Aktive Sterbehilfe:Pro/ Kontra

Hallo!

Was haltet ihr von der aktiven Sterbehilfe? Was sind Pro- bzw. Kontrapunkte?

Grüssli, Michaela

Hallo,
nur pro - auch in den Fällen, die sich hartnäckig weigern *g*.

Gruss
Enno

Hallo Michaela,

diese Frage kann man nicht so einfach beantworten, da es hierzu höchst persönlicher Überlegungen jedes Menschen selbst bedarf und man viele Pro- und Contra-Argumente auch nur vor einem persönlichen Erfahrungshintergrund verstehen und bewerten kann. Es gibt auch wohl kaum ein Thema, das ideologisch so verbrämt ist, wie die aktive Sterbehilfe, und es stellt sich schon alleine die Frage, wo aktive Sterbehilfe anfängt und die so genannte indirekte Sterbehilfe aufhört. Die Grenzen sind fließend und man kann in den letzten Jahren feststellen, dass sich in D neben der grundsätzlichen offiziellen Verbotsmeinung mehr und mehr die Grenzen in Richtung einer aktiven Sterbehilfe verschieben, was am Begriff der indirekten Sterbehilfe deutlich wird, den es noch gar nicht so lange gibt, und der eigentlich nur ein weiteres Herausschieben der Grenzen markiert.

Pro-Argumente sind für mich insbesondere das hohe Gut der Privatautonomie, die vor dem eigenen Sterben nicht halt machen darf. D.h. niemand sollte sich dem wohlerwogenen Wunsch eines Menschen zu sterben entgegenstehen. Ebenfalls pro ist für mich die Erkenntnis, dass es trotz allen medizinischen Fortschrittes immer noch Situationen gibt, in denen keine ausreichenden palliativen Maßnahmen zur Verfügung stehen um ein in der Krankheitssituation noch erträgliches Leben zu gewährleisten.

Contra ist für mich weniger der Bereich der Todschlagsargumente von „schiefer Ebene“, „deutsche Geschichte“ oder „Dammbruch“, sondern eher die Tatsache, dass eine Flucht in die Sterbehilfe angetreten wird, obwohl die auslösenden Faktoren anderweitig „bearbeitet“ werden könnten. Dies insbesondere da, wo weniger die Krankheitssymptome zum Wunsch nach Sterbehilfe führen, als vielmehr eine damit einhergehende Vereinsamung oder das Gefühl eines unsinnigen Lebens. So wurde gerade neulich im Fernsehen von einem Fall berichtet, in dem ein deutscher Staatsbürger mit einer tödlich verlaufenden Lungenerkrankung sich in die Schweiz bringen ließ, um dort aktive Sterbehilfe zu erfahren. Die Krankheit befand sich zu diesem Zeitpunkt aber noch lange nicht in einem kritischen Stadium. Allerdings war der Betroffene durch die Krankheit vollkommen vereinsamt und kam aber nicht zu dem näherliegenden Ansatz hiergegen etwas zu unternehmen, sondern flüchtete in die Sterbehilfe, obwohl er durchaus noch einige Jahre unter erträglichen gesundheitlichen Lebensbedingungen hätte leben können und sicher auch wollen, wenn er hierin einen Sinn gesehen hätte.

Daher denke ich, kann man dieses Thema immer nur im konkreten Einzelfall betrachten und sollte nur nach Ausschöpfung aller anderen zur Verfügung stehenden Mittel hierzu greifen, bzw. durch den Gesetzgeber dies zulassen. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, welche Ausbildung und Betreuung diejenigen erfahren sollen, die dann in diesem Rahmen aktiv werden. Denn auch hier tut sich meines Erachtens momentan noch oft genug die Hölle auf, wenn ich mir ansehe welche Leute da so fordernd in diesem Bereich tätig sind, denen es an den Alternativen überhaupt nicht gelegen ist und höchst einseitig den Todesengel spielen. Wie ist es sonst zu erklären, dass die ehemalige Spitze der Gesellschaft für humanes Sterben wegen illegalem Handel mit überteuerten Tötungsutensilien vor dem Kadi landete und bis heute das Verhältnis der DGHS z.B. zu den Hospizvereinen oft vom offener erbitterter Feindschaft (von Seiten der DGHS insbesondere) gekennzeichnet ist, und offenbar keinerlei Interesse daran besteht, die Betroffenen neutral über die verschiedenen Möglichkeiten am Lebensende zu informieren? Genau diese neutrale Information wäre aber notwendig, damit sich jeder Betroffene selbst frei und nach bestemm Wissen und Gewissen entscheiden kann.

