Beweisverbot aus Gründen der Verhältnismäßigkeit missachten?

Hallo,

ich bin juristischer Laie und hoffe, ich drücke mich klar aus. Im (deutschen, aber auch sonstigen) Recht gibt es Beweisverbote (u.a. Beweisverwertungsverbot), d.h. Beweismittel dürfen vor Gericht nicht verwertet werden, wenn sie unