Hallo!
Die Bundeskanzlerin sprach im Zusammenhang mit einem möglichen Bundeswehreinsatz im Libanon von einem Beitrag zur Befriedung der Region.
Die seit einem halben Jahrhundert andauernde Spannungssituation ist von ungeklärter Situation um ein eigenständiges Palästina gekennzeichnet, von Kriegsfolgen mit durch Israel besetzten Gebieten und die ungeklärte Situation um den Zugang zu den religiösen Stätten Jerusalems. Aus dieser Situation heraus entstanden bewaffnete Kämpfergruppen, die außerhalb der Kontrolle der beteiligten Staaten agieren.
Eine Befriedung der Region führt nur über eine Auflösung der beschriebenen Gemengelage, also Freigabe aller besetzten Gebiete, ein selbständiger Staat Palästina, Teilung Jerusalems und/oder Unterstellung der Stadt unter ein langfristig angelegtes UN-Mandat und Entwaffnung aller Kämpfergruppen, die außerhalb regulärer Streitkräfte der beteiligten Staaten ein unkontrollierbares Eigenleben führen.
Solange die genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind oder über Absichtserklärungen hinaus ernsthaft angegangen werden, gibt es keinerlei Chance auf eine Befriedung der Region und jeder Tag ohne Waffengewalt ist Glücksache, liegt jedenfalls außerhalb unmittelbarer Einflußnahme einer der beteiligten Staaten. So lange fehlt jedem wie auch immer gearteten Bundeswehreinsatz die klare Grenze, das klare Ziel und die Perspektive. Zwischen Zweckfreiheit und Desaster ist alles möglich. Eine Organisation wie die Hisbollah ist über Jahrzehnte gewachsen und in der Bevölkerung als Träger von Schulen, Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen verankert. Die Organisation wurde in den letzten Wochen eher gestärkt, denn sie wurde militärisch nicht besiegt, weil sie militärisch gar nicht besiegbar ist. Die Hisbollah wird weiterhin tätig sein, wenn nicht aus dem Süden des Libanons, dann aus irgend einer benachbarten Region. Ähnliches gilt für Kämpfergruppen in Palästina.
Letztlich zementieren UN-Soldaten den seit Jahrzehnten instabilen Zustand. Die Hisbollah wird nicht entwaffnet, sie behält natürlich ihren Rückhalt in der Bevölkerung, Hardliner in Israel setzen ihren Kurs unbeirrt fort und alle behalten ihre Feindbilder, weil die Ursachen des Konflikts gar nicht berührt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, wie unsere Kanzlerin unter solchen Voraussetzungen von einem Beitrag zur Befriedung reden kann. Das ist eine grobe, geradezu dümmliche Fehleinschätzung der Situation in Nahost. Werden Bundeswehrsoldaten ohne die genannten Maßnahmen für eine dauerhaft tragfähige Lösung zur Ostküste des Mittelmeers geschickt, handelt unsere Kanzlerin mitsamt aller dieses Tun befürwortenden Parlamentarier verantwortungslos.
Die Situation sähe anders aus, wenn die genannten Maßnahmen für eine tragfähige Lösung in der Region auf den Weg gebracht werden. In solchem Fall ist mit Gruppen zu rechnen, die Lösungen gewaltsam zu unterlaufen versuchen. Dabei wäre der Einsatz von UN-Soldaten auch unter Beteiligung der Bundeswehr sinnvoll. Sie hätten das klar umrissene Ziel, einen vereinbarten Friedensprozess gegen jeden Störer des Prozesses durchzusetzen.
Gruß
Wolfgang