Fahrrad

Eine dumme Frage, ich weiß, aber irgendwie habe ich die Antwort bisher nie mitgekommen:

Wieso ist ein Fahrrad in Bewegung stabil, während es umkippt, wenn man sich nicht bewegt?

Hi Xanadu :smile:))

Das ist eine Folge der Drehimpuls-Erhaltung. Die drehenden Räder besitzen einen Drehimpuls, der umso größer ist, je schneller sie sich drehen. Schneller fahren ist daher einfacher als langsamer fahren. Dieser Drehimpuls hat eine feste Drehachse, nämlich senkrecht durch die Mitte des Rades. Diese Drehachse ist sehr stabil. Du kennst das vielleicht von einem Kreisel. Wenn du einen Kreisel leicht anschubst, dreht er sich trotzdem relativ stabil weiter. Die Drehimpuls-Erhaltung ist übrigens eines der fundamentalsten Prinzipien der Physik :smile:))

cu Stefan.

Wieso ist ein Fahrrad in Bewegung stabil, während es umkippt,
wenn man sich nicht bewegt?

Das ist sehr komplziert.

Znächst könnte man annehmen, daß der Drehimpulserhaltungssatz die rotierenden Räder stabilisiert, dafür ist aber deren Trägheismoment viel zu gering. Zumindest bei langsamer Fahrt mit einem leichten Rennrad würde man sofort umkippen, wenn dies die einzige Stabilisierung wäre.

Es gibt aber ein weiteres Phänomen, welches das Fahrrad aufrecht hält:

Jeder weiß aus Erfahrung, daß man um die Kurve fährt, wenn man das Rad während der Fahrt zur Seite neigt und zwar auch dann, wenn man freihändig fährt. Dies ist eine Folge der Addition von Drehimpulsen. Wenn ich das rotierende Rad zur Seite kippe, dann übe ich ein Drehmoment auf das Rad aus, welches senkrecht zu seinem Drehimpuls steht. Dies führt dazu, daß das Rad sich um eine Achse dreht, die senkrecht auf diesen beiden Vektoren steht. Anstatt also zur Seite zu kippen, wie ein ruhendes Rad, dreht sich das rotierende Rad um eine senkrechte Achse in die Richtung in die ich es kippen wollte.

Diese Drehung des Rades führt dazu, daß das gesamte Fahrrad eine Kurve in die Richtung fährt, in die es gekippt wurde. Dadurch wirkt auf das Rad und seinen Fahrer eine Zentrifugalkraft, welche in die entgegengesetzte Richtung wirkt, in die das Rad gekippt wurde. Diese Zentrifugalkraft richtet das Rad wieder auf, dreht das Vorderrad wieder in die richtige Richtung und führt dann dazu, daß sich dasselbe Spiel auf der anderen Seite wiederholt.

In Wirklichkeit fährt ein Fahrrad also nicht geradeaus, sondern in Schlangenlienien. Die Amplitude dieser Schwingung ist allerdings so klein, daß man sie normalerweise nicht spürt, zumal die durch das Treten der Pedalen ausgelösten Schwingungen viel stärker sind.

Hab ich mir auch schon so gedacht, aber dann wäre das Radfahren ja umso schwieriger, je kleiner die Räder sind, oder?
Dann müßten diese jetzt so hippen Trettroller ja auch ganz schwierig zu fahren sein, eben weil dessen Räder so klein sind…

Hi Xanadu :smile:))

Du hast Recht, je kleiner die Räder sind, desto kleiner ist der Drehimpuls. Wenn du genau hinschaust, wirst du feststellen, dass diese Roller auch ziemlich hin- und herwackeln. Hier kommt jedoch eine zusätzliche Stabilisierung dadurch zu Stande, dass du mit dem Lenker einen Hebel hast, mit dem du ein Drehmoment auf die Räder ausüben und so deren Drehimpuls wieder stabilisieren kannst.

cu Stefan.

Eine dumme Frage, ich weiß, aber irgendwie habe ich die
Antwort bisher nie mitgekommen:

Wieso ist ein Fahrrad in Bewegung stabil, während es umkippt,
wenn man sich nicht bewegt?

