Vater-Unser und Judentum

Hallo zusammen!
Das Vater-Unser betrachtet man ja eigentlich als christliches Gebet (Matthäus 6:9-13). Nun bin ich zufällig auf folgende Seite gestoßen: http://www.language-museum.com/a/arabic-judeo-iraqi.php
Dort ist das Vater-Unser auf Judäo-Arabisch, also in arabischer Sprache, geschrieben mit hebräischen Lettern.
Wie paßt das zusammen? Hat das Gebet eine Bedeutung im Judentum? Stammt es eventuell sogar aus der jüdischen Tradition?
Danke im Voraus für „sachdienliche Hinweise“. :wink:
Gruß,
Stefan

Hallo,

2 mögliche Antworten

  1. die Seite, die Du verlinkt hast, ist ein „Sprachmuseum“ und enthält Sprachmuster der verschiedensten Sprachen, so dass man einen Eindruck der Sprache enthält. Dafür wurden relativ bekannte Texte verwendet.

  2. nicht jeder, der hebräisch spricht, ist Jude. Nicht jeder, der arabisch spricht, ist Muslim.

Gruß,

Myriam

Hallo Stefan,

Das Vater-Unser betrachtet man ja eigentlich als christliches
Gebet (Matthäus 6:9-13).

Das Vater Unser i s t ein christliches Gebet.
Es hat jüdische Wurzeln. Einzelne Sätze stammen aus einem zentralen Gebet des Judentums, der Amida (auch 18-Bitten-Gebet oder Schmone Esre) genant
http://www.hagalil.com/judentum/gebet/amida.htm

Die Keduscha (Heiligung des Namens), d.h. die Formulierung „geheiligt werde Dein Name“ findet sich auch in einem anderen wichtigen jüdischen Gebet, dem Kaddisch
http://www.talmud.de/Kadish.htm

Nun bin ich zufällig auf folgende
Seite gestoßen:
http://www.language-museum.com/a/arabic-judeo-iraqi.php
Dort ist das Vater-Unser auf Judäo-Arabisch, also in
arabischer Sprache, geschrieben mit hebräischen Lettern.
Wie paßt das zusammen?

Es gibt und gab unterschiedliche jüdische Sprachen, die in Kulturen entstanden sind, in denen Juden lebten.

Hierzulande ist das Jiddische am Bekannteste, die frühere Alltagssprache der Juden Mittel- und Osteuropas.

Dann gibt es das Ladino, die Sprache der spanischen Juden, die sich später nach den Vertreibungen 1492 rund um das Mittelmeer verbreitete und die dann unterschiedliche Entwicklungen - länderspezifisch - durchlief.

Dann gibt / gab es noch judeo-griechisch, judeo-provencalisch, judeo-catalan, judeo-persisch und das Tat, die Sprache der Bergjuden in Aserbaidschan und Dagestan.

Judeo-iraqi ist / war die Sprache der Juden des Irak.

Die jüdischen Sprachen - soweit es von ihnen Literaturen also schriftliche Zeugnisse gibt (das ist beim judeo-berberisch nicht der Fall) werden mit hebräischen Lettern geschrieben.

Hat das Gebet eine Bedeutung im
Judentum? Stammt es eventuell sogar aus der jüdischen
Tradition?

Das Vaterunser hat in der jüdischen Tradition / Liturgie keine Bedeutung.
Der Verfasser Deines Sprachenmuseums ist ein chinesischer Linguist aus Peking. Er wollte jeder Sprache ein Beispiel aus deren kulturellen Zusammenhang beifügen.

Beim judeo-irakischen hat er sich halt getäuscht, weil er, der aus einer anderen Kultur stammt, vermutlich dachte, daß das Vater Unser mit diesem Kulturraum was zu tun hat.
Aber weder die Juden (ob nun im Irak oder woanders) noch die sonstigen arabisch sprachigen Irakis, die meist Muslime sind, haben einen Alltagsbezug dazu.

Die irakischen Christen werden es nu sicherlich nicht mit hebräischen Lettern schreiben.

Viele Grüße

Iris

Die irakischen Christen werden es nu sicherlich nicht mit
hebräischen Lettern schreiben.

und sie werden es auch nicht auf judeo-iraqi sprechen - das wäre so, wie wenn die Christen in Deutschland das Vater Unser auf jiddisch sprechen würden

schönes Wochenende noch und gute Nacht

Iris

1 Like

Hallo Iris!
Vielen Dank für diese definitive Antwort. Gewisse Zweifel an dem Dokument hatte ich zwar schon, aber irgendwie fand ich diese Mischung aus Jüdisch/Hebräisch, Arabisch/Muslimisch und Christlich interessant. Ich gehe davon aus, daß das Textbeispiel auch nicht „richtiges“ Judeo-Iraqi ist, sondern schlicht und ergreifend das (christlich-)hocharabische Abânâ eins zu eins in hebräischen Lettern (mit irakischen Zusatzzeichen). Dafür sprechen auch zwei Umschreibfehler ( עלי statt עלא bzw. לתאת statt ליאת ), die nur daher rühren können, daß ein Sprachunkundiger mit den arabischen Punkten durcheinander gekommen ist. Warum mich diese eigentlich eindeutigen Schnitzer nicht schon vorher nachdenklich gemacht haben, weiß ich nicht.
Aber wo ich schon mal eine Expertin „an der Strippe“ hab, hätte ich noch ne Nachfrage, was die jüdischen Ethnolekte angeht: Das Jiddische hat als Basis ja nicht das Hochdeutsche, sondern einen Dialekt, weswegen es sich in Grammatik und Aussprache durchaus vom Deutschen unterscheidet. Weißt Du, wie das mit anderen Sprachen wie dem Ladino aussieht? Kann man die gesprochene Sprache – mal abgesehen von den hebräischen Lehnwörtern – deutlich von zeitgenössischem Spanisch unterscheiden?
Nochmals danke für Deine Antwort und liebe Grüße,
Stefan

1 Like

Hallo Stefan,

Aber wo ich schon mal eine Expertin „an der Strippe“ hab,

Zu viel der Ehre - im Hinblick auf jüdische Sprachen ist es nicht weit her mit der Expertenschaft :wink:

das mit anderen Sprachen wie dem Ladino aussieht? Kann man die
gesprochene Sprache – mal abgesehen von den hebräischen
Lehnwörtern – deutlich von zeitgenössischem Spanisch
unterscheiden?

Ich spreche kein Spanisch - von daher kann ich das nicht beurteilen. Ich schicke Dir was dazu per pM, weil es ja auch nicht zum Themenbereich dieses Brettes gehört.

Viele Grüße

Iris

1 Like

Hallo Iris!
Vielen Dank für den Text. Genau das, was ich wissen wollte. (So genau hätt ich’s im Fremdsprachenbrett net beantwortet bekommen, auch wenn die Frage dort hingehört hätte. :wink:)
Liebe Grüße,
Stefan