Bestattung von Eingeweiden

Hallo.

Warum wurden manchmal die Eingeweide und das Herz von bestimmten Fürsten gesondert bestattet? Gestern war erst wieder so ein Bericht über einen Herzog, bei dem das der Fall war.
War es zu der Zeit nicht verboten, Leichen aufzuschneiden?

Grüße
Ostlandreiter

Hai, Ostlandreiter,

Warum wurden manchmal die Eingeweide und das Herz von
bestimmten Fürsten gesondert bestattet? Gestern war erst
wieder so ein Bericht über einen Herzog, bei dem das der Fall
war.

ich kenne nur eine Teil-Antwort: Ober-Motze aller Art sollten in der Heimat bestattet werden. Da die Kühlwagen zu der Zeit eher rar gesät waren, war es mit unangenehmen Gerüchen verbunden, einen Verstorben z.B. von einem Kreuzzug nach Hause zu karren. Also wurde der Leichnam gekocht, bis sich das Fleisch von den Knochen löste, das „Herz-Begräbnis“ wurde vor Ort vorgenommen und die Knochen nach Hause transportiert…

War es zu der Zeit nicht verboten, Leichen aufzuschneiden?

Aufgeschnitten wurde dabei niemand…

Gruß
Sibylle
PS: zur Betonung: eine Teil-Antwort

Hallo Ostlandreiter,

Sektionen waren nicht erlaubt. Aber „hohe Tiere“ wurden nach ihrem Tod einbalsamiert, damit man sie länger aufbahren konnte ohne das es fault und stinkt: Dafür müssen die Leibeshöhlen ausgeräumt und die Eingeweide durch z.B. Stroh oder Leinen ersetzt werden, sonst gammelt der Leichnam trotzdem.
Da die Organe nicht einfach weggeworfen werden können, müssen sie separat bestattet werden.

Viele Grüsse, Nicola

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Weiterführende Frage
Hallo Nicola,

ich erinnere mich an „Der Medicus“, wo gesagt wurde, daß in der Zeit z.B. niemand den Blinddarm (genauer gesagt den Appendix) kannte, eben weil auch Medizinern in Orient und Okzident das Öffnen des Körpers verboten war.

Wenn es aber auch in der Zeit und in dem Kulturkreis üblich war, Toten zwecks Einbalsamierung alle Organe, also wahrscheinlich auch die Därme zu entfernen (was ja bestimmt nicht von Laien, sondern von Fachpersonal durchgeführt wurde), wären dann nicht ‚Anomalien‘ wie eben der Appendix zwangsläufig aufgefallen?

Neugierige Grüße
Christian

Im Schloß Neuhardenberg gab es vergangenen Sommer eine Ausstellung zur Tradition der Herzbestattung. Ebenso ein schöner und informativer Katalog für 15 Euronen. Vielleicht läßt der sich noch nachbestellen.

Bernhard

Hallo !

Es kam ganz darauf an, wer glaubte, ein Anrecht auf den Toten zu haben. Waren mehrere Parteien interessiert, teilte man sich den Verstorbenen.
Vor allem, wenn man glaubte, später Wallfahrten zu seinem Herz oder Körper in Gang setzen zu können. Das brachte viel Geld.

mfgConrad

Medicus!!!

Servus!

Im Bericht ging´s um Herzog Georg den Reichen von Niederbayern. Seine Eingeweide wurden an seinem Sterbeort, in der Nebenresidenz Ingolstadt bestattet - warum, wurde schon gesagt: Die verwesen zuerst.
Er selber (also der Teil von ihm, der einen mehrtägigen Transport mitmachen konnte, ohne dass die Transporteure dabei umfallen) wurde in seiner Hauptstadt Landshut bzw. im Kloster Seligenthal bestattet.