Die Frage ist garnicht so dumm, wie Du meinst. Die Erklärung mit dem Drehimpuls der Räder, die ich auch schon oft gehört habe, dürfte wohl auf die Liste der populären Irrtümer gehören. Der Drehimpuls der Räder erklärt nähmlich überhaupt nicht, warum man auch bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten noch sehr gut radeln kann. Das Trägheitsmoment der Räder ist auch viel zu gering, um das Fahrrad nennenswert stabilisieren zu können. Außerdem kann jeder selbst ausprobieren, daß ein Fahrerloses Rad nach wenigen Metern umfällt.

Auch die Kurvenfahrt des Fahrrades und die sich daraus ergebenden Zentrifugalkräfte auf den Fahrer erklären den Effekt nicht. Es gibt nähmlich Trainingsgeräte für Fahrräder auf denen man auf Rollen Fahren kann, ohne daß sich das Fahrrad fortbewegt.

Bekanntlich fällt ein Körper dann um, wenn sich der Schwerpunkt nicht über der Standfläche befindet. Beim Fahrrad ist die „Standfläche“ nur eine schmale Linie zwischen den Auflagepunkten von Vorder- und Hinterrad. Das Fahrrad steht oder fährt nur dann stabil, wenn sich der Schwerpunkt über der Standfläche befindet. Das gilt natürlich nicht in einer rasanten Kurvenfahrt. Hier würde sich der Schwerpunkt im Gleichgewichtszustand zum Kreismittelpunkt hin verschieben.
Wer selbst Rad fährt, kann es leicht selbst ausprobieren. Wenn man sehr langsam fährt und umzukippen droht, wird man in die Kipprichtung lenken. Durch die Lenkbewegung wird die Standfläche in Kipprichtung verschoben. Dadurch wird die Standfläche unter dem Schwerpunkt hindurch auf die Kippseite verschoben und somit die Kipprichtung umgekehrt. Es handelt sich im Grunde nur um einen einfachen Balanciervorgang. Das Gleiche passiert auch, wenn man einen Besenstiel auf dem Finger balanciert. Das ist sogar noch schwieriger, weil hier 2 Freiheitsgrade ausbalanciert werden müssen. Die Mindestgeschwindigkeit zum stabilen Radfahren ist nur nötig, damit die Lenkbewegung auch zu einer zügigen Verschiebung der Standfläche unter dem Schwerpunkt führen kann.
Mit abnehmender Geschwindigkeit wird das Balancieren schwieriger, weil der Lenkvorgang nur noch langsame Verschiebungen der Standfläche bewirkt.

Jörg

Es handelt sich im Grunde nur um einen einfachen Balanciervorgang.

Deshalb muß die Lenkstange auch schräg nach vorn stehen, damit das Rad stabil fährt. Bei einer senkrechten Lenkstange würde dieser Effekt nämlich nicht auftreten.

Deiner Erklärung könnte man noch hinzufügen, daß diese Verlagerung des Gleichgewichtes nicht vom Fahrer ausgeführt werden muß sondern auch bei einem führerlosen Fahrrad auftritt.

Hi Jörg :smile:

Nunja, ich denke trotzdem, dass der Drehimpuls der Räder der Hauptstabilisator ist. Schraub von einem Fahrrad ein Rad ab. Halte dieses Rad links und rechts an der Nabe fest. Bitte eine zweite Person, das Rad zu drehen. Jetzt kannst du das Rad mit einem Zeigefinger an einem Ende der Nabe wunderbar halten. Es fällt nicht runter!

Der Effekt, den MrStupid beschrieben hat, ist sicherlich da, dominiert aber die Kurvenfahrt. Beim Geradeausfahren spielt er lediglich die Rolle einer kleinen Störung, die Schwankungen sind viel zu gering, um einen nennenswerten Einfluss zu haben.

Der Drehimpuls der Räder erklärt nähmlich überhaupt
nicht, warum man auch bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten
noch sehr gut radeln kann.

Jeder weiß, dass er beim Langsamfahren „wackeliger“ ist. Das ist schlicht und einfach eine Folge des geringeren Drehimpulses.

Das Trägheitsmoment der Räder ist
auch viel zu gering, um das Fahrrad nennenswert stabilisieren
zu können. Außerdem kann jeder selbst ausprobieren, daß ein
Fahrerloses Rad nach wenigen Metern umfällt.

