Im Schwäbischen gibt es den Ausdruck des Erstaunens „Heidenei“ … Was ist der Ursprung dieses Wortes?
Gruß, Leonora
Hallo, Leonora,
Im Schwäbischen gibt es den Ausdruck des Erstaunens „Heidenei“
… Was ist der Ursprung dieses Wortes?
Heide(n)- hat im Schwäbischen generell eine verstärkende Funktion, vgl. „Heidenangst“, „Heidenlärm“, zurückzuführen auf … die vorstellung des schrecklichen, ungeheuern, die sich an heide knüpft… (Grimm).
Speziell zum Ausruf „Heidenei“ finde ich keine etymologischen Angaben, bis auf
…In jeder Gastwirtschaft wurden Büchsen aufgestellt
und bei jedem Fluch oder Missbrauch göttlicher Namen mussten beim
ersten Vergehen 15 Kreuzer eingelegt werden, die Beträge erhöhten sich
bei weiterem Fluchen bis zu 60 Kreuzer. Bei totaler Armut des Fluchers
musste dieser vom Wirt angezeigt und mit Arrest im örtlichen Gefängnis
bestraft werden. So wurde das Fluchen bekämpft, das „ auf denen
Gassen, in Würths- und anderen Häusern, so gar gemein wird, dass
nunmehr auch die kleinen Kinder davon nicht befreyt seynd”, wie es
heißt. In dieser Zeit * entstanden die Pseudoflüche wie „heidenei”, „heimannsapp„ oder „Herrschaftsechser”, die straffrei ausgingen…
* 17. Jh.
(Hervorhebung durch mich)
http://72.14.207.104/search?q=cache:J6Vwo3Ck3SMJ:www…
Gruß
Kreszenz
Hallo Kreszenz,
vielen Dank, ich bin begeistert. Seit Jahren hab ich eine Antwort gesucht und heute, gleich am Tag meiner Anmeldung hier, bekomme ich sie…
Gruß, Leonora
Hallo Leonora,
vielleicht leide ich ja an Wahrnehmungsstärungen, aber in deiner Vika steht was von „Mitglied seit 20. 4. 2006“, und du schreibst:
heute, gleich am Tag meiner Anmeldung hier, bekomme ich sie…
Erinnerst mich irgendwie an das hier:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Bitte nicht übel nehmen
LG
Lisa
[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]
*löööööööl* Es war so:
Ich hatte irgend so einen Link nicht angeklickt und war deswegen noch nicht „richtig“ angemeldet… Sooo vergesslich bin ich dann auch wieder nicht *g
http://www.staff.uni-marburg.de/~rheingan/bilder/tue…
Gruß, Leonora
Hallo, Kreszenz!
…In jeder Gastwirtschaft wurden Büchsen aufgestellt
und bei jedem Fluch oder Missbrauch göttlicher Namen mussten
beim
ersten Vergehen 15 Kreuzer eingelegt werden, die Beträge
erhöhten sich
bei weiterem Fluchen bis zu 60 Kreuzer. Bei totaler Armut des
Fluchers
musste dieser vom Wirt angezeigt und mit Arrest im örtlichen
Gefängnis
bestraft werden. So wurde das Fluchen bekämpft, das „ auf
denen
Gassen, in Würths- und anderen Häusern, so gar gemein wird,
dass
nunmehr auch die kleinen Kinder davon nicht befreyt seynd”,
wie es
heißt. In dieser Zeit * entstanden die Pseudoflüche
wie „heidenei”, „heimannsapp„ oder „Herrschaftsechser”,
die straffrei ausgingen…
* 17. Jh.
Und womöglich auch meine Lieblingsflüche: „Saggermoschder noamol!“, „Kreuz, Kringel ond Zwieback aber au!“
Grüßle
Regina
Servus Kreszenz,
das ist aber ziemlich fürnehm umschrieben alles…
„Heide…“ ist im Kern schlicht ein entschärfter „Heiland“. Am deutlichsten noch zu erkennen in der entschärften Form „Heidzack“ für das seinerseits bereits entschärfte „Heilandzack“.
So daß „Heidenei“ zwei mögliche konkrete Deutungen hat: (1) „Heiland, nein!“, also präzise gleich dem weiter nördlich zu hörenden „Achgottnee!“ oder (2), weil „nei“ und „noi“ nicht recht zusammen zu passen scheinen, „nei“ als ein verkürztes „hinein“ wie bei „neischiaba“: Da würde dann gewünscht, der Heiland (als eine Art Ersatz-Donar) möge hineinfahren, hineinschlagen oder ähnliches.
Den Heiland findet man beiläufig wieder in „Heimatsechser“, „Heimatzack“ und dem phonetisch noch deutlicheren „Heimatsackzement“, während man Gottvater entschärft etwa in „Hertigsocka“ hören kann. „Heideschtuagert“ kommt mir eher modern vor. Daß das Hl. Sakrament in fast allen diesen Quasi-Blasphemien ziemlich allgegenwärtig ist, mag mit der als besonders unsinnig und quälend empfundenen Alltagspflicht zu tun haben, nicht etwa vor dem Hochwürden selber den Hut zu ziehen und den Kniefall zu tun oder wenigstens anzudeuten (das wäre noch eher einzusehen), sondern vor dem bimmelnd vor ihm einhergetragenen „Sakrament“ in Gestalt der Monstranz.
