Melusine: Krawehl, Krawehl!

Hallo liebe Lesende,

ihr kennt ja bestimmt alle das Gedicht „Melusine“ aus Pappa ante Portas:

Krawehl! Krawehl!
Taubtrüber Ginst am Musenhain!
Trübtauber Hain am Musenginst!
Krawehl!

Nun habe ich durch die Lektüre von Zolas „Nana“ erfahren, dass es eine Sagengestalt „Melusine“ tatsächlich gibt. Auch „Ginst“ ist fürwahr ein deutsches Wort (hätte ich nie vermutet)!
Deshalb frage ich mich, ob dieses Gedicht, welches ich bislang unter Nonsense-Lyrik abgelegt hatte, nicht doch einen tieferen Sinn besitzt. Über einen Musenhain und das Wort „Krawehl!“ kann ich jedoch nichts herausfinden. Vielleicht wisst Ihr da mehr?

Überdies schrieb die Wiki, diese bülowsche Bearbeitung des Melusinestoffes knüpfe an die Poetik Trakls an. Ich las daraufhin die beiden Melusine-Gedichte von Trakl, fand jedoch keine offensichtlichen Gemeinsamkeiten mit demjenigen von Loriot. Ist das wieder der „Ich-will-auch-noch-was-schreiben“-Effekt von Wiki, oder übersehe ich da was?

Liebe Grüße
Immo

Deshalb frage ich mich, ob dieses Gedicht, welches ich bislang
unter Nonsense-Lyrik abgelegt hatte, nicht doch einen tieferen
Sinn besitzt. Über einen Musenhain und das Wort „Krawehl!“
kann ich jedoch nichts herausfinden. Vielleicht wisst Ihr da
mehr?

Gibt es durchaus: es gibt den Göttinger „Hain“
http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttinger_Hainbund
und Ernst Krawehl war der Verleger von Arno Schmidt
http://www.tagebau.tyrakel.de/wordpress/?p=1402

Hallo,

Thüring von Ringoltingen schrieb 1456 einen der ersten Prosaroman überhaupt. Sein Name: Melusine. Hat aber wenig mit Loriots lyrischer Schöpfung zu tun :wink:

Gruß
Ann da Càva

Hallo Immo,

einen tieferen Sinn zu suchen, bedeutete, auf Loriots Parodie moderner Lyrik hineinzufallen.

Was Dir als Vorbild entgangen ist, findest Du unter dem Stichwort „Expressionismus“ (und damit auch Trakl). Das beste Beispiel ist A. Stramms Patrouille:

Die Steine feinden
Fenster grinst Verrat
Äste würgen
Berge Sträucher blättern raschlig
Gellen
Tod.

Expressionismus als höchste Verdichtung der Sprache! Der Hinweis auf A. Schmidt ist super! Auch das hilft Dir weiter.

Gruß,
Andreas

Hallo Armin,

danke insbesondere für den Hinweis auf Arno Schmidt. Ob der Musenhain auf den Göttinger Hain anspielt, bin ich nicht sicher; aber Krawehl ist wohl eindeutig.

Liebe Grüße
Immo

Hallo Andreas!

einen tieferen Sinn zu suchen, bedeutete, auf Loriots Parodie
moderner Lyrik hineinzufallen.

Jaja. Ich mein ja nur …

Alles, was Loriot schreibt/spielt/spricht, hat einen tieferen Sinn. Sicher nicht das „Melusine“-Gedicht als solches, aber es gibt offenbar einen Grund, warum er es genau so „gedichtet“ hat.
Jaja, es hätte auch komplett sinnfrei sein können (so wie das „Neue Doppel-Saalelied“, von dem mir immer der Autor entfällt: An der Doppelsaale hellem Doppelstrande / stehen Doppelburgen stolz und doppelkühn …), aber nachdem es Melusine und, wie ich jetzt weiß, Krawehl tatsächlich gibt, wird der Seitenhieb auf moderne Lyrik doch viel deutlicher als durch die „einfache“ Persiflage, die nur Worte scheinbar sinnfällig aneinanderreiht (wie sie ein Mitschüler von mir im Deutschunterricht verfasste: Jackenfliegen / durch die Lüfte / Großer Schmerz in meiner Hüfte / und es wird. Da niemals heller, / mit dem Messer geht’s schneller!)

Was bei Loriot persifliert wird, ist mir völlig klar, der „missing link“ war nur der Herr Krawehl.

Liebe Grüße
Immo

Kraweel = ein mittelalterliches Schiff, so ähnlich wie eine Hansekogge. Wer weiß, vielleicht hat Loriot ja das gemeint.