Das Fahrrad fällt deswegen um, weil es z.B. die Reibung gibt, die den Drehimpuls stört. Solche Effekte werden durch den Fahrer über die Lenkung (Drehmomente) ausgeglichen.

Bekanntlich fällt ein Körper dann um, wenn sich der
Schwerpunkt nicht über der Standfläche befindet.

In der Statik ist das so, aber beim Fahrrad hast du einen dynamischen Prozess, bei dem neben der Gravitationskraft auch noch Drehimpulse wirken! Was du sagst, gilt z.B. beim Kunst-Radfarhen. Da stehen die Räder still und die Fahrer kämpfen allein mit der Statik.

Das Fahrrad steht oder fährt nur dann stabil, wenn sich der
Schwerpunkt über der Standfläche befindet … Es handelt
sich im Grunde nur um einen einfachen Balanciervorgang.

Warum muss man sich dann an der roten Ampel abstützen, um nicht umzufallen, und beim Fahren braucht man das nicht? Beim Fahren bewegt sich der Fahrer und so müsste es ihm doch theoretisch schwerer fallen, das Gleichgewicht zu halten.

Die Mindestgeschwindigkeit zum stabilen Radfahren ist
nur nötig, damit die Lenkbewegung auch zu einer zügigen
Verschiebung der Standfläche unter dem Schwerpunkt führen
kann.

Und das funktioniert nur, weil durch die Lenkung Drehmomente auf die Räder ausgeübt werden. Diese sind zwar unabhängig von der Rad-Geschwindigkeit, aber bei einem kleinen Rad-Drehimpuls (langsam) sind die Auswirkungen heftiger als bei einem großen Rad-Drehimpuls (schnell). Deswegen kann man beim Schnellfahren das Fahrrad „dosierter“ steuern. Die Lenkbewegungen beim Schnellfahren sind ja auch erheblich langsamer als beim Langsamfahren.

Ohne Reibung und bei perfekt gerader Lenkung würde ein 1-mal angschubstes Fahrrad ewig geradeaus fahren. Durch den Fahrer und durch die Reibung treten Störungskräfte auf, die der Fahrer über die Lenkung (also über Drehmomente) korrigieren muss. Tatsächlich muss auch der Schwerpunkt ausbalanciert werden, weil sonst nämlich ein permanentes Drehmoment auf die Räder wirkt, das sie langsam zum Kippen bringt.

cu Stefan.

Danke an alle!
Endlich bin ich erleuchtet… :wink:

Hallo Stefan,
da muß ich nochmal kontern, denn die Experimente sprechen gegen die Drehimpuls-These

Nunja, ich denke trotzdem, dass der Drehimpuls der Räder der
Hauptstabilisator ist. Schraub von einem Fahrrad ein Rad ab.
Halte dieses Rad links und rechts an der Nabe fest. Bitte eine
zweite Person, das Rad zu drehen. Jetzt kannst du das Rad mit
einem Zeigefinger an einem Ende der Nabe wunderbar halten. Es
fällt nicht runter!

Ich kenne diese Experimente, aber 1. wird hier nur das Eigengewicht des Rades gehalten und 2. werden die Räder, damit es auch schön spektakulär wirkt, auf Drehzahlen gebracht, die jenseits dessen liegen, was die Polizei im Verkehr erlauben würde. Wenn man langsam fährt, kommt man gerade mal in den Bereich von 1 Umdrehung/s.
Das Experiment läßt sich noch viel einfacher durchführen: Man hebe das Vorderrad so an, daß es sich frei drehen kann. Dann wird es angestoßen, sodaß der Tacho 5-10 km/h anzeigt. Wenn das Fahrad Schräglage hat, kippt der Lenker sofort zur Seite weg. Wenn es gerade und der Lenker etwa im Gleichgewicht ist, dreht sich der Lenker samt Drehachse des Rades, sobald man ihn mit geringster Kraft antippt. Wenn von dem Drehimpuls des Rades eine nennenswerte stabilisierende Wirkung zu erwarten wäre, müßte man zumindest einen Widerstand gegen die Bewegung des Lenkers spüren. Das ist bei so niedrigen Geschwindigkeiten aber nicht der Fall. Um einen mittelschweren Mitteleuropäer mit Gepäck und Fahrrad ( ca. 100 kg ? ) auszubalancieren, sind schon erheblich größere Kräfte erforderlich.