Sey gegrüszt!
MM
Hallo, Martin,
weil ich Dich als kompetenten Oberschwabenkenner gerade hier habe und weil es auch im weiteren Sinne zum Thema passen mag:
Sicher kennst Du den Stoßseufzer
„Ja, du lieabs Herrgettle vo Biberach“
oft auch noch ergänzst durch die detaillierte Beschreibung:
„so mägerle und vo’d Mugga verschissa!“
Weiß man, ob es sich dabei um ein bestimmtes Heilandbild handelt? Ist überhaupt das oberschwäbische Biberach gemeint oder gar das im Badischen?
Kannst Du mir da Auskunft werden lassen?
Grüße
Eckard
Hallo Eckard,
Weiß man, ob es sich dabei um ein bestimmtes Heilandbild
handelt? Ist überhaupt das oberschwäbische Biberach gemeint
oder gar das im Badischen?
Es handelt sich da um einen Kruzifix, der in Biberach an der Iller (zu 89297 Roggenburg gehörig) vorübergehend, wohl in der Zeit zwischen 1750 und 1850, eine große Popularität unter Wallfahrern genossen hat, wohl auch dieses oder jenes Wunder bewirkt hat, aber dann schnell wieder aus den Charts verschwunden ist. Hierauf bezieht sich das „wia hont Di d’Mucka verschissa“ - ein etwas kräftigerer Ausdruck für das wohlbekannte „sic transit gloria mundi“…
Die Fama ist dann nach Biberach/Riss übergelaufen, wo es insgesamt drei Jahreszeiten „vor de Schütza - in de Schütza - noch de Schütza“ gibt. Weil das Schützenfest im Frühsommer und zu viel weniger stabilen Wetterbedingungen stattfindet wie das Ravensburger Rutenfest und der Ulmer Schwörtag, zittern die Biberacher jedes Jahr wieder um ihr Schützenwetter. Und dafür glauben viele ein „Biberacher Herrgöttle“ zuständig zu wissen, obwohl das eigentlich nicht in der trotz konfessionell getrennter Stromzähler in der Simultankirche gut evangelischen Reichsstadt daheim ist, sondern im benachbarten bayrischen Bezirk Schwaben. Jedenfalls hört man den Bienzle-Spruch auch in BC oft genug, wenn man die Schwedenkanone im historischen Festzug nebst Hellebardieren und Musketieren von einem plötzlichen Pflatschregen durchnässt einherrollen bzw. einhertorkeln sieht…
So hat es jedenfalls der letzte wirklich große Biberacher Heimatkundler Dieter Buttschardt erzählt, und als sehr fleißiger Mensch wird er die Sache mit der Wallfahrt nach Biberach bei Roggenburg ordentlich eruiert haben.
Sey gegrüszt!
MM
Hallo, Martin und Eckard,
Es handelt sich da um einen Kruzifix, der in Biberach an der
Iller (zu 89297 Roggenburg gehörig) vorübergehend, wohl in der
Zeit zwischen 1750 und 1850, eine große Popularität unter
Wallfahrern genossen hat, wohl auch dieses oder jenes Wunder
bewirkt hat, aber dann schnell wieder aus den Charts
verschwunden ist. Hierauf bezieht sich das „wia hont Di
d’Mucka verschissa“ - ein etwas kräftigerer Ausdruck für das
wohlbekannte „sic transit gloria mundi“…
zur Ergänzung:
…1525 mußte ein Fuhrmann am Biberbacher Berg ein romanisches Kruzifix, etwa um 1220 in Württemberg entstanden, abladen, nachdem seine Rösser und der herbeigeholte Vorspann nicht imstande waren, das Fahrzeug weiterzubewegen. Dieses Kreuz wurde fortan als „Herrgöttle von Biberbach“ verehrt, und bald entstand eine blühende Wallfahrtsstätte. 1684 bis 1697 ließ Pfarrer Anton Ginther die heutige Barockkirche erbauen…
http://www.biberbach.de/index.php?pageid=51&zv=49&se…
http://www.mozart.donau-ries.de/biberbach1.htm
Und aus einem Gespräch mit Felix Huby, dem „Erfinder“ des Bienzle (durch den der Spruch ja einen gewissen Bekanntheistgrad erreichte):
- Felix Huby (im Gespräch):
- Alberts: Es gibt ein Sprichwort, was sich vom Anfang an durchhält, und ich würde das gerne nochmal von dir hören, und daß du das nochmal erklärst, was das eigentlich bedeutet, also ich meine uns Hochdeutschen.
