Hallo,
bisweilen liest man Familiennamen wie „Friedhelm Müller, gen[annt] Maier“.
Wie kommen solche Kombinationen zustande?
Grüße
Pit
Hallo,
bisweilen liest man Familiennamen wie „Friedhelm Müller, gen[annt] Maier“.
Wie kommen solche Kombinationen zustande?
Grüße
Pit
Hallo Pit,
darüber könnte man ganze Bücher schreiben. Eine Kurzfassung findest Du im dtv-Atlas Namenkunde.
Und hier meine Kurzfassung:
Zuerst gab es nur die Rufnamen. Dann, als die Zahl der Menschen zu groß wurde und es zu viele Personen gleichen Rufnamens gab, haben sich die sogenannten Beinamen entwickelt. Das war die Vorstufe zu den Familiennamen.
Ein Beiname charakterisierte einen Menschen näher, war aber - im Gegensatz zu echten Familiennamen - nicht vererbbar sondern an diesen einen konkreten Menschen gekoppelt. Unter Umständen konnte so ein und der selbe Mensch entweder mehrere Beinamen gleichzeitig haben oder aber innerhalb seines Lebens verschiedene Beinamen tragen.
Ich konstruiere mal was:
Wolfgang ist von Beruf Schmied. Er hat seine Schmiede am Bach. Anfangs ist er allgemein „Schmied“ (von Beruf). Da es verschiedene Wolfgang in der nächsten Umgebung gibt, wird er - zur Unterscheidung - von den anderen „Wolfgang, der Schmied“ genannt. „Schmied“ ist Beiname und gleichzeitig Beruf. Nun wächst die Siedlung. Es taucht ein weiterer Wolfgang auf, der ebenfalls Schmied ist. Nur hat er seine Schmiede nicht am Bach, sondern am Berg. So wird der eine von nun an „Wolfgang der Bachschmied“ bzw. „Wolfgang der Bergschmied“ genannt.
Dann ändert sich die Gesellschaftslage. Es herrscht Kriegsgefahr. Der eine Wolfgang spezialisiert sich auf Waffen, der andere auf Hufe für die Pferde. Fortan heißen nun die gleichen Personen „Wolfgang der Waffenschmied“ bzw. „Wolfgang der Hufschmied“. Jeder der beiden Wolfgang hat somit zwei Beinamen, welche zugleich Berufsnamen (z.T. kombiniert mit Wohnstättennamen) sind. Aber all diese Beinamen treffen nur auf den jeweiligen Wolfgang zu.
Nun hat der „Wolfgang der Bachschmied“, welcher sich auf Waffen spezialisiert hat, drei Kinder.
Martin. Er wird im Erwachsenenalter Bäcker
Nikolaus. Er wird im Erwachsenenalter Müller
Stefan. Er wird im Erwachsenenalter Schmied und übernimmt das Elternhaus und die dazu gehörige Schmiede. Allerdings spezialisiert er sich, da die Zeiten wieder friedlich geworden sind, auf die Messerproduktion.
Martin heißt mit Beinamen der „Kirchenbäck“
Nikolaus heißt mit Beinamen der „Klostermüller“
Stefan heißt - da es mittlerweile noch einen weiteren Schmied am Bach gibt - mit Beinamen der „Messerschmied“.
Somit ist bei allen Kindern der Beiname des Vaters verloren gegangen. Obendrein heißt jedes Kind anders, obwohl sie alle drei Geschwister sind.
Irgend wann war dieser Namenswechsel durch die wachsenden Siedlungen nicht mehr haltbar und man ging dazu über, die (bisherigen) Beinamen auch auf die Kinder zu übertragen. Damit wurde ein Beiname vererbbar und somit zu einem „echten“ Familiennamen - die sich bis in die heutige Zeit erhalten haben.
Nun spielt noch eine bisher nicht genannte Entwicklung in diese Sache mit hinein, die Dein von Dir genanntes
Familiennamen wie „Friedhelm Müller,
gen[annt] Maier“.
erklären.
Dazu muss man wissen, dass die Familiennamen in der Stadt (aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte) früher entstanden sind als auf dem Land. In der Stadt jedoch gab es keine „Adressen“ im heutigen Sinn. Und gehe mal in einer Stadt wie Frankfurt am Main einen „Stefan“ suchen, selbst wenn Du weißt, dass er Schmied ist und sich auf die Messerherstellung spezialisiert hat.
Daher hat man schon sehr früh nicht nur den Menschen (Bei-/Familien-)Namen gegeben, sondern auch den Häusern. Man spricht von sogenannten „Wohnstättennamen“. Um in Frankfurt zu bleiben: Das Haus „der Römer“ ist bis heute ein Begriff, selbst wenn man keine Ahnung hat, wie der Platz oder die Straße heißt, an der „er“ liegt.
Diese Wohnstättennamen dienten somit als Ersatz für die heutige Adresse. Sie wurden aufgrund der recht hohen Quote an Analphabeten zumeist in Form von Fassadenmalereien an den Hauswänden angebracht: „Zum Elefant“, „zum Schwan“, „Zur Geige“ etc. So wurde der Stefan Messerschmied, genannt „zum Geiger“, weil er eben in einem Haus lebte, welches eine Geige (bzw. einen Geiger) an der Fassage zeigte.
Ähnlich - aber doch wieder anders - ist die Situation auf dem bäuerlichen Land: Dort wurde den einzelnen Bauernhöfen ein sog. Hofname vergeben. Dies ist ebenfalls ein Wohnstättenname, der das Haus und nicht die Person bezeichnet. Wie die Haus- und Hofnamen im Einzelnen zustande kamen, kann schwer oder auch leicht zu ermitteln sein, es kommt ganz auf den Einzelfall an. Es kann ein „durchsichtiger“ (= auf Anhieb verständlicher) Name sein („zum Wirt“, „Maier“, „Huber“ -> alles Berufe) oder verdunkelt sein und man muss ewig forschen, warum der Hofname genau so und nicht anders lautet. Dabei ist man dann schon tief in der Haus- bzw. Hofgeschichte des einzelnen Objektes und wenn man Pech hat, dann stellt sich heraus, dass ein alter Flurname zugrunde liegt, dann ist man sogar in der Onomastik der Orts- und Örtlichkeitsnamen. Orts- und Örtlichkeitsnamen sind wesentlich älter als die Haus- und Hofnamen und reichen zumeist bis weit vor die Römerzeit.
Somit ist Dein
„Friedhelm Müller genannt Maier“
folgendermaßen zu erklären:
Friedhelm -> unzweifelhaft der Rufname (bitte nicht „Vorname“, auch wenn man das heute in aller Regel so sagt).
Müller -> der vererbbare Familienname (bitte nicht „Zuname“, so wie es in so manchem Behördenformular noch steht)
[genannt] Maier -> Beiname, Zuname aufgrund der Wohnstätte (oder in selteneren Fällen des Berufes oder der Herkunft). Dieser Beiname entfällt in dem Moment, in dem das Kriterium (der Wohnstätte oder ggf. des Berufes, der Herkunft) des Beinamens nicht mehr zutrifft.
zieht dieser Friedhelm Müller von Hessen, wo er „Maier“ genannt wird, nach Bayern, so wäre hier der Wechsel zu „Friehelm Müller genann Hess“ denkbar.
Ich hoffe, es ist ein wenig deutlich geworden, wenn nicht, kannst Du gerne noch mal nachfragen.
Viele Grüße
Alexander
Moin Alexander,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar.
Grüße
Pit
Sehr interessante Erklärung, finde ich toll!