Der Effekt, den MrStupid beschrieben hat, ist sicherlich da,
dominiert aber die Kurvenfahrt. Beim Geradeausfahren spielt er
lediglich die Rolle einer kleinen Störung, die Schwankungen
sind viel zu gering, um einen nennenswerten Einfluss zu haben.

Ich glaube fast, daß er das Gleiche meint, wie ich weiter unten beschreibe, denn eine seitliche Beschleunigung bewirkt ja nichts anderes als eine Kreisbewegung. In diesem Fall muß ich ihm Recht geben.

Der Drehimpuls der Räder erklärt nähmlich überhaupt
nicht, warum man auch bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten
noch sehr gut radeln kann.

Jeder weiß, dass er beim Langsamfahren „wackeliger“ ist. Das
ist schlicht und einfach eine Folge des geringeren
Drehimpulses.

Nicht nur Drehimpuls sondern alle dynamischen Größen verringern sich mit abnehmender Geschwindigkeit. Das Wackeln ist also kein Beweis dafür, daß es nun ausgerechnet am fehlenden Drehimpuls liegt.

Das Trägheitsmoment der Räder ist
auch viel zu gering, um das Fahrrad nennenswert stabilisieren
zu können. Außerdem kann jeder selbst ausprobieren, daß ein
Fahrerloses Rad nach wenigen Metern umfällt.

Das Fahrrad fällt deswegen um, weil es z.B. die Reibung gibt,
die den Drehimpuls stört. Solche Effekte werden durch den
Fahrer über die Lenkung (Drehmomente) ausgeglichen.

Da die Reibung sehr gering ist, würde das doch eher dafür sprechen, daß der Drehimpuls sehr klein ist.

Bekanntlich fällt ein Körper dann um, wenn sich der
Schwerpunkt nicht über der Standfläche befindet.

In der Statik ist das so, aber beim Fahrrad hast du einen
dynamischen Prozess,

Die statischen Kräfte bleiben aber auch im dynamischen Prozess erhalten. Sie werden von den dynamischen nur überlagert, nicht ersetzt.

bei dem neben der Gravitationskraft auch
noch Drehimpulse wirken!

Und natürlich noch die in axialer Richtung wirkende seitliche Beschleunigungskraft, die eine Folge der Lenkbewegung ist. Wie wichtig die ist, merkst Du, wenn Du versuchst auf Glatteis zu radeln. Mit der Drehimpulsstabilisierung sollte das eigentlich kein Problem sein. Tatsächlich werden die Räder aber sofort seitlich wegrutschen, sobald Du Korrekturbewegungen ausführst oder das Fahrrad eine leichte Schräglage erreicht.

Was du sagst, gilt z.B. beim
Kunst-Radfarhen. Da stehen die Räder still und die Fahrer
kämpfen allein mit der Statik.

Das würde ich wiederum nicht sagen. Auch hier handelt es sich um ein labiles Gleichgewicht, das allein mit statischen Kräften nicht ausbalanciert werden kann. Beim Einrad balanciert der Fahrer in Fahrtrichtung durch Vor- und Zurückfahren. Bei den Profis sieht man das vieleicht nicht mehr, aber die Bewegung ist immer noch da.

Das Fahrrad steht oder fährt nur dann stabil, wenn sich der
Schwerpunkt über der Standfläche befindet … Es handelt
sich im Grunde nur um einen einfachen Balanciervorgang.

Warum muss man sich dann an der roten Ampel abstützen, um
nicht umzufallen, und beim Fahren braucht man das nicht?

Weil im Stand auch die seitliche Beschleunigungskraft fehlt. Wenn das Rad steht, kann ich mit der Lenkbewegung keine seitliche Beschleunigung mehr bewirken.

Beim
Fahren bewegt sich der Fahrer und so müsste es ihm doch
theoretisch schwerer fallen, das Gleichgewicht zu halten.

Warum ?