„Du liabs Herrgöttle von Biberbach, … wie hend die di Mucke verschisse“, da geht es um eine kleine Holzfigur in einer relativ kleinen Kirche bei Augsburg, in einer Gemeinde mit Namen Biberbach, und da steht eine wunderbare kleine Holzfigur, und weil die da schon so lange steht, hat sie viele Muckenschisse, vielleicht sind’s auch Holzwurmlöcher, das weiß ich nicht, auf jeden Fall hat mal ein Pfarrer, ein Pater, der diese Figur in der Hand hatte, hat diesen Satz gesagt, so wird das erklärt, ob es stimmt, weiß ich nicht. Auf mich, das stammt, wie vieles bei mir, von meinem Vater, der Satz hat irgendetwas, was man nicht so ganz leicht erklären kann, also das ist eine Heiligenfigur, und der ist etwas ganz Banales passiert, ist auch nicht mehr so adrett, ist eigentlich bekleckert, also das steckt da alles mit drin. Und wenn dann so eine Situation eintritt, mit der man nicht gerechnet hat, wo man auch mit jemand so ein bißchen Mitleid hat, ja , so die Überraschung dazukommt, daß es sich so gewendet hat, dann paßt das genau.
http://66.249.93.104/search?q=cache:ksqVR-ss4EEJ:www…
Gruß
Kreszenz
Servus Kreszenz,
wo bringst Du das jetzt wieder her? Natürlich gehts um Biberbach, aber mit „Richtung Osten“ habe ich jedenfalls Recht gehabt…
Zu meiner Ehrenrettung ein schöner aussterbender Ausdruck zur Frage „wo bringst Du das her“: Eine Sandkastenfreundin von mir, von klein auf mit allem geplagt, was nix ist (leichter Vorbiss, engstehende Zähne, vor allem aber ein Paar Knui, die immer irgendwelche Malesche machten - bis sie dann durch einen wohlmeinenden Orthopäden definitiv kaputtoperiert wurden…) ward durch die Ulmerhofwirtin in Schussenried, bei der sie hie und da aushalf, mit den Worten bemitleidet und (ein bissle grob) getröstet: „Oh je, du bischt au so oine aus am Herrgott seire Kruschtkischta!“
Schöne Grüße
MM
Hallo, Martin und Eckard und Kreszenz!
Von meiner Mama kenne ich den Spruch so:
„Ach, du liabs Herrgöttle von Biberach, was send au mir so reachd!“
Wißt Ihr auch dazu was?
Grüßle
Regina
Servus Regina,
Von meiner Mama kenne ich den Spruch so:
„Ach, du liabs Herrgöttle von Biberach, was send au mir so
reachd!“
wissen im Sinn von Belegtem tu ich dazu nichts, aber mir scheint diese Version eindeutig aus dem weiteren Umfeld des „Piet-Kong“ (Nagold, Calw, Altensteig - oberer Neckar und westliches Altwürttemberg insgesamt) - zu stammen:
Bei den „Stundenleuten“ geht ja die sonst im calvinistischen Kreis vertretene Meinung um, der Herrgott ließe seine Auserwählten schon im diesseitigen Leben erkennen, was sich bei den oft biederen und wenig akademisch-theologisch Gebildeten frühen Pietisten in solchen Dingen wie der ordentlichen Durchführung der Kehrwoch’, ordentlich nach außen gekehrten Hosentaschen auf der Leine etc. niederschlug.
Finesse erhält dieser Spruch, der die Überzeugung von der eigenen Gottgefälligkeit karikiert, durch den Bezug auf das oberländer/neuwürttembergische = katholische Hergöttle, von dem ja nur herkommen kann, was rk = verderbt, gottfern und in der Sünde befangen ist. Die gegenseitige Distanzierung der Konfessionen hat im 19. Jahrhundert, als das aus der damals noch wichtigen Land- und Forstwirtschaft vergleichsweise wohlhabende Land südlich der Donau württembergisch geworden war, eine ziemliche Rolle gespielt.
Vgl. der Ausspruch eines Pfleiderer anlässlich des Baues einer katholischen Kirche für die zugewanderten Arbeiter in Zuffenhausen: „So, kommt etz dia Sekt’ au wieder uf?“
Soweit meine spekulative Deutung, mit den besten Wünschen für eine gesegnete Kehrwoch’ („I sott gschwind no a baar Kueche backe, mer krieget Bsuech“).
MM
Jaaa!
Hallo Kreszenz,
endlich wird das Hergöttle von Biberach zum Hergöättle von Biberbach
zurechtgerückt! Ich hatte vor etlicher zeit im Forum (ich glaube sogar in diesem
Brett) schon mal von meiner pwersönlichen Entdeckung berichtet: Vor Jahren machte
ich auf der Durchfahrt in Biberbach halt und besuchte die schöne Kirche. Ich las
dann dort in einem Fürbittbuch zahlreiche Anrufungen des „Hergöttle von
Biberbach“ und so war mir endlich klargeworden, wo der Ausruf herkam, den auch
meine fast ihr ganzes Leben in Biberach wohnende Tante nicht zu deuten wusste.
Danke
Bolo2L