Tach!
Nun, Globalisierung bedeutet nicht nur, dass
Produkte im Ausland produziert werden, es bedeutet auch
globalen Handel.
Korrekt.
Der Handel ist seit dem Markteintritt von China, Indien und Osteuropa weltweit frei, aber er ist nicht so friedlich, wie es die Bilder von den bunten Containerschiffen glauben machen.
[…]
Der Aufstieg Asiens hat die Preise auf den für diese Menschen relevanten Weltarbeitsmärkten purzeln lassen, und sie purzeln in loser Reihenfolge hinterher. Ihre einst hochgeschätzte Arbeitskraft ist mittlerweile so wertlos wie ein Auto ohne TÜV, weshalb der Staat viel Geld für ihre Stillegung ausgibt.
Du sagst jetzt, du musst sehr sparen. Würde es dich denn
freuen, wenn deinen ehemals ausländischen Produkte noch teurer
wären, weil diese In Deutschalnd hergestellt werden? Würdest
du denn Bananen aus Deuitschalnd kaufen?
Das ist nur die eine Seite der Medaille.
Wer sich für den Kühlschrank aus China entscheidet, der akzeptiert damit auch die sozialen Bedingungen seines Zustandekommens. Wer die Pharmaprodukte aus Indien in die Hausapotheke einstellt, erteilt damit den dort üblichen Patiententests seine Absolution. Wer Spielzeug aus Taiwan ordert, signalisiert sein Einverständnis mit den dortigen Produktionsverhältnissen.
Jedes Land sollte sich auf seine Stärken konzentrieren. Ich
habe gar nicht gewusst, dass unsere Stärken im
zusammenschrauben von geräten und anderen meinfachen
Massentätigkeiten bestehen? Ich dachte immer, unsere Stärken
liegen z.B. Im Maschinenbau. Wir entwickeln Maschinen und
bauen sie vor Ort zusammen. Das ist auch Globalisierung. Warum
in Deutschland zusammenbauen und dann die teuren Transportwege
in Kauf nehmen?
Das funktioniert aber nur so lange, bis die „Zusammenschrauber-Staaten“ die gelieferten Ideen kopieren.
An Themen, über die mit den Befehlshabern der gelenkten Marktwirtschaften zu reden wäre, herrscht kein Mangel: Vom milliardenteuren Ideenklau über systematische Umweltzerstörung bis hin zu Kinderarbeit und der offen zur Schau gestellten Unterdrückung freier Gewerkschaften reicht die Liste dessen, was wir heute akzeptieren und in dieser Bedingungslosigkeit nicht akzeptieren müßten.
Warum kommen nur wenige auf die Idee, dass z.B. Werke in China
in erster Lina den chinesischen Markt bedienen? Dürfen diese
Menschen nichts konsumieren? Und was liegt dann näher, als
eine deutsche Firma dort zu errichten. Und wenn dann noch die
Binnenfrage in Deutschland aus selten idiotischem Kaufboykott
zurückgeht, bleibt ja wohl nur noch die Firma in China übrig.
Weil „Produktion in China = Konsum in China“ so nicht stimmt.
Die [deutschen] Wohn- und Kinderzimmer wurden über die Jahre gewerkschafts- und sozialstaatsfrei, befreit auch von einer Umweltschutzgesetzgebung, die diesen Namen verdient. Viele träumten links, aber lebten rechts. „Es gibt nichts Neoliberaleres als den Kunden“, sagt Adolf Muschg.
Was in den Wohnzimmern begann, pflanzte sich in den Arbeitsstätten fort. Der Rückzug von Gewerkschaftsmacht verlief spiegelbildlich zum Vormarsch der gewerkschaftsfrei produzierten Waren. Auf der Rückseite der Importbestellung fanden sich immer häufiger die Entlassungsschreiben. Der Friedhof der westlichen Industriesaurier ist mittlerweile gut gefüllt. Was würde wohl passieren, wenn sich die Konkurrenz im Inland in gleicher Ursprünglichkeit entfalten könnte wie die aus dem Ausland? Wenn die Siebentagewoche eingeführt, die Kinderarbeit erlaubt, die Löhne bis auf sechzig Euro im Monat abgesenkt werden dürften?
So etwas wird nicht kommen?
Die Professoren beschwichtigen. Schon immer habe es weltweit unterschiedliche Produktionsbedingungen gegeben, das sei der Clou des internationalen Handels, den man sich bei gleichen Bedingungen ersparen könnte. Sie sagen: Was im Inland das Ordnungsamt, die Jugendschützer, den TÜV und beide Tarifparteien auf den Plan rufen würde, sei, wenn es im Ausland geschieht, nicht nur gefahrenlos, es sei regelrecht erwünscht. Das steigere den Wohlstand aller Nationen. Die „Nicht-mit-mir“-Mitglieder bezweifeln das. Sie erleben ja, wie die globale Wirtschaftswelt, in der Zeit und Entfernung zusammengeschrumpft sind, sie einem enormen Stress aussetzt. Schanghai liegt um die Ecke. Die Vergangenheit ihrer Urgroßväter, als der Sozialstaat noch nicht erfunden war, kehrt in Gestalt der Moderne zurück.
Alle Zitate aus dem Artikel von Gabor Steingart in der FAZ vom 17.10.2006 „Kampf dem Raubkatzenkapitalismus!“, nachzulesen unter
http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A18…
Ach ja, den schönsten Absatz zum Ende:
Der wichtigste Rohstoff des einundzwanzigsten Jahrhunderts, sagen die Politiker, sei die Bildung. Welch ein Irrtum: Die wichtigste, da knappste Ressource unserer Tage ist die Willenskraft. Ausgerechnet in jenem Land, das nach verlorenem Weltkrieg mit einem ökonomischen Wunder überraschte, kam es zu einer Entladung der mentalen Antriebskräfte. Seit Jahren wird auf Halten gespielt, nicht auf Sieg.
Grüße
Heinrich