Die Mindestgeschwindigkeit zum stabilen Radfahren ist
nur nötig, damit die Lenkbewegung auch zu einer zügigen
Verschiebung der Standfläche unter dem Schwerpunkt führen
kann.

Und das funktioniert nur, weil durch die Lenkung Drehmomente
auf die Räder ausgeübt werden. Diese sind zwar unabhängig von
der Rad-Geschwindigkeit, aber bei einem kleinen Rad-Drehimpuls
(langsam) sind die Auswirkungen heftiger als bei einem großen
Rad-Drehimpuls (schnell). Deswegen kann man beim Schnellfahren
das Fahrrad „dosierter“ steuern. Die Lenkbewegungen beim
Schnellfahren sind ja auch erheblich langsamer als beim
Langsamfahren.

Würde ich auch nicht sagen. Der Haupteffekt der Lenkung besteht darin, daß die Abrollrichtung des Vorderrades verdreht wird und dadurch das Ganze Fahrad seitlich beschleunigt wird. Das ist natürlich auch von der Fahrgeschwindigkeit abhängig.

Ohne Reibung und bei perfekt gerader Lenkung würde ein 1-mal
angschubstes Fahrrad ewig geradeaus fahren. Durch den Fahrer
und durch die Reibung treten Störungskräfte auf, die der
Fahrer über die Lenkung (also über Drehmomente) korrigieren
muss. Tatsächlich muss auch der Schwerpunkt ausbalanciert
werden, weil sonst nämlich ein permanentes Drehmoment auf die
Räder wirkt, das sie langsam zum Kippen bringt.

Wie bereits am Anfang gesagt, reicht der Drehimpuls nicht einmal aus, um den Lenker für ein paar Sekunden gerade zu halten, wie soll er dann die ganzen 100 kg stabilisieren ?

fragt Dich Jörg

Hi Jörg :smile:

Ich habe das eben mal durchgerechnet und muss zu meiner Schande gestehen, dass du Recht hast. Der Drehimpuls ist viel zu klein, um das Fahrrad stabilisieren zu können. Man wird im Studium so auf Erhaltungssätze getrimmt, dass einem manchmal der Blick für die Wirklichkeit verstellt ist. Danke dir nochmal für die Mühe, einem dummen Physiker die Physik zu erklären :smile:))

cu Stefan.

Es gibt aber ein weiteres Phänomen, welches das Fahrrad
aufrecht hält:

Jeder weiß aus Erfahrung, daß man um die Kurve fährt, wenn man
das Rad während der Fahrt zur Seite neigt und zwar auch dann,
wenn man freihändig fährt. Dies ist eine Folge der Addition
von Drehimpulsen. Wenn ich das rotierende Rad zur Seite kippe,
dann übe ich ein Drehmoment auf das Rad aus, welches senkrecht
zu seinem Drehimpuls steht. Dies führt dazu, daß das Rad sich
um eine Achse dreht, die senkrecht auf diesen beiden Vektoren
steht. Anstatt also zur Seite zu kippen, wie ein ruhendes Rad,
dreht sich das rotierende Rad um eine senkrechte Achse in die
Richtung in die ich es kippen wollte.

Hallo Mr.Stupid
Genau so ist es, das sagen die Kreiselgesetze aus. Nur um es zu präzisieren, es ist keine Addition von Drehimpulsen sondern das Kreuzprodukt aus Drall und einer senkrecht auf ihn wirkenden Stör-Winkelgeschwindigkeit (hier: das Kippen um die Längsachse des Fahrrads). Senkrecht auf dieser von den Faktoren aufgespannten Ebene entsteht dann das resultierende Reaktionsdrehmoment was die Lenkerkorrektur zur Folge hat.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

Nur um es
zu präzisieren, es ist keine Addition von Drehimpulsen sondern
das Kreuzprodukt aus Drall und einer senkrecht auf ihn
wirkenden Stör-Winkelgeschwindigkeit (hier: das Kippen um die
Längsachse des Fahrrads). Senkrecht auf dieser von den
Faktoren aufgespannten Ebene entsteht dann das resultierende
Reaktionsdrehmoment was die Lenkerkorrektur zur Folge hat.