Gruß vom Wiz

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Hi,

man müsste unterscheiden,

  1. nach medizinischem Kenntnisstand aussichtlose Fälle (Dauerkoma ohne Möglichkeit der Wiedererlangens des Bewußtseins, Krebs im Endstadium u.ä.) - hier müsste der Arzt im 1. Fall zur Abschaltung der technik verpflichtet werden - somit muss er die schwieige Entscheidung nicht treffen, es u tun. Im 2. Fall sollte dem Menschen dei Möglichkeit gegeben werden, sich auf schmerzlose Weise selbst das Leben zu nehmen, wenn er es möchte (z.B. durch eigenständige Einnahme von Medikament, oder atmen von Inertgas).

  2. Menschen, die nicht mehr leben wollen, obwohl ihr Fall vielleicht nicht als aussichtslos gelten kann,aber ggf. sehr schmerzhaft ist, aufgrund therapieresistenter chronischer Depressionen etc.

Die Entscheidung, aus dem Leben zu gehen, trifft der Betroffene dann wenn er will, sowieso. Wenn er sich dann versucht mit ungeeigneten Mitteln umzubringen, endet es oft mit Schmerzen, im Rollstuhl oder mit einem Gehirnschaden. Besser wäre es, eine geregelte Möglichkeit zu haben, sich selbst richtig umzubringen. Aber das dürfte nicht aus spontanem Entschluss möglich sein, sondern vorherige Beratung bzgl. Behanlungschancen und es müsste der Wumsch auch über mindesten ca. 1 Jahr durchgehend vorliegen.

NUR - leider ist Suizid in unserer Gesellschaft ein totales Tabuthema, wie auch der Tod als Ganzes gern verdrängt wird. Dabei geht es dann in aller Regel bei der Diskussion gar nicht mehr um den Betroffenen selbst, sondern um die Gefühle der Angehörigen, die rechtlichen Probleme der Sterbehelfer…

Der Gesetzgeber wird sich letztlich nach Mehrheiten richten.

Gruss
A.

Hallo Michaela!

Einerseits ist unsere Apparatemeditzin heute imstande, beinahe niemanden sterben zu lassen, andererseits ist eben diese Apparatemedizin sauteuer.
Ob das Argument, daß auch nur ein einziger Mensch, der durchkommt (bei Dauerkomatösen), die entstandenen Kosten rechtfertigt, kann ich nicht beurteilen, wäre ich direkt betroffen, würde ich es anders sehen, als müßte ich „nur“ dafür bezahlen.
Die Medizin stößt derzeit des öfteren an ethische Grenzen (Transplantationschirugie, Intensivmedizin, Prenatologie, Gentechnologie usw), sie kann der Natur bereits ein Schnippchen schlagen, sich aus dieser Angelegenheit hinauszumanövrieren wird nicht leicht gehen.
Es gibt bestimmt Einzelfälle, wo aktive Sterbehilfe außer Frage steht, aber es gibt auch Fälle, wo die einen so, die anderen so denken. Diese Diskrepanz in einen Gesetzestext umzuwandeln, wird immer wieder auf Probleme stoßen.
Der aktiv Sterbehilfe leistende wird vom sterben wollenden IMHO in eine Mitschuldigkeit hineingedrängt. Bei Föten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit behindert auf die Welt kommen werden, frage ich mich immer, ob das nicht schon faschistoid ist, diese nicht auf die Welt kommen zu lassen, manche Mütter haben erzählt, daß sie von ihrem Gynäkologen schon fast dazu gedrängt wurden, ihr Baby abtreiben zu lassen, vielleicht nur, weil es ein Down-Syndrom (Mongolismus) hatte.
Ich habe auch schon Angehörige erlebt, denen es aufgrund des zu erwartenden Erbes nicht schnell genug hätte gehen können, bis die Oma (endlich) den Löffel abgibt.
Es würde mich nicht wundern, wenn vielleicht komatöse Patienten dann getötet werden, wenn sich ein Empfänger für die Organe gefunden hat.

