direkt die birmesischen Gesetze, die die internationalen Hilfeleistungen blockieren, sondern die egozentrischen Interessen der Machthaber, die ihre Pfründe gefährdet sehen. Zusenden kann man im übrigen alles, nur wird´s kaum ankommen.

Die Russen und die Chinesen sind dagegen (Positivistische
Haltung).

Gleich zu gleich gesellt sich gern (zum birmesischen Regime). Das ist nicht positivistisch, sondern schlichtweg menschenverachtend.

Die Amerikaner und die Europäer (Frankreich)dafür.

Wobei zu bemerken ist, dass Dick Cheney, lange die große Nummer im Weißen Haus, in den 90ern als Vorstandschef des Konzerns Halliburton seine schmutzigen Fingern u.a. im asiatischen Ölgeschäft hatte (und in seinem Job 50 Mio in die eigene Tasche erwirtschaftete), auch in Birma. Wenn Bush hilft, dann wegen Wahlen und wegen Öl.

Ist die Haltung der Europäer völkerrechtswidrig? Wer vertritt
die Gute Seite?

Die gute Seite vertritt der, der Mitgefühl mit Notleidenden hat und versucht, ihnen zu helfen.

Gruß

Mir war schon klar, dass diese"Normative Kraft des Faktischen" aus der Rechtslehre stammt. Aber da wir hier in einem Philosophie-Forum sind, wollte ich eigentlich diese Aussage in Verbindung bringen mit der anderen (Naturalistischer Fehlschluss).
Es wäre mir also lieb, wenn Ihr etwas zu meiner PHILOSOPHISCHEN Fragestellung Ideen habt.

Also nochmal:
A)

Die normative Kraft des Faktischen:

Durch das „Faktische“ wird die „Norm“ der Realität angepasst.

Welche Fakten sind das, und welche Normen resultieren daraus?

Gemeint ist damit, das Tatsachen, Voraussetzungen oder Sachzwänge die Regeln des Handelns diktieren.

B)

Der Naturalistische Fehlschluss:

Vom Sein (So ist es) kann n i c h t auf das Sollen
(wie etwas sein soll) geschlossen werden.

Aus Tatsachen folgt keine Norm.

Aus beschreibenden Aussagen folgen keine Bewertungen, Bewertungsmaßstäbe oder Ziele.

Die Biologie (und andere Naturwissenschaften), die Soziologie (und andere Geisteswissenschaften) beschreiben und erklären Beziehungen und Zusammenhänge. Diese Beschreibungen liefern aber keine normativen Aussagen.

Das schließt nicht aus, dass sie zur Grundlage normativer Aussagen gemacht werden können.
Sie sind aber ungeeignet diese normativen Aussagen auch zu begründen.

Die Behauptung des Sachverhalts p erlaubt weder zu folgern:„es ist geboten, daß p“, noch „es ist verboten, daß p“.(http://www.gavagai.de/themen/HHPT06.htm)

Frage:

„Die normative Kraft des Faktischen“

UND/ODER/VERSUS ???

„Naturalistischer Fehlschluss“

P.S.
Vielleicht ist sogar das Postultats („Die normative Kraft des Faktischen“) ein Naturalistischer Fehlschluss?

Gruss
MultiVista

Antworten setzen Fragen voraus
Hallo,
du machst es uns aber irgendwie schwer.

Es wäre mir also lieb, wenn Ihr etwas zu meiner
PHILOSOPHISCHEN Fragestellung Ideen habt.

Du willst einen Begriff nicht in dem Zusammenhang diskutieren in dem er entstanden ist. Das heißt du willst ihn im Grunde ganz neu besetzen oder umdeuten. Ist das wirklich sinnvoll?
Außerdem wird auch in der Wiederholung

Also nochmal:

Frage:
„Die normative Kraft des Faktischen“
UND/ODER/VERSUS ???

auch mit drei Fragezeichen da keine Frage draus. Zumal bei komplizierten Anliegen, ist es hilfreich sich einer klaren Semantik zu bedienen.
Da solltest du dich also nicht zu sehr wundern, wenn keiner deine „Frage“ beantwortet oder auch nur dein Anliegen wirklich erfasst.

Gruß
Werner

Einige Theorien und Thesen dazu
Hi.

Am Schluss meiner Antwort hatte ich einen philosophischen Bezug schon angedeutet. Hier aber mehr dazu. Zunächst ein paar Passagen aus einem älteren Text von mir zum Thema Aristoteles vs. Sophisten und Theologie vs. Naturrecht:

"Nicht erst der Staat oder einzelne Denker produzieren und definieren die Werte von Recht und Moral, vielmehr glaubt Aristoteles, an Platon angelehnt, dass diese unabhängig von der Existenz staatlicher Gebilde in einem Zustand zeitlos-ontologischer Idealität jeder Geschichtlichkeit präexistieren. Staaten gelten ihm als Produkt eines an transzendenten Werten orientierten Handelns der Individuen.

