Liebe Gemeinde,
die römisch-katholische Kirche lehrt, daß Gott den Propheten die radikale Erlösung, das Heil in einem Neuen Bund und Jesus als den Messias offenbart hat. Alle Propheten bis einschließlich Johannes des Täufers hätten dies geweissagt (Mt 11,13). Johannes der Täufer sei der unmittelbare Vorläufer (Apg. 13,24) Christi. Er sei gesandt, um ihm den Weg zu bereiten. Als „Prophet des Höchsten“ (Lk 1,76) überrage er alle Propheten (Lk 7,26). Er sei der letzte von ihnen (Mt 11,13) und leite zum Evangelium über (Apg 1,22; Lk 16,16). Die letzte und endgültige Stufe der göttlichen Offenbarung sei Jesus Christus, der Sohn Gottes, das vollkommene und endgültige Wort von Gott Vater. Der heilige Johannes vom Kreuz sagt: „Seit er [Gott Vater] uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein einziges und endgültiges Wort ist, hat Gott uns kein anderes Wort zu geben. Er hat alles zumal in diesem einem Worte gesprochen und mehr hat er nicht zu sagen“.
Soweit der Katechismus. Ähnliches findet sich in der dogmatischen Konstitution Dei Verbum. Mit einem Satz: Mit bzw. nach Jesus Christus ist Schluß mit der öffentlichen Offenbarung Gottes. Also sollte man keine Offenbarung Gottes erwarten, die das bisher Offenbarte vervollständigt oder ihr gar widerspricht. Wenn dem so ist, sollte man auch keine neuen Propheten erwarten.
Jetzt ist mir über den Weg gelaufen, daß Paulus im 1. Korinther schreibt, weil in der christlichen Gemeinde Zungenredner und Leute aufträten, die prophetisch redeten. Paulus bezieht klar Stellung:
„Jagt der Liebe nach! Strebt aber auch nach den Geistesgaben, vor allem nach der prophetischen Rede! […] Ich wünschte, ihr alle würdet in Zungen reden, weit mehr aber, ihr würdet prophetisch reden. Der Prophet steht höher als der, der in Zungen redet, es sei denn, dieser legt sein Reden aus; dann baut auch er die Gemeinde auf“ (1 Kor 14,1; 5; EÜ).
Johannes verfaßte sogar eine prophetische Schrift, die Offenbarung, die von der (römisch-katholischen) Kirche in das NT aufgenommen worden ist. Darin gibt es eine Stelle, die man so verstehen kann, als würde ein Engel Gottes Johannes und seine Brüder als Propheten bezeichnen: "Da sagte er [der Engel] zu mir: Tu das nicht! Ich bin nur ein Knecht wie du und deine Brüder, die Propheten, und wie alle, die sich an die Worte dieses Buches halten. Gott bete an! (Offb 22,9; EÜ). Darüber hinaus kündigt Johannes zwei (wahre) Propheten in der Endzeit an: „Sie haben Macht, den Himmel zu verschließen, damit kein Regen fällt in den Tagen ihres Wirkens als Propheten […]“ (Offb 11,6a; EÜ), "denn die beiden Propheten hatten die Bewohner der Erde gequält (Offb 11,10b; EÜ) (der auch in der Offb genannte falsche Prophet tut hier nichts zur Sache).
Daher meine Frage: Wie paßt die Lehre der römisch-katholischen Kirche, daß Johannes der Täufer der letzte der Propheten ist und die öffentliche Offenbarung Gottes mit Jesus Christus endet, und die Tatsache zusammen, daß in den urchristlichen Gemeinden Leute auftraten, die die Gabe der prophetischen Rede gehabt haben sollen, Paulus dies fördert und Johannes eine prophetische Schrift verfaßt, die in das NT aufgenommen wurde und in der er zwei wahre Propheten für die Endzeit ankündigt?
Mich interessiert wirklich, welche christlichen Auffassungen zum Prophetentum nach Christi Erscheinen bestehen, insbesondere die Haltung der römisch-katholischen Kirche vor dem Hintergrund des beschriebenen Dogmas dazu. Bitte keine Antworten à la „Das ist sowieso alles Quatsch und jetzt hast Du ein Beispiel dafür gefunden“. Danke.
Beste Grüße
Oliver