Es gibt aber - abgesehen von den praktischen Gründen - auch politische Gründe, die Eingeweide - besonders das Herz - woanders zu bestatten wie den restlichen Leib:
Seit Otto I. ist der Brauch belegt. Es gibt zwar schon früher Hinweise auf diese Praxis (z.B. beim Hl.Meinrad 861).
Aber erst seit den salischen Kaisern spielen politische Gründe mit: So wurde der Leib Kaiser Heinrichs III. in Speyer (die Grablege der Salier) begraben, sein Herz blieb aber in der Pfalz Goslar, dem politischen Zentrum Sachsens. Heinrich III. war der Sohn des Saliers Konrad II. Seine Abstammung von den sächsischen Kaisern konnte er nur über die weibliche Linie begründen (er war Urenkel einer Tochter Ottos I.) - für das (immer noch in fränkischer Tradition stehendes) Reich war das o.k., in Sachsen galt aber nur die Herkunft über die väterliche Linie wirklich was.
Die Habsburger pflegten den Brauch noch fort, aber ohne grössere politische Gründe, sondern wohl nur der Tradition wegen und um sowohl den Wiener Kapuzinern als auch den Augustinern und dem Stephansdom einen Anteil an den kaiserlichen Begräbnissen zu geben.

VG
Christian

Die Seite

http://herzbestattung.de/

gibt zu dem Thema leider nicht allzu viel her.

Bernhard

Hallo Nicola,

Hallo Christian,

Medizingeschichte ist nicht gerade ein Thema, in dem ich sehr bewandert bin, aber ein bisschen aws kann ich wohl doch dazu sagen.

ich erinnere mich an „Der Medicus“, wo gesagt wurde, daß in
der Zeit z.B. niemand den Blinddarm (genauer gesagt den
Appendix) kannte, eben weil auch Medizinern in Orient und
Okzident das Öffnen des Körpers verboten war.

Diese Aussage von Noah Gordon dürfte stimmen, denn seit dem 3. jahrhundert wurden keine Leichenöffnungen aus wissenschaftlichen Gründen mehr erlaubt. Nicht nur Christen hatten Mühe damit,dass die körperliche Unversehrtheit der Leichen gestört werden könnte. Ausserdem machten damals Gerüchted ie Runde, das Gefangene lebend seziert wurden. Dies war ein weiterer Grund, Sektionen ganz zu verbieten.

Man hat sich über 1000 Jahre bis ins 15. Jhrd. mit den Erkenntnissen von Galen begnügt. Dieser war ein Gladiatorenarzt und hat wohl auch Leichen aber vor allem Tiere seziert. Seine Lehre galt als unantastbar und wurde nicht überprüft, obwohl so einiges nicht stimmte.

Wenn es aber auch in der Zeit und in dem Kulturkreis üblich
war, Toten zwecks Einbalsamierung alle Organe, also
wahrscheinlich auch die Därme zu entfernen (was ja bestimmt
nicht von Laien, sondern von Fachpersonal durchgeführt wurde),
wären dann nicht ‚Anomalien‘ wie eben der Appendix
zwangsläufig aufgefallen?

Das Fachpersonal waren keine Gelehrten oder Priester, sondern Menschen, die mit Toten hantierten, also Analphabeten am unteren Rand der Gesellschaft, unrein und oft ausgestossen.

Die Einbalsamierer haben von Galens Lehren nichts gewusst, obwohl sie sicher genau wussten, das zB ein menschlicher Uterus im Gegensatz zu Galens Behauptung nicht gespalten ist.

Wissenschaftler trieben sich in Bibliotheken herum und hatten keinen Kontakt mit Totengräbern.

Ähnlich lief es auch in anderen Bereichen der Wissenschaft:smiley:as Prinzip der Vererbungslehre ist in der Landwirtschaft schon seit Jahrtausenden bekannt, aber man interessierte sich erst dafür, als ein Gelehrter es systematisch nachprüfte und aufschrieb.

Auffallende Anomalien, wie ein grosser Tumor wäre einem Balsamierer sicher aufgefallen, aber ein Wurmfortsatz fällt nicht auf, wenn man eine Leiche ausnimmt: Bauch auf, eventuell Darm am Schlund, am Enddarm und an den grossen Aterien abbinden, damit es keine Sauerrei gibt und abschneiden. Das ganze Gekröse von meheren Kilogramm zu zweit rauswuchten, in das vorgesehene Gefäss packen, Deckel drauf und nie wieder angucken.

