Von Kategorien, Prototypen und Vorurteilen
Hallo Petzi,
zu Deinen Fragen:
Kann ich jetzt ganz lachs und unpsyochologisch sagen, daß das
daran liegt daß wir alle die mehr oder weniger gleichen
Bilderbücher gelesen haben und gelernt haben „Werkzeug = Hammer“
und erst viel später „Werkzeug = Kombizange“? Oder - wie bei der
Farbe - daß die Wurzeln viel tiefer liegen?
Ja, das ist alles richtig. So in etwa kann man es sich vorstellen. Ich würde zwar nicht behaupten wollen, daß wir viel später „Kombizange“ gelernt haben, aber daß „Hammer“ unserer typischen Auffassung von einem Werkzeug mehr entspricht. Vielleicht liegt es am Lernprozeß. Hinsichtlich der Farbe wird es vermutlich auch am Lernprozeß liegen, aber daß gerade Rot der Prototyp ist, liegt wahrscheinlich daran, daß Rot biologisch gesehen eine besondere Bedeutung hat, was wohl evolutionstheoretisch erklärt werden könnte.
Gibt’s eigentlich noch mehr solcher „Prototypen“?
Ja. Man kann sich viele Kategorien vorstellen und diese beinhalten nach der Vorstellung von Frau Rosch Prototypen - also idealtypische Mitglieder der Kategorie, zu denen alle anderen
Mitglieder Ähnlichkeiten aufweisen. Wenn Du wissen willst, welche Prototypen es noch gibt, dann muß Du so etwas wie eine psychologische Untersuchung machen: Frag doch mal in Deiner
Bekanntschaft, welche Beispiele ihnen zu bestimmten Kategorien ganz schnell einfallen. Frau Rosch hat Fragebogen benutzt und Leute gefragt, wie gut ein Wort in eine Kategorie paßt. Die
Leute haben es auf Skalen angekreuzt.
Und funktioniert das auch auf Menschen bezogen?
Du meinst: Wenn man als Kategorie eine Gruppe von Menschen nimmt? Na klar. Z.B. was fällt Dir unter Schornsteinfeger ein? Oder Großvater? Oder Diktator? Oder Ausländer?
Kommen da vielleicht auch manche Vorurteile her? Oder ist das
zu individuell beeinflußt?
Das Beispiel der Kategorie „Ausländer“ sollte zeigen, daß Kategorien etwas mit Vorurteilen zu tun haben. Aber von einer Kategorie bis zu einem Vorurteil ist es noch ein Schritt.
Vorurteile kann man als negative Einstellungen auffassen. Die Kategorien haben aber ersteinmal nichts mit Bewertungen von Dingen zu tun. Sie beziehen sich darauf, wie Dinge kognitiv geordnet sind. Erst wenn die negative Bewertung der Dinge in einer Kategorie dazu kommt und sich die Kategorie auf eine soziale Gruppe bezieht, würde die Definition von Vorurteil zutreffen. Das soll heißen: Kategorienbildung ist notwendig für ein Vorurteil, aber nicht hinreichend.
Gibt’s zu den „Prototypen“ irgendwelche Literatur die Du mir empfehlen könntest?
Literatur zu dem Thema „Prototypen“ gibt es natürlich. Leider kenne ich nur einige Beiträge dazu in Lehrbüchern der Psychologie (Stroebe, Hewstone, Stephenson. Sozialpsychologie.
J. Springer Verlag. - Anderson. Kognitive Psychologie. Spektrum.) und in Fachzeitschriften (alles in Englisch natürlich). Das ganze ist recht schwere Kost, d.h. selbst für
Studenten in den ersten Semestern nicht so leicht verständlich.
Schön, daß Dich psychologische Fragen so interessieren, v.a. weil die Prototypenfrage eine Frage ist, die direkt aus der wissenschaftlichen Psychologie kommt.
Gruß,
Oliver