Anders über Staat und Moral denken, lange vor Aristoteles, in einer Gegenbewegung gegen Mythosdenken und Metaphysik die Sophisten, die Aufklärer des 5. Jahrhunderts v.u.Z.: dass der Staat das Resultat einer Übereinkunft sei zwischen von Natur aus selbstsüchtigen Individuen, und dass Gut und Gerecht Tugenden bezeichnen, die von einer die staatliche Macht innehabenden Gruppe zunächst definiert und erst dann als allgemeinverbindlich gesetzt werden. Ästhetische, moralische, rechtliche Werte - „was in diesen Dingen der Staat für eine Meinung faßt und dann als gesetzmäßig feststellt, das ist es nun auch für jeden in Wahrheit“, meint der bedeutendste der Sophisten, Protagoras, übrigens ein überzeugter Anhänger der attischen Demokratie, weil sie den menschlichen Egoismus besser zu zügeln vermag als andere Staatsformen.

Ausgehend von der platonisch-aristotelischen Auffassung der Weltordnung als einer vollkommenen statischen Vernunftstruktur, die der menschliche Geist denkend entschlüsseln könne, hatten neuzeitliche Denker wie Grotius oder Pufendorf eine universale Rechtsordnung - das vernünftige Naturrecht - postuliert, die sich als Alternative für das im Verfall befindliche christlich-mittelalterliche Dogma eines von ‘Gott’ gesetzten moralischen Rechts anbot. Der Schritt führt also vom guten Recht zum vernünftigen Recht: ein Gesetz ist nicht zu befolgen, weil es die (christliche) Moral, sondern weil es die Vernunft befiehlt.

Faktoren wie der Aufstieg der Naturwissenschaften (d.h. der Einsicht in eine irgendwie gesetzmäßig strukturierte Natur), der immer stärker sich formierende politisch und ökonomisch motivierte Widerstand nichtklerikaler Teile der Gesellschaft gegen die Macht klerikaler Institutionen, die Spaltung der Kirche in zwei verfeindete Konfessionen (was in the long run zur Marginalisierung der Theologie als Autorität in Rechtsfragen führt), all dies stärkt das Bedürfnis nach einer Rechtsinstanz, die dem Menschen übergeordnet ist, aber nicht bloß deswegen befolgt werden muss, weil das Recht göttlichen Ursprungs und Gottes- und damit Rechtsgehorsam etwas ‘Gutes’ ist, sondern weil der Mensch kraft seiner natürlichen Erkenntnisfähigkeit den vernünftigen Sinn der Gesetze direkt erfaßt und bejaht. Ein solches Recht kann nur ein durch die allen Menschen eingeborene Vernunft einsehbares ‘natürliches’ Recht sein.

Auch der Pionier des Völkerrechts, Grotius, bleibt zwei Generationen vor Locke auf halbem Wege stehen - wer weiß, in welche Verließe der Inquisition ihn der ganze Weg geführt hätte - und räumt die göttliche Herkunft des natürlichen Rechts ein; nur sei dieses Recht aus sich heraus so einleuchtend vernünftig, dass sogar die hypothetische Annahme, es gäbe keinen Gott, der Gültigkeit des Naturrechts keinen Abbruch täte. Immerhin ein klarer Wink."

Der Philosoph George Moore bezeichnete das Naturrecht 1903 als naturalistischen Fehlschluss. Man sollte aber diesen Begriff nicht überbewerten. Genau das deutete ich ja in der vorigen Antwort an.

Hier die Anschauungen anderer Philosophen, Habermas und Hegel, zitiert aus Wikipedia (also kein streng wissenschaftlicher Anspruch):

"Habermas untersucht das Verhältnis von Recht und Moral. Rechtliche und moralische Regeln differenzieren sich gleichzeitig aus traditionaler Sittlichkeit aus und „treten als zwei verschiedene, aber einander ergänzende Sorten von Handlungsnormen nebeneinander“. [91] Das Recht unterscheidet sich von der Moral dadurch, dass es sich nicht primär auf den freien Willen, sondern auf die individuelle Willkür richtet, auf das äußere Verhältnis von Personen bezieht und mit Zwangsbefugnissen ausgestattet ist. [92]

Habermas geht auf die platonische „Verdoppelung“ des Rechts als positives und natürliches Recht ein. Dem liege die Intuition zugrunde, dass das positive Recht das natürliche abbilden solle. Diese Intuition sei nicht in jeder Hinsicht falsch, „denn eine Rechtsordnung kann nur legitim sein, wenn sie moralischen Grundsätzen nicht widerspricht. Dem positiven Recht bleibt, über die Legitimitätskomponente der Rechtsgeltung, ein Bezug zur Moral eingeschrieben.“

(Aus: Wiki - Habermas)

Hegels Sicht dazu:

"Naturrecht und positives Recht

Hegel steht der naturrechtlichen Tradition nahe. Der Begriff „Naturrecht“ ist für ihn allerdings verfehlt, da er die Zweideutigkeit enthält, „daß darunter 1) das Wesen und der Begriff von etwas verstanden wird und 2) die bewußtlose unmittelbare Natur als solche“. [23] Der Geltungsgrund von Normen kann für Hegel nicht die Natur, sondern nur die Vernunft sein.

