Liebe Andrea, lieber Gandalf,
das ist der richtige Ansatz.
Darf ich ergänzen?
_ Schuh
Sehr alt ist die Redensart Wissen, wo einen der Schuh drückt : das heimliche Übel kennen; sie geht zurück auf Plutarch, der in seinen ‚Coniugalia praecepta‘ (c. 22) berichtet, ein Römer habe auf die Frage und Vorwürfe seiner Freunde, weshalb er sich von seiner schönen und keuschen Frau scheiden ließe, seinen Schuh vorgestreckt und geantwortet: »Auch dieser Schuh ist schön und neu, es weiß aber niemand, wo er mich drückt« (lateinisch ‚Nemo scit praeter me ubi me soccus premat‘).
Die Redensart hat sich sehr weit verbreitet: Sebastian Franck verzeichnet sie bereits in seiner Sprichwörter-Sammlung (I, 84b); Abraham a Sancta Clara schreibt: »Dieser Schuh thut einen jeden trucken«, Sebastian Brant (‚Narrenschiff‘ 111, 67): »ich weisz wol wo mich drucket der schuch«, Agricola (Nr. 61) führt das Sprichwort an: ‚Es weyß niemand wo eynen der schuoch drucket / denn der yhn anhat‘ mit der Erklärung: »Den schaden empfind niemand / denn der yhn tragen muoß / vnd drinnen steckt. Zu dem so scheynet eyn schuch eusserlich hübsch / gleisset vor schwertze / vnnd drucket doch den der yhn an hat kummerlich vbel / eyn ander sihet das nicht / vun wiewol der still schweiget der yhn anhatt / vnd frissets in sich / so weyß ers doch«. Auch Goethe gebraucht dieses Bild (28, 277): »Wahrhaft gerührt und freundschaftlich Abschied nehmend vertraute er mir dann noch zuletzt, wo ihn eigentlich der Schuh drücke«. In bezug auf Napoleon III. schrieb der ‚Kladderadatsch‘ (Nr. 9, 1859): »Er möchte, weil der Schuh ihn drückt, Europas Stiefel anprobieren«. Die Redensart wird auch variiert zu ‚Wo drückt der Schuh?‘, welche Sorgen hast du? ‚Das ist nicht meine Schuhnummer‘, das liegt, paßt mir nicht; ‚Das ist kein Schuh für meine Füße‘, das paßt mir nicht, die Sache sagt mir nicht zu; niederländisch ‚Het ist geen schoen naar zijnen voet‘. Ebenfalls auf den zu engen Schuh bezieht sich die Drohung ‚Ich will ihm ein Paar Schuhe anmessen, in denen er übel (nicht) tanzen kann‘; niederländisch ‚Ik zal hem een paar schoenen aanmeten, daar hij niet mede tansen zal‘.
Das Bild wird dann auch umgekehrt; in einem Schuh, der paßt, fühlt man sich wohl; holsteinisch ‚De Schôe sulln mi wol passen‘, das würde sich wohl für mich eignen; der passende Schuh aber muß nicht immer etwas Positives bedeuten, wie auch aus dem Sprichwort ‚Wem der Schuh paßt, der zieht ihn sich an‘ hervorgeht; er kann durchaus auch eine negative Anspielung bezeichnen, durch die nur der getroffen wird, auf den sie gemünzt war, so z.B. in den Redensarten ‚Der Schuh paßt dir‘; altfriesisch ‚De skogh es skaapet to Di‘; ‚Die Schuhe passen ihm besser als mir‘; niederländisch ‚Die schoenen passen u beter dan mij‘. ‚Du sollst auch noch Schuhe für deine Füße finden‘, die Vergeltung wird nicht ausbleiben.
Sich diesen Schuh anziehen: eine Sache aufnehmen, sie zur eigenen Angelegenheit machen; ebenso: ‚Diesen Schuh sollen sich andere anziehen‘: die Verantwortung für etwas sollen die dafür Zuständigen übernehmen.
In allen diesen Redensarten ist ausgesagt, daß gerade der Schuh meist nur einem Menschen richtig paßt; daher versteht der sein Handwerk nicht, der Alle Schuhe über einen Leisten macht, denn er macht es sich zu bequem; übertragen bedeutet es: man kann nicht in jeder Situation dasselbe Mittel anwenden, sondern es muß auf die jeweilige Lage zugeschnitten sein. Bei Eyering (1601) heißt es:
er wil all schueh (man auch thut sagen)
nur vber einen leisten schlagen.
Lateinisch ‚Eundem calceum omni pedi inducunt‘; englisch ‚Every shoe fits not every foot‘; im Sauerland sagt man: ‚Hä mäkt de Schau ümmer no innen Leisten‘; vgl. auch ‚Aus einer Büchse alle Speisen würzen‘, ‚Mit einem Pflaster alle Schäden heilen‘. Variiert wird das Bild in der Wendung ‚Große Schuhe für kleine Füße machen‘ (Montaigne), in wichtigem Ton von unwichtigen Dingen reden._
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Schuh, S. 5. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 5684 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 4, S. 1409) © Verlag Herder]
_ Umgekehrt wird ein Schuh daraus sagt man im Scherz, wenn einer etwas gerade auf die entgegengesetzte Weise anfängt, als es richtig wäre. Man hat geglaubt, die Redensart stamme von einem Spiel, bei dem es gelte, die Worte umzudrehen: Aus ‚Husch‘ wird umgekehrt ‚Schuh‘ usw. Doch sind die Worte ‚wird ein Schuh daraus‘ wohl weiter nichts als ein scherzhafter Zusatz zu umgekehrt = verkehrt. Schon Luther sagt (Briefe, herausgegeben von Seidemann, V, 154): »Kehren aber den schuch umb, und lehren uns das gesetz nach dem evangelio, und den zorn nach der gnade«; in dem niederdeutschen Spiel vom ‚Claws Bur‘ (V. 374) heißt es: »Her Fiscal, keret dat umme, so wert it en got Scho«. In der heutigen Form ist die Redensart seit 1745 bezeugt.
Vielleicht hatte die Redensart ursprünglich doch einen Realbezug, der in Vergessenheit geriet: beim Nähen der versteckten Nähte im Inneren wurde der Schuh früher tatsächlich gewendet, d.h. nach den ersten Nähten auf der Rückseite des Leders oder Stoffes mußte der Schuh umgekehrt werden, wenn etwas aus ihm werden sollte. Die schleswig-holsteinische Redensart ‚He kehrt üm as Gott vör Gammendörp‘ bezieht sich auf eine regionale Ortsneckerei auf den Ort Gammendorf: »De leev Gott güng dar ni rin, dar wahn so’n rog Volk. De leev Gott wull nix mit er to don hebb’n« (Aufzeichnung von G. Fr. Meyer, Zentralarchiv der deutschen Volkserzählung in Marburg 54073)._
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: umgekehrt, S. 2. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 6705 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 5, S. 1658) © Verlag Herder]
Und beste Grüße
Fritz