Dies ist die eine Seite, die andere Seite sind die unheilbar Kranken, die vor Schmerzen die Wände hochgehen könnten und einfach nicht sterben können, weil ihre Medikation dies verhindert. Patienten, die seit Jahrzehnten im Koma liegen (obwohl auch schon solche wieder aufgewacht sind, klar), die Gesellschaft horrende Summen kosten und deren Prognosen selbst wenn sie aufwachen mit Lebensqualität nichts mehr zu tun haben. Demente Patienten, die quasi mit jedem Tag ein bißchen dümmer werden, nichts mehr vom Leben haben, eigentlich schon tot sind, bloß der Körper lebt noch.

Aber eines halte ich in diesem Zusammenhang für sehr bedenklich: Das Sozialsystem will/kann das nicht mehr finanzieren, deshalb wird ja erst darüber diskutiert. Abgesehen von den Grenzfällen der Sterbehilfe, könnte es ja auch soweit kommen, daß eines Tages keine Pensionisten mehr behandelt werden, weil sie ja ohnehin nur Kostenverursacher sind und nichts mehr einzahlen. Mütter, die ein Trisomie-21-Kind auf die Welt bringen wollen, werden geschnitten, wo es geht („hättest halt abgetrieben“). Alten- und Pflegeheime erinnern mehr an KZ’s als an Krankenanstalten. Nach einem Unfall wird zuerst Dein genetischer Code entschlüsselt um Deine Organe schon mal anzubieten. Das ist, zugegeben, Schwarzmalerei, aber wenn sich die Wertvorstellungen in unserer Gesellschft derart verschieben, keine Utopie.
Wie groß ist die Zahl derer, die wirklich sterben wollen, gegenüber denen, die die Gesellschaft nicht mehr erhalten will? Ich halte die aktuellen Standpunkte (keine lebensverlängernden Maßnahmen bei unheilbar Kranken, sondern Schmerzfreiheit) für ausreichend, auch wenn manche dadurch zum Leben gezwungen werden, aber ich finde die andere Sicht noch schlimmer.

Gollum *dernieindiesituationkommenmöchtesoeineentscheidenfällenzumüssen*

hallo!

du kannst die sache aus zig verschiedenen gesichtspunkten betrachten-
und jeder wird dir was anderes erzählen.

pro punkte könnten sein:

  1. respekt dem individuum gegenüber. wenn man „frei“ ist dann hat man
    auch das recht zu entscheiden wann und wie man sterben will.
  2. die negativen auswirkungen langer krankheit und pflege werden
    gemindert (es ist schon mehr als eine familie wegen pflege von
    angehörigen zerbrochen)
  3. die immensen kosten langjähriger krankheiten werden unterbunden
    und nachfolgenden generationen wird die möglichkeit gegeben mit
    diesem geld intensiver an der verhinderung jener krankheiten zu
    forschen. so „opfern“ sich manche für nachfolgende generationen.
  4. es ist „natürlich“, d.h. ein mitglied einer gruppe (herde,
    gesellschaft, …) ist nur dann „von wert“ solange nachwuchs gezeugt
    wird und für diesen nachwuchs gesorgt wird. danach hat man sozusagen
    seine schuldigkeit getan. das wäre ein argument aus der evolutions-
    ecke (evolutionary psychology).

kontra:

  1. missbrauch. den gibt es aber immer und überall. aber: wenn man
    weiss dass das auftreten wird dann kann man gegensteuern; d.h. das zu
    erwartende erbe wird dann erst in 10 jahren ausgezahlt (haus, etc.
    fällt dabei raus),…
  2. man stellt sich selber als gesellschaft vielleicht ein
    armutszeugnis aus weil man nicht in der lage ist den leuten zu helfen
    und sie dann lieber „beseitigt“ als sich um sie zu kümmern.
  3. „fliessende grenzen“: d.h. eine anfänglich gute idee die auf
    wenige beschränkt war wird einfach ausgeweitet und nach und nach zum
    zwang („logan`s run“ kommt einem da in den kopf).

tschüss

matthias

hi,

ich fands interessant, daß anscheinend viele aufschreien, wenn man fordert, daß raucher, säufer und extremsportler sich zusätzlich versichern sollen, aber einen menschen sterben lassen, damit andere vom ersparten profitieren, scheint ein denkbarer gedanke zu sein! bin eher entsetzt darüber.

meine persönliche meinung war das :smile: sie hat NIX mit deutscher geschichte zu tun, das ist ein scheinargument. ich habe eher angst, daß hier die großen schleusen aufgehen und dann leute zum sterben „überredet“ werden, weil sie lästig sind oder zuviel kosten.

grüße datafox