Um es noch präziser zu sagen: Beim Kippen des Rades greift eine Kraft am Rad an, die parallel zur Achse des Rades steht. In Verbindung mit der seitlichen Führungskraft bewirkt dies ein Drehmoment, welches dem Kreuzprodukt aus der angreifenden Kraft und dem Hebel von der Achse des Rades bis zu dessen Berührungspunkt mit dem Erdboden entspricht. Dieses Drehmoment führt zu einer differentiellen Drehimpulsänderung, die vektoriell zum aktuellen Drehimpuls des Rades addiert werden muß, womit wir wieder bei der Addition von Drehimpulsen sind: d L /dt= D = F x r

Ich baute auch mal einen Schwungradenergiespeicher an ein Fahrrad und musste feststellen, dass trotz enormer Rotationsenergie des Schwungrades, das Fahrrad umfiel sobald es stand.
Meiner Ansicht nach ist zu dieser Frage also die Antwort von Joerg die richtige.
Marcus

Hallo Mr. Stupid
Das ist ein klassischer Fall, wie er im WWW oft vorkommt, dass man aneinander vorbeiredet. Das was Du mit F x r anführst ist der sogenannte ‚Kraftstoß’, der den BETRAG des Drehimpulses ändert. Allerdings muß er dann anders orientiert sein, weil dieser Momentenvektor , oder zumindest eine Vektorkomponente die gleiche Richtung haben muß wie der Drehimpulsvektor. Aber davon ist bei mir nicht die Rede. Ich rede von der Trägheitseigenschaft des Drehimpulsvektors der sich einer zwangsweisen Veränderung seiner RICHTUNG widersetzt. In einfachster Form kommen hier die Gesetze des ‚Schweren Kreisels’ zur Anwendung, die aber für eine einfache Erklärung der Zusammenhänge nur gelten wenn man einen quasistationären Zustand betrachtet, d.h. wenn alle in Frage kommenden Achsen mehr oder weniger senkrecht aufeinander stehen. Andernfalls begibt man sich in das Umfeld der Eulergleichungen, was aber hier zu weit führen würde. Zur Veranschaulichung beschreibe ich hier noch einmal den Versuch, den jeder nachvollziehen kann sofern er das Vorderrad aus seinem Rad montiert.
Ich hatte eins mit ca. 2,1 kg Masse, einem Laufflächenradius von 0,345 m, einem geschätzten Trägheitsradius von etwa 0,31 m und bei der Auflage der Achse auf meine Finger, einen Schwerpunktsabstand von ca. 0,06 m. Hielt ich das Rad derart, so konnte ich es zwischen den Speichen mit den restlichen Fingern der rechten Hand leicht auf etwa 2 U/s beschleunigen.
Hieraus ergeben sich rechnerisch die folgenden Größen:
Polares Trägheitsmoment um die Achse Ix = m*r² ~ 0,2 kgm²
Winkelgeschwindigkeit Wx = 2*Pi*f = 12,6 s-1
Drehimpuls (Drall) L = Ix x Wx ~ 2,5 kg m² / s
Schwerkraftstörmoment Mdy = m*g*s ~ 1,2 Nm
Dreht sich das Rad nun von meiner rechten Hand aus gesehen im Uhrzeigersinn, so ist der Drehimpulsvektor nach links gerichtet positiv. Zähle ich die Y-Richtung nach vorne von mir weg als positiv, so entsteht beim Loslassen des Rades mit der linken Hand ein negatives Störmoment (Schwerkraft) das versucht den Drehimpulsvektor nach unten zu verdrehen. Hierauf reagiert das Rad mit einer rechtsdrehenden Präzessionsbewegung um die Z-Achse (Hochachse, zum Erdmittelpunkt positiv) . Diese Präzessionsdrehung erzeugt nun nach der Beziehung Wp x L = -Mdyr ein Reaktionsmoment um die Y-Achse, das dem Störmoment genau entgegengesetzt gleich ist und somit bewirkt, dass die Achse des Rades auf dem Finger waagerecht und die Präzessionsgeschwindigkeit konstant bleibt. Das heißt, dass die Orientierung des Drehimpulses verändert wird wobei sein Betrag erhalten bleibt. Eine numerische Kontrolle bestätigt das. Bei einer Raddrehzahl von etwa 2 Hz entstand eine Präzession von etwa 90° in 3 sek., was etwa 0,5 rad/s entspricht. Mit dem o.a. Drall ergibt sich ein Betrag von je ungefähr 1,2 Nm für das Momentenpaar was auf den Drehimpulsvektor wirkt.
Und um diese Zusammenhänge geht es bei meinem Posting. Die direkten, stabilisierenden Kräfte der Drehimpulsvektoren sind zu vernachlässigen. Die Momente jedoch die bei Kippbewegungen um die Längsachse des Fahrrads auf den vorderen Drehimpulsvektor ausgeübt werden führen zu Verdrehungen des Lenkers, und somit automatisch zu Korrekturen der Fahrtrichtung. Das ist auch das Geheimnis des ‚Freihändigfahrens’. Man lenkt mit dem Hintern durch die Einleitung von Kippkräften. Leitet man ein positives Moment Mdx um die Längsachse des Fahrrads ein (X positiv in Fahrtrichtung) so reagiert der Lenker mit einer positiven Rechts-Drehung (Präzession) um die Z-Achse (Hochachse) wenn das Fahrrad geradeaus fährt. Die Werte oben entsprechen in etwa einer Fahrgeschwindigkeit von 15 km/h. Neben anderen Vernachlässigungen, die für diese Zusammenhänge untergeordnet sind sei auch darauf hingewiesen dass nur die Präzessions-Komponente wirksam wird die der Schrägstellung des Lenkkopflagers entspricht. Man kann diese Korrekturreaktionen am Fahrrad auch leicht überprüfen, wenn man das Rad mit dem Tretlager auf eine Unterlage stellt, so, dass das Vorderrad sich frei durchdrehen kann. Bringt man das Vorderrad in eine der Fahrt entsprechende Umdrehung und kippt das Rad nun vom Sattel aus leicht hin und her, so wird der Lenker wechselseitig ausgelenkt, was bei stehendem Vorderrad nicht zu beobachten ist.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

