Beziehungen - mal anders gesehen
Hi Camilla
dies hier:
das ist die beste Therapie: sich eine zeitlang ausleben - mit
allen Risiken… leider leider machen da meist die
meist vorhandenen Partner nicht mit.
bezog sich auf das charakteristische Krisenstichwort „sich ausleben“ und „gefahrvoll leben“.
Eine wirkliche Beziehungsfähigkeit (im Unterschied zu einem bloßen „clinch“) ist ja erst dann vorhanden, wenn das „jeder für sich“ und das „alles gemeinsam“ nicht als „entweder - oder“ gelebt wird, sondern als „sowohl - als auch“, mit der Bereitschaft, alle die damit verbundenen (allein schon logischen) Widersprüche auszuhalten und - gemeinsam - durchzuackern.
Nur wer komplett selbstständig „für sich“ ist, kann komplett „für den anderen“ sein. Das soll allerdings jetzt nicht heißen, daß in einer realen Beziehung auch jeder seine Unzulänglichkeiten hat, die der andere - komplementär - ergänzen kann.
Eine Beziehung muß Entwicklungen beider Partner aushalten und muß sie sogar fordern. Entwicklungsfähigkeit heißt aber Bereitschaft zur Umgestaltung. Aber diesen Umgestaltungen der je eigenen Persönlichkeit ist in unseren Gesellschaften ein neurotischer Zwang zur kontinuierlichen „Identität mit sich selbst“ hinderlich entgegengesetzt. Die Folge ist, daß Wandlungen, Um- und Neuorioentierungen nur an der Oberfläche erlaubt sind, weil sonst die „Beziehung“ sofort als dramatisch gefährdet erlebt wird.
Tiefere innere Metamorphosen werden daher erst recht verdrängt (genau wie Du bemerkst: weil man dem Partner das nicht zumuten will) - allzulange verdrängt. Aber wie ich sagte in dem Posting „die Dämonen tun in den Kellern fleißig ihre Arbeit“, und die lassen sich nicht aufhalten. Daher ist nur eine solche Beziehung wirklich weniger gefährdet, die von vornherein tiefe Verwandlungen des Anderen für möglich hält - ja sogar voraussetzt.
So war ja auch das unten diskutierte Beispiel von B10A strukturiert: Wenn selbst - in diesem Fall nach einem Seitensprung, bzw. zeitweiligen Absprung - eine Rückkehr des Partners mit solch naiver (und von jeder Menschenkenntnis leerer)
Auffassung beurteilt wird wie „ich kann dir nicht mehr trauen“, dann war bei diesem Partner auch vorher keine Beziehungsfähigkeit vorhanden, und er hat jetzt die chance - und eigentlich die Verpflichtung - das endlich zu lernen. Und dann ist der - wandlungsfähigere, also reifer - Partner sogar fast verpflichtet, dem Partner diese Lernstufe abzuverlangen.
Nebenbei: Wem ist denn mehr zu trauen: Dem der nie aus dem Haus geht oder dem, der rausgeht und zurückkehrt???
Natürlich tut das weh, wenn der Partner „auf Reisen“ geht mit dem Satz „ich weiß nicht, ob ich wiederkomme“ auf der Fahne. Aber ich erinnere daran, daß in vielen Eheritualen eine Formulierung vorkommt wie „Treue in allen Lebenslagen“. Wer sich hier des in allen nicht bewußt ist und um die unglaubliche Härte und Konsequenz dieser Aussage weiß, dann bricht er diese bedingungslose Treue schon in dem Augenblick, in dem er das Versprechen ausspricht.
Wer hat denn je gesagt, daß Liebe nicht auch wehtut?
Und was sind das für heldenhaft „Liebende“, die bei diesem Versprechen heimlich hinter dem Rücken die Finger kreuzen und bibbernd denken „aber bitte bitte tut mir nie weh“ und „aber verlange kein Durchhaltevermögen von mir in allen Lebenslagen“…
wenn ich eine Krise erlebe, heisst es lange nicht, dass mein Partner sie miterlebt.
Also: ich bin der Meinung, daß genau das, und nichts anderes unter „Zusammen leben“ zu verstehen ist.
Das machen sich viele Verliebte nicht klar (ist ja auch jeweils erstmal ok für den Anfang), daß Zusammenleben „Arbeit“ ist und nicht die unendliche Kontinuität der Verliebtheit. Verliebtheit ist das erste selbsterhaltende Nahrungsmittel für eine sich entwickelnde Beziehung - wie das Eiweiß in der Eierschale, bevor das Küken schlüpft. Das Zusammenleben ist etwas völlig Neues. Und ob man das miteinander kann (und überhaupt will), darüber läßt sich aus der Verliebtheit nicht die geringste Voraussage machen.
Zusammenleben ist ein Resultat eines Entschlusses (und damit eine Sache der Moral) und nicht ein Resultat eines Gefühls. Viele Paare sehen das nicht am Anfang, daher sind sie herausgefordert, das spätestens in einer tiefen Krise (einer eigenen oder der des anderen) nachzuholen.
Und deshalb meine ich ernsthaft, daß „mein“ Durchhalten in der Krise „meines“ Partners eine direkte Konsequenz meines Treuversprechens ist und daß er dasselbe auch von „mir“ fordern darf - aus demselben Grund.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er/sie auch gerade überhaupt keine Lust, irgendeine Krise zu haben.
(du meinst, eine Krise des Partners mitdurchzuackern) Tja…
Werden wir in Dingen, die das Leben von uns fordert, nach unserer momentanen Lust gefragt? Was ist, wenn die Krise des Partners sich als eine schwere Krankheit outet? Krankheiten „überfallen“ uns, genauso wie das unerwartete „falling in love“ zu einer außenstehenden dritten Person… Wer also in einer Krise des Partners mal gerade keinen Bock hat auf sowas, und daraus Konsequenzen ziehen will: Welche Konsequenzen denn??? Etwa „Ich verbiete dir, eine grundlegende Krise zu haben“??? Steht dieser Oberflächenkünstler überhaupt in einer Beziehung? Bezieht er sich denn auf den Anderen? Ist es nicht dann gerade er selbst, der die Beziehung bricht (allein schon durch diese Einstellung)?
Es ist auch zum Teil egoistisch, dem Partner das zuzumuten.
Ohne Egoismus ist keine Beziehung möglich (siehe das „sowohl - als auch“ oben) - übrigens auch keine Erotik… (siehe den schönen Text von Tino im L&L-Bret zu Heidi’s „fly away Mädels“)
Vielleicht habe ich dann wegen einer momentanen „Spinnerei“ (die natürlich durchaus ernsthaft sein kann!) eine Beziehung zerstört, die mir doch sehr wichtig war - das könnte man sehr lange bereuen.
Wenn Du was zu bereuen hast, ist also offenbar die Beziehung daran zerbrochen - aber wer hat denn die Beziehung dann zerbrochen? Du - die zurückgekehrt ist? Oder vielleicht doch der Partner, der schlapp gemacht hat (also sein Versprechen „in allen Lebenslagen“ gebrochen hat)?
Wie immer lasse ich mich von dir gerne eines besseren belehren
-)
Lieb gesagt - aber - ach je - ich hab nix zu „belehren“ - sind nur Resultatae aus der Beobachtung vieler vieler Partnerschaften… -)
Liebe Grüße :o)
Metapher