Naturrecht und positives Recht sind für Hegel komplementär. Das positive Recht ist konkreter als das Naturrecht, da es in Beziehung gebracht werden muss zu empirischen Rahmenbedingungen. Die Fundierung des positiven Rechts kann aber nur mittels des Naturrechts erfolgen.

Freiheit und Recht

Das konstituierende Prinzip naturrechtlicher Normen ist der freie Wille (R 46). Der Wille kann nur dann frei sein, wenn er sich selbst zum Inhalt hat: Erst „der freie Wille, der den freien Willen will“ (R 79), ist wahrhaft autonom, da in ihm der Inhalt durch das Denken gesetzt ist. Dieser Wille bezieht sich auf nichts Fremdes mehr; er ist zugleich subjektiv und objektiv (R 76f.). Das Recht ist nach Hegel identisch mit dem freien Willen. Es ist daher keine Schranke der Freiheit, sondern deren Vollendung. Die Negation der Willkür durch das Recht ist in Wahrheit eine Befreiung. Hegel kritisiert in diesem Zusammenhang die Rechtsauffassung Rousseaus und Kants, die das Recht als etwas Sekundäres gedeutet hatten und macht diese „Seichtigkeit der Gedanken“ für die Schrecken der Französischen Revolution mit verantwortlich (vgl. R 80f.)."

(Aus: Wiki - Hegel)

Hegel sah bekanntlich keine absolute Schranke zwischen Subjekt und Kosmos. Von daher ist sein Subjekt zur Einsicht in absolute Wahrheit, also auch absolute Rechtsprinzipien, fähig. Willkür ist keine Freiheit, sondern falsches Bewusstsein. Von daher ist Recht ein Medium oder Instrument universeller Wahrheit. Gemeint ist aber nicht das positive Recht (das irren kann).

Der Rechtspositivismus ist meiner Ansicht nach zu beschränkt in seinen Voraussetzungen. Sein Problem war, dass das Naturrecht noch partiell von der christlichen Theologie geprägt war, also Mängel aufwies, die der RP mit dem anderen, wieder einem falschen Extrem (dem Relativismus) beheben wollte. Ich denke, es gibt eine kosmische Quelle des Guten (allerdings weder der christliche Gott noch eine abstrakte Vernunft).

Gruß

Die Normative Kraft des Faktischen im Sprachgebrau
Die ‚‚Normative Kraft des Faktischen‘‘ begegnet mir vornehmlich im zB Sprachgebrauch:
etwas erinnern (statt: sich an etwas erinnern);
… setzt sich mit der Zeit gewohnheitsmäßig durch (können auch massiv die Medien ihren Anteil dran haben).
‚faktisch‘ ist dabei, daß alle es so sagen.
‚normativ‘ ist dabei, daß es irgendwann zB in den Duden aufgenommen wird als gängiger Sprachgebrauch.
Die ‚Kraft‘ ist, daß es dann so in der Schule gelehrt wird.

Ebenso können Verbessrungen in Produktionsprozessen (zeit~ oder kraftsparend) sich durchsetzen gegenüber alten Verfahrensweisen.

Regeln - zB im Fußball - können angepaßt werden: passives Abseits wird ständig neu definiert - je nach Anwendbarkeit in der Praxis, im wirklichen Spiel …

Es ist ein Zusammenspiel zwischen Theorie und Praxis.

grüß
RoNeunzig

Die mormative Kraft des vermeintlich faktischem in der Philosophie des Zeitgeistes?

Zeitgeist - Philosophie

Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge setzt auf eine „zeitgemäße Philosophie“ des neuen Trainers Jürgen Klinsmann.

Das kann/muss man auch übertagen auf die Wirtschaft: („Ziel des Projektes war es, eine mobile Eingeräte-Philosophie umzusetzen“ oder: „Uns ist wichtig, dass die Identität und die Philosophie unseres Unternehmens gewahrt bleiben“ etc.).

In der Wirtschaft ist also eine zeitgemäße (sprich profitmaximierdende) Philosophie gefordert.

Wichtig für uns aber, ist doch die Frage,

in wie weit sich > die Philosophie selbst