Hallo !
Hier etwas aus dem Brockhaus von 1838 :
Femgerichte, auch Freigerichte oder Freiding, waren Gerichtshöfe eigentümlicher Art, welche sich im Mittelalter allmälig in ganz Deutschland einen bedeutenden Teil der richterlichen Gewalt, namentlich der Strafrechtspflege , angemaßt hatten.
Über die Entstehung und Verfassung ist von Historikern und Rechtsgelehrten viel gestritten worden.
Nach Auflösung der altdeutschen Gauverfassung, wodurch Deutschland ein gemeinsames Oberhaupt und eine Anzahl mehr oder weniger selbständiger Fürsten erhielt, ging auch die richterliche Gewalt an die Landesherren über.
Nur in Westfalen, dem alten Herzogtum Sachsen, hatten sich bei der allgemeinen Verwirrung, welche namentlich nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1179) herrschte, viele freie Gemeinden so unabhängig zu erhalten gewußt, dass sie die obere Gerichtsbarkeit (die niedere wurde auch hier von landesherrlichen Beamten ausgeübt) nicht durch die vom Landesherrn bestellten Beamten (die Gografen), sondern durch selbstgewählte höhere Richter (die so genannten Freigrafen) ganz nach alter Sitte ausüben ließen. Nur insofern waren sie oft vom Landesherrn abhängig, als dieser das Bestätigungsrecht oder die so genannte Stuhlherrschaft über sie hatte… Der Erzbischof von Köln suchte im 13. Jahrhundert über sämtliche Freigerichte in ganz Engern und Westfalen eine solche Stuhlherrschaft zu erlangen und der Kaiser, welcher immer als oberster so genannter Stuhlherr betrachtet wurde, gestand ihm auch so viel zu, dass kein Freigraf in diesem Distrikt seine richterliche Gewalt ausüben dürfe, wenn er nicht zuvor vom Erzbischof von Köln geprüft und bestätigt worden sei und dass kein Freigericht ohne seine Einwilligung angelegt werden solle.
Dieses oberste Aufsichtsrecht machte es den Erzbischöfen möglich, in die innere Verfassung der Freigerichte manches hineinzubringen, was ihnen ursprünglich fremd gewesen war, und dadurch scheinen sie im 13. Jahrh. zu so genannten Stillgerichten (heimlichen Gerichten) geworden zu sein, während sie früher, wie das altdeutsche gerichtliche Verfahren überhaupt, öffentlich waren.
Seit dieser Zeit finden wir auch den Ausdruck Fem- oder Vehmgericht häufiger gebraucht, welcher indeß nichts anderes bedeutet als oberes (Fahm heißt das Oberste) oder Blutgericht, was gleichbedeutend ist.
Doch war das Verfahren bei diesen gerichten immer nur teilweise heimlich, nämlich dann, wenn es sich um todeswürdige Verbrechen handelte. Aber auch hierbei wurde immer noch unterschieden, ob der Verbrecher zu den Wissenden (sciti, Femgenossen vemenoti), d.i. Schöffen, welche in das geheime Verfahren eingeweiht waren, deren Anzahl sich mit der Zeit sehr vergrößerte, gehörte oder nicht.
Gegen Nichtwissende konnte ein heimliches Verfahren nur dann stattfinden, wenn sie auf gehörige Anklage, die in einem heimlichen Gericht geschehen zu sein scheint, vor ein offenes Freigericht ge laden worden waren und in dem gesetzlichen Termin von sechs Wochen und drei Tagen nicht erschienen oder die Klage zu entkräften nicht im Stande gewesen waren oder die Sache von ihrem ordentlichen Gericht nicht abgefordert war. Dann wurde das heimliche Verfahren eingeleitet, der Kläger führte den Beweis der Klage mit sechs Eideshelfern, d.h. er beschwor mit noch sechs anderen Männern, welche aber alle Freischöffen oder Wissende sein mußten, dass seine Anklage in der Wahrheit beruhe und der Beklagte wurde in die heimliche Acht verurteilt (verfemt, verführt). Das Urteil wurde durch die Freischöffen selbst vollzogen, wobei jeder Freischöffe, der durch eidliche Versicherung andere Femgenossen von der Verfemung unterrichtet wurde, Hilfe zu leisten verpflichtet war.
Gegen Wissende war das ganze Verfahren heimlich. Sie konnten aber erst nach dreimaliger Vorladung, deren Termine jeder wenigstens sechs Wochen und drei Tage voneinander entfernt sein mußten, verfemt werden.
Erschienen sie aber, so konnten sie durch einen Eid ihre Unschuld beschwören. Diesen Eid konnte zwar der Ankläger durch einen Eid mit drei Eideshelfern entkräften, allein dann stand dem Angeklagten eine weitere Verteidigung mit sechs Eideshelfern und wenn auch diese mit 14 Personen widerlegt wurde, die Verteidigung mit 21 Eideshelfern zu, welches das höchste Zeugnis war und die Freisprechung ohne weiteres bewirkte.
Wurde der Verbrecher bei einem vor die Femgerichte gehörenden Verbrechen (Femwroge) auf frischer Tat (mit hebender Hand und gichtigem Mund) von drei oder vier Freischöffen ertappt, so konnten ihn diese sofort richten.
Jeder Freischöffe war verpflichtet in der heimlichen Acht alle ihm bekannt gewordenen Femwrogen anzuzeigen.
Vor dem Femgericht zu klagen war nur erlaubt, wenn vor dem ordentlichen Gericht des Klägers kein Recht zu erlangen war. Von der Gerichtsbarkeit der heimlichen Gerichte waren alle Geistlichen, reichsunmittelbare Personen, welche die vollständige Landeshoheit besassen und vielleicht auch Juden und Frauen frei.
Nur auf roter westfälischer Erde, konnten, vermöge der kaiserl. Privilegien, durch welche die Freigerichte begnadigt waren, Femgerichte gehalten werden. Doch dehnten sie ihre Macht über ganz Deutschland aus und mißbrauchten dieselbe häufig zu Verbrechen und Gewalttaten.
Daher kam es, dass beim Kaiser häufig Beschwerden über sie einliefen und Befreiung von ihrer Gerichtsbarkeit an ganze Städte und Bezirke erteilt wurde.
Ausdrücklich aufgehoben sind sie indess nie, sie kamen aber durch die im 16. Jahrh. gänzlich umgestaltete Kriminalgesetzgebung und nach dem Westfäl. Frieden außer Gebrauch.
Gruß Max