Hallo Volker,
das hat nichts mit Vorteilen oder Nachteilen bei den Geschlechtern zu tun, sondern ist eine rein statistische Verteilung. Laut Wikipedia sind von der Rot-Grün-Schwäche übrigens etwa 8 % aller Männer und etwa 0,8 % der Frauen betroffen. Ich mache zur Verdeutlichung mal ein vereinfachtes Rechenbeispiel, hole dann aber der Genauigkeit halber etwas weiter aus:
Da die Männer ihr X-Chromosom ausschließlich von der Mutter haben, müssen auch 8% der weiblichen Gameten den Defekt tragen. Wir kommen also (der relativ kleine Anteil der homozygoten Merkmalsträgerinnen wird der Einfachheit halber mal vernachlässigt) auf rund 16% Konduktoren bei den Frauen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der 8% RG-defizitären Männer mit einer der 16% weiblicher Konduktoren zusammenkommt, liegt bei 1,28%. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei weiblichen Nachkommen dieser Paare eine homozygote Merkmalsträgerin dabei ist, beträgt bei den betroffenen Paaren 50%. Die Gesamtwahrscheinlichkeit liegt also bei ungefähr 0,64% für weibliche Nachkommen. Das liegt ja schon sehr nahe bei den angegebenen Werten.
Will man mehr wissen, kann das auch systematischer machen. Sagen wir, X ist das normale Allel des X-Chromosoms, Y das Y-Chromosom und (kleines) x das defekte Allel auf dem X-Chromosom. Die Häufigkeit/Frequenz von X sei als p1, die von x als p2 und die von Y als q bezeichnet. Zuerst mal bei den Männern:
gesunde Männer (XY): 92% = 0,92
betroffene Männer (xY): 8% = 0,08
Daraus ergeben sich folgende Allelfrequenzen bei den männlichen Keimzellen (weil sich X- und Y-Chromosom der Männer zu je 50% auf die Spermien verteilen):
X: p1 = 0,92 / 2 = 0,46 (46%)
x: p2 = 0,08 / 2 = 0,04 (4%)
Y: q = (0,92 + 0,08) / 2 = 0,5 (50%)
Weil alle betroffenen Männer ihr X-Chromosom von ihren Müttern haben, muss also die Allelfrequenz bei den Frauen auch genau 8% betragen, also ergibt sich die folgende Häufigkeit:
X: 92% = 0,92 = p1
x: 8% = 0,08 = p2
Wenn wir nun ein Kreuzungsschema anlegen, ergeben sich insgesamt folgende Kombinationsmöglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten (mütterlich * väterlich):
männlicher gesunder Nachkomme (XY): p1 * q = 0,92 * 0,5 = 0,46
weiblicher gesunder Nachkomme (XX): p1 * p1 = 0,92 * 0,46 = 0,4232
weiblicher gesunder Konduktor (Xx): p1 * p2 = 0,92 * 0,04 = 0,0368
männlicher betroffener Nachkomme (xY): p2 * q = 0,08 * 0,5 = 0,04
weiblicher gesunder Konduktor (xX): p2 * p1 = 0,08 * 0,46 = 0,0368
weiblicher betroffener Nachkomme (xx): p2 * p2 = 0,08 * 0,04 = 0,0032
Es sind nun also nicht nur die Allelfrequenzen der Keimzellen, sondern auch die zu erwartenden Wahrscheinlichkeiten der Allelkombinationen bekannt. Die angegebenen Werte stellen jeweils die Gesamtwahrscheinlichkeit für die Bevölkerung dar. Möchten wir die prozentualen Anteile der männlichen und weiblichen Nachkommen separat haben, multiplizieren wir also bloß die Zahlen mit 2. Dadurch ergeben sich folgende Wahrscheinlichkeiten bei den Männern:
betroffene (xY): 0,04 * 2 = 0,08 = 8%
gesunde (XY): 0,46 * 2 = 0,92 = 92%
Bei den Frauen sieht das so aus:
betroffene (xx): 0,32 * 2 = 0,64%
Konduktorinnen (Xx) bzw. (xX): (0,0368 + 0,0368) * 2 = 0,1472 = 14,72%
gesunde (XX): 0,4232 * 2 = 0,8464 = 84,64%
Dies sind die theoretisch zu erwartenden Wahrscheinlichkeiten. Die Literaturangaben schwanken zwar, jedoch befinden sie sich sehr nahe an der zu erwartenden Größenordnung. Die Verteilung der Rot-Grün-Schwäche zwischen Männern und Frauen hat also überhaupt nichts mit Selektionsdruck u.s.w. zu tun, sondern ist ausschließlich auf die statistische Verteilung der Allele in der Bevölkerung zurückzuführen.
LG
Huttatta