Warum hätte ein Einbalsamierer in dem nicht nur von Eiter stinkenden Gedärm nach dem Ursprung der Entzündung suchen sollen? Und falls er doch etwas bemerkte, wem hätte er sagen sollen, das da ein Schwänzchen am Darm entzündet ist?

Viele Grüsse, Nicola

Neugierige Grüße
Christian

2 Like

Hallo,
die Herzbestattung kann auch mit der religösen Überzeugung zu tun haben.
Z. B. sind in der Wallfahrtskapelle („Gnadenkapelle“) im bayerischen Altötting die Herzen einiger bayerischer Herzöge aus dem Geschlecht der Wittelsbacher „bestattet“, d. h. sie hängen in Silberfassungen an der Wand: In einer Blütezeit der Marienverehrung wollten diese Herrscher ihre Verbundenheit mit Maria auf diese Weise ausdrücken.
Vielleicht besteht noch mit einer etwas makabren Mode eine Verbindung: Es gab (im 18. Jahrhundert?) die weit verbreitete Angst, scheintot beerdigt zu werden, und man verfügte deshalb, bei der Feststellung des Todes das Herz zu durchstechen. Sicher ist sicher.
(Ob diese Durchstecherei auch mit den herzoglichen Herzen in Altötting zu tun hat, weiß ich nicht.)
Beste Grüße!
H.

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interessant
Danke für eure zahl- und umfangreichen Antworten!

huhu sibülle,

(…) war es mit unangenehmen Gerüchen
verbunden, einen Verstorben z.B. von einem Kreuzzug nach Hause
zu karren. Also wurde der Leichnam gekocht, bis sich das
Fleisch von den Knochen löste, das „Herz-Begräbnis“ wurde vor
Ort vorgenommen und die Knochen nach Hause transportiert…

stimmt auffallend. anfang des 14. jahrhunderts wurde diese praxis jedoch aus religiösen gründen verboten. aber das war für auf reisen verstorbene wegen der seuchengefahr nicht lange durchzuhalten, drum führte man es es wieder ein.

eine andere methode war die leichname einzusalzen, zu pökeln also. der gute barbarossa trat so seine letzte reise an.

schöne grüße
ann

PS: meine bremer freundin rief mich neulich an und teilte mir mit, daß sie von einem spandauer bestatter gehört habe, der die asche verstorbener zu diamanten preßt. sei also vorsichtig, wenn norbärt „mein schatz“ zu dir sagt ;-D

huhu sibülle,

Hai, AnnJa Busch, :stuck_out_tongue_winking_eye: *giggel*

stimmt auffallend.

Oh, danke *sachte-erröt*

eine andere methode war die leichname einzusalzen, zu pökeln
also. der gute barbarossa trat so seine letzte reise an.

Grünau! Pökeln - ich wusste doch, daß da noch 'ne skurrile Methode war…

schöne grüße

schöneren Gruß an Dich, Ann (!), und auch an das Gespons…
Sibylle

PS: meine bremer freundin rief mich neulich an und teilte mir
mit, daß sie von einem spandauer bestatter gehört habe, der
die asche verstorbener zu diamanten preßt. sei also
vorsichtig, wenn norbärt „mein schatz“ zu dir sagt ;-D

Oh… *Schluck* Er hat’s gerade gesagt… *fürcht*

Medicus!!!

Excuse me…?

Boah…
Hallo Nicola,

ich bin beeindruckt! Danke schön für deine ausführliche Erklärung.
Das stellt einiges wieder ins rechte Licht bei mir. :smile:
Dickes Sternchen dafür!

Viele Grüße
Christian

Medicus!!!

Excuse me…?

Schreiberlein!!

Ergänzung

ich kenne nur eine Teil-Antwort: Ober-Motze aller Art sollten
in der Heimat bestattet werden.

Z. B. Friedrich Barbarossa I. von Hohenstaufen auch!

die aussage ist nicht ganz korrekt:

„…Das Fachpersonal waren keine Gelehrten oder Priester, sondern Menschen, die mit Toten hantierten, also Analphabeten am unteren Rand der Gesellschaft, unrein und oft ausgestossen…“

warum: laut meiner eigenen ahnenforschung kann ich das nicht behaupten (ging bis 1702)

gruss dirk