Hallo WWW-Gemeinde.
Um Doppelpostings zu vermeiden möchte ich hier darauf hinweisen daß ich am 14.10. im ersten Thread von Xanadu ‚Das Fahrrad‘ eine ausführliche Erklärung mit Versuchsbeschreibung zu dem Thema geschrieben habe, als Stellungnahme zu einer Antwort von Mr.Stupid.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

Davon abgesehen, daß ein Kraftstoß natürlich F x r *Δt wäre meinen wir offensichtlich dasselbe.

Noch ein Aspekt
Hi,

beim Fahrrad kommt noch eine stabilisierende Komponente hinzu: Der sog. „außerachsige Vorlauf“, also die Rahmengeometrie, bei der 1. die Lenkachse nicht senkrecht sondern leicht nach hinten-oben geneigt ist (Vorlauf) und 2. die Radachse nicht die Lenkachse kreuzt, sondern leicht vorgelagert (außerachsig) ist. Auf diese Weise stabilisiert sich das Rad auf den Geradeauslauf und setzt dem Lenkeinschlag durch sein Eigengewicht eine proportionale Kraft entgegen. Das hilft dem Fahrer die Korrekturlenkbewegungen zu dosieren.

Die ersten Draisinen mit senkrechter Lenkachse waren viel wackeliger zu fahren. Bei Hochrädern ist dieses Problem besonders ausgeprägt was im übrigen die wirkliche Ursache dafür ist, daß diese ulkigen Dinger so schwer zu fahren sind.

Feida Hoppatahn ;o)
R o b.

Das war noch eine schoene Ergaenzung- und mir foellig neu, aber einleuchtend.
danke,
Marcus

Ich baute auch mal einen Schwungradenergiespeicher an ein
Fahrrad und musste feststellen, dass trotz enormer
Rotationsenergie des Schwungrades, das Fahrrad umfiel sobald
es stand.
Meiner Ansicht nach ist zu dieser Frage also die Antwort von
Joerg die richtige.

Hallo Marcus,
schau doch mal beim Denksport- und Rätselbrett in die Doppelkreiselaufgabe rein. Wenn Du die Lösung des 2. Teils durchließt, wirst Du feststellen, daß das aus Prinzip nicht funktionieren kann, auch wenn die Schwungscheibe noch so schnell dreht.

Jörg