Art. 146 GG

Vorbemerkung 1:
Ich weiß nicht, ob dies das richtige Forum für Verfassungsjuristen (oder Juristen überhaupt) ist. Wenn nicht, dann bitte an MOD meinen Beitrag umzusetzen.

Vorbemerkung 2:
Ich will ja keinen auf eine Idee bringen (ist aber wohl auch nicht eine so sensationelle Idee, dass sie noch niemand anders gehabt haben wird), aber bei einer Diskussion ist uns dieses Szenario eingefallen.

Erst einmal - zur Erinnerung Artikel 146 GG:
„Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Also mein Szenario:
Die NPD (oder eine andere rechtsradikale Partei, Organisation) legt dem deutschen Volk eine Verfassung im Sinne der NSPDAP vor und 50.01% der Deutschen stimmen - in freier Entscheidung, also ohne Druck o.ä. - dieser Verfassung zu: hätten wir dann ein zweites Drittes Reich? Und kein Verfassungsorgan (Bundestag, Bundesverfassungsgericht etc.) könnte dies nachträglich ändern?

Hi Ralf,

man muß diesen Gedanken von zwei aus betrachten.

Zunächst einmal wird jede Anwendung einer Regelung des Grundgesetzes vom Bundesverfassungsgericht aus überprüfbar sein. Das Bundesverfassungsgericht würde hier vor allem zu prüfen haben, ob das deutsche Volk in freier Entscheidung gehandelt hat. Das betrifft die Definition, wer deutsches Volk ist. Gehören auch junge Menschen dazu, die nicht wahlberechtigt sind? Sodann ist umstritten, ob diese freie Entscheidung eine einfache Mehrheit (mehr als 50%) bedeutet, oder ob hier eine qualifizierte Mehrheit (2/3) erforderlich ist.
Es gibt also einige Fragen, die hierzu zu beantworten sind.

Sodann muß man ein solches Szenario politisch betrachten. Wenn mehr als 50% der Deutschen die NPD und deren Wunsch-Staat wollten, dann wäre eine politische Atmosphäre erreicht, die selbst Hitler nicht bei der Machtübernahme hatte. Der Machtinhaber deines Szenarios würde sich wohl bedenklos über das Bundesverfassungsgericht und alle hinderlichen Gesetze hinwegsetzen, weil „das Volk“ mehrheitlich hinter ihm steht.

Ist wohl eine Utopie, die so unrealistisch ist und - ich denke - von niemandem ernsthaft gewollt wird.

Gruß,
Francesco

Ist wohl eine Utopie, die so unrealistisch ist und - ich denke

  • von niemandem ernsthaft gewollt wird.

Ja, das glaube - und hoffe - ich auch. Kam halt nur auf, weil immer gesagt wird, die Menschenrechte sind unabänderlich und könnten höchstens mit einem Militärputsch aufgehoben werden. Ist also scheinbar nicht der Fall: knapp über 50% - vielleicht auch knapp über 2/3 (das wäre dann ja schon eine Menge, aber das eben auch nach Deiner Äußerung nur „vielleicht“) - der deutschen Bevölkerung würden hierzu schon ausreichen.

Allerdings verstehe ich Deine Äußerung nicht:

Das Bundesverfassungsgericht würde hier vor allem zu
prüfen haben, ob das deutsche Volk in freier Entscheidung
gehandelt hat. Das betrifft die Definition, wer deutsches Volk
ist. Gehören auch junge Menschen dazu, die nicht
wahlberechtigt sind?

Wie sollen Menschen, die nicht wahlberechtigt sind (Kinder wohl vor allem, wer sonst?), an einer „freien Entscheidung“ (was ja wohl eine Wahl oder Abstimmung sein soll) teilnehmen?

Hi.

Erst einmal - zur Erinnerung Artikel 146 GG:
„Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an
dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen
Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Haben wir eine Verfassung oder das Grundgesetz, oder ist das jetzt das gleiche? Auch der Text der Bundesregierung spricht da nicht ganz klar:

„Mit dem Vollzug der staatlichen Einheit Deutschlands am 3.10.1990 ist es durch die souveräne und bewusste Entscheidung der deutschen Bevölkerung zur gesamtdeutschen Verfassung geworden. Mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes am 3.10. wurde dieser Tag anstelle des 17. Juni als Tag der Deutschen Einheit zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Das Grundgesetz trat mit diesem Datum in den fünf neuen Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und in Ost-Berlin in Kraft.“ (http://www.bundesregierung.de/frameset/index.jsp, erste Treffer, wenn man nach „Verfassung +Grundgesetz“ sucht…)

Gruss und vielen Dank, tafp

Haben wir eine Verfassung oder das Grundgesetz, oder ist das
jetzt das gleiche? Auch der Text der Bundesregierung spricht
da nicht ganz klar:

Klasse! Politiker…

Aber da auch im aktuellen (?) Grundgesetz der Art. 146GG noch vorhanden ist, gehe ich mal davon aus, dass wir keine Verfassung haben. Sonst wäre der ja überflüssig. Jedenfalls finde ich, wenn ich im Internet suche das Grundgesetz in der Ausgabe von 1994 (also lange nach 1990):
http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/Gesetze/gg…

Und da ist 146 noch enthalten.

GG Verfassung

…dass wir keine Verfassung haben. Sonst wäre der ja :überflüssig.

Dann waere ja der Verfassungsschutz ueberfluessig…:smile:

Rehi.
Immer noch unklar. Ich hab mal gesucht:

Die Bundesregierung hat letztens noch Aenderungen am Grundgesetz vorgenommen…

Eine Suche bei google zeigt Seiten, die von einer Verfassung ab '49 reden, ab '90, oder auch nur von einem Grundgesetz, meistens aber ist von beiden Begriffen gleichzeitig die Rede…
Bsp:

„Alle Länder außer Bayern stimmten der Verfassung zu und sie wurde durch die 2/3 Mehrheit für alle elf Länder angenommen. Das Grund-gesetz trat am 23. Mai 1949 in Kraft.“
(http://www.young.de/schule/hausaufgaben/z02/b001526.htm)

„Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist am 24.5.1949 Null Uhr in Kraft getreten. Rechtlich hat es den Status einer Verfassung, obwol es im Ursprung als Provisorium angelegt war.“
(http://www.gg-artikel.de/index.html)

„Grundgesetz:…verfassungsrechtlich bes. bedeutsames, für die Entwicklung einer Verfassung ausschlaggebendes Gesetz;
b) für die Bundesrepublik Deutschland geltende Verfassung: etw. ist im G. verankert;“
ueber Mr. Check

Ich komme zu dem Schluss: Unser GG ist eine Verfassung. Werd nochmal nachfragen.

Zu Deiner eigentlichen Frage kann ich aber keinen weiteren Beitrag leisten. Der Art. ist fuer die Kuerze „schwammig“ formuliert, man muesste mal Notizen dazu zu lesen bekommen.

Gruss, tafp

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Ganz einfach…
Hallo!

Natürlich hat die Bundesrepublik Deutschland eine Verfassung, diese heißt: „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“.

Grüße,
Vlado

Hallo!

Also das Grundgesetzt ist die deutsche Verfassung.Man nannte
es nur Grundgesetz weil es ein Provisorium sein sollte.
Der Osten war ja durch die Sowjets vom Westen abgeschnitten.
Da eine Verfassug fuer "Gesamt"Deutschland gelten sollte
hat man den Umweg ueber das GG gewaehlt.
Man hatte eine Verfassung die man am Tage der Wiedervereinigung
als Gesamtdeutsche Verfassung bestaetigen koennte.
Aber nach 50 Jahren Grundgesetz will man ja nicht den
Namen aendern (Tausende Buecher ,den Sprachgebrauch,das
Verrtrauen ins GG),es waere psychologisch falsch gewesen.
Man hatte sich an den Namen gewoehnt und fuer gut befunden.

Ob man es jetzt Verfasssung nennt oder Grundgesetz ist
eigentlich egal,aber juristisch ist es dasselbe.

MfG

Merias

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

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dankeschoen! (owt)
tafp

Hallo Ralf!

Genaugenommen warte ich wie wohl auch Du auf die Erfüllung der Präambel des GG. Allerdings werden wir da aus gutem Grunde noch seeehr lange warten müssen. Denn dort sind ALLE Deutschen aufgerufen (z.B. auch die Siebenbürger Sachsen pp.) Ich glaube das lassen wir dann doch lieber, oder?

Im Allgemeinen betrachtet man das GG nicht als Verfassung im klassischen Sinne, weil es nicht aufgrund eines inneren politischen Prozesses in Deutschland entstand, sondern quasi von Aussen aufgepfropft wurde. Einen konkreten rechtlichen Grund für eine solche Unterscheidung gibt es allerdings nicht.

Tschüs, Sven.