Paradoxes Beziehungserleben
Hi,
du beschreibst ein recht bekanntes Phänomen sog. „paradoxer Formen von Liebesbeziehungen“. Andere paradoxe Formen sind ja gerade erst hier vorgestellt worden.
In: Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ unterhalten sich zwei Frauen über ihre Liebesobjekte (Wieland-übersetzung)
Hermia: „Die Stirne rümpf ich ihm, doch liebt er mich“
Helena: „O möchten deiner Stirne Falten mein Lächeln solche Wirkung lehren“
Hermia: „Verwünschung geb ich ihm, doch giebt er stets mir Liebe“
Helena: „O wäre mein Gebet von solcher Kraft“
Hermia: " Je mehr ich hasse, folgt er mir"
Helena: " Je mehr ich liebe, haßt er mich"
Sie haben nicht umsonst eine unübersehbare Namensähnlichkeit
Ich verstehe meine Reaktionen nicht.
Das kommt darauf an, was du daran verstehen möchtest …
Jedenfalls beschreibst du die sehr treffend.
im Grunde suche ich schon nach der Richtigen für eine tiefe Beziehung.
Eine Frau, die jeden haben kann, die aber fast keiner kriegt.
Du sagst es selbst:
Sie ist auch sehr interessiert an mir, verhält sich aber abwartend, zögernd, prüfend.
Genau das ist ihre Chance, deine (von dir selbst ungetrübte) Aufmerksamkeit zu haben.
So weit ist alles in Ordnung und schön.
Eben!
Wenn da nicht die Heimsuchungen aus meiner früheren Beziehung wären.
Es ist fast immer ein Irrtum, mit dem man verhindert, sich selbst hinter die Kulissen zu schauen, wenn man meint, die irritierten Gefühle in der aktuellen Beziehung resultierten aus einer bestimmten vorhergehenden. Beziehungsprobleme, die man selbst als für sich charakteristisch erkennt, haben fast immer eine gesamtbiografische Entwicklung. Man nimmt sie aus einer Beziehung in die nächste mit. Sie sind nur nicht ohne Weiteres als „dieselben“ erkennbar.
Manche Verbindungen beziehen einen Teil der Anziehungskraft daraus, daß man mit dem Partner aktiv widerholt, was einem selbst (auch jenseits bewußter Reflektion) passiv widerfahren ist. Und manche Verbindungen beziehen einen Teil der Anziehungskraft daraus, daß man mit dem Partner genau das komplementär übermäßig ausagiert, was einem selbst (auch jenseits bewußter Reflektion) übermäßig gefehlt hat.
Aber das sind nur zwei von vielen gesamtbiografischen Beweggründen, die man in den „Klebstoff“ fester Verbindungen unbeabsichtigt einbringt. Aber bei der genaueren Analyse von Trennungsmotiven oder auch von schwindender Liebe zeigt sich oft, daß genau solche Beweggründe mitwirken.
Es gibt als sowohl Anteile an Bindungsmotiven (insbesondere bei sog. „obsessiven“ Beziehungen), als auch Trennungsmotive in Beziehungen, die gar nicht innerhalb der aktuellen Beziehung zu suchen sind.
Ich habe diese Brote nicht runtergekriegt. Sie blieben mir im Halse stecken.
Du sagst es selbst: Ein extremer Widerwille gegen Fürsorglichkeit und aktive Zuwendung.
… sagte die Frau, dass sie mich jetzt
nach so kurzer Zeit (4 Stunden) schon ganz schön lieb habe …
am nächsten Morgen war es, als packe eine Faust meinen Magen und drücke ihn zusammen wie einen Schwamm, den man auswringt.
Solange die Distanz da ist, das Begierdeobjekt sich NICHT zuwendet, hast du einen Bezug zu deinen Gefühlen, nämlich die des Begehrens. Wenn aber das Begierdeobjekt sich umgekehrt DIR zuwendet, wenn du also passiv einvernommen wirst, können Ängste vor Verschmelzungsgefühlen aufkommen … du verlierst deine Souveränität …
Und auch bei meiner neuen, gegenwärtigen, auf etwas Ernstes zusteuernden Beziehung …
… die gerade dadurch schon bedrohlich wird für dich …
vertrage ich derartige Zuneigungen und Verbindlichkeiten nicht besonders gut.
Eben. Nicht nur „nicht besonders gut“, sondern sogar
kriege ich mein Müsli nicht runter und bin zwei drei Stunden durch den Wind, fühle mich umklammert
Interessant, daß sich diese Umklammerungspanik bei dir vorwiegend würgereizartig beim Essen konkretisiert, nicht?
Am Wochenende als wir uns nicht sahen, war ich ständig
beunruhigt aus Sorge, sie könne Schluss machen und ich war total verliebt in sie.
… weil sie NICHT auf dich zukam. Aber hier zeigt sich etwas Neues: Du fühlst dich dann nicht nur frei (un-umklammert) für deine eigenen Begierdegefühle, sondern du entwickelst Panik, verlassen zu werden.
Es ist dir sicher daran deutlich genug, daß das mit der individuellen Person und Verhaltensweise dieser Frau gar nichts zu tun hat. Was es mit dieser paradoxen Gegenreaktion aber auf sich haben könnte, ist zweifellos zu kompliziert und auch zu individuell und indiskret für ein öffentliches Forum.
sie zerstreute diese Sorge überzeugend …
am nächsten Tag ging’s mir total schlecht und ICH hatte Gedanken, mit ihr Schluss zu machen
Panik, erdrückt zu werden und ZUGLEICH Panik, verlassen zu werden: Hier liegt der Schlüssel …
Wenn sie nun Signale wie „ich will dich nicht verlieren/ich mag
dich/ich will dich“ sendete, verstärkte sich mein schlechtes
Gewissen ganz erheblich und ich bekam richtige Panikattacken.
Panik und Schuldgefühle, wenn du geliebt wirst …
Diese Panik oder diese Beklemmungen treten nur auf, wenn ich allein bin.
… wobei sie dann zugleich mit Verlassensängsten gepaart sind …
Nun gibt es aber unabhängig von meiner persönlichen Geschichte
das Phänomen „ich liebe dich nur, wenn du mich nicht liebst“. Ich
habe sogar schon mal ein Buch mit diesem Titel gesehen.
Es gibt KEINE Form von Paradoxien des Beziehungserlebens, die ausschließlich individuell ist. Sonst wäre die als „Form“ nicht bekannt.
Von dem Buch
Dean C. Delis, Cassandra Phillips: Ich lieb’ dich nicht, wenn du mich liebst"
ISBN 3548750745 Buch anschauen
solltest du nicht nur den Titel anschauen. Es wäre dir zu empfehlen, es auch zu LESEN Es bringt dir vorab gewiß einige Einsichten, die dich weiterbringen.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Jagd uninteressant wird, wenn die Beute erlegt vor einem liegt.
Naja, das ist ein Gemeinplatz. Sowas träfe nur auf wirkliche "Jäger"naturen zu. Die haben ganz andere Persönlichkeitsstrukturen. Sie geraten vor allem nicht in Panik und ihnen bleibt das Müsli nicht im Hals stecken, wenn die erlegte Beute sie zu lieben beginnt.
Vor der Beziehung zu meiner Frau hatte ich keinerlei
Beklemmungen bei Verliebtheitsbekenntnissen und Verbindlichkeiten.
Meine Vermutung: Diese Vorgängerinnen hast du auch nicht wirklich so begehrt. Die Komplikationen treten um so stärker und deutlicher auf, je intensiver die Faszination ist.
Ich muss jetzt ja nichts entscheiden. Sie will sowieso ein
langsames Tempo und ist zur Zeit zu keinem Commitment bereit.
Das ist zumindest IHRE Chance bei dir …
Dabei ist aber das Problem, dass sie ein sehr starkes
Sicherheitsbedürfnis hat. Sie sagte, sie könne es nicht
ertragen, wenn ich mich jetzt desinteressiert zeige.
… und das wäre IHR Todesurteil bei dir.
Ich solle da sein, sie aber zu nichts drängen.
Sag ihr, daß es bei dir genauso ist …
Gruß
Metapher
[MOD: Kleine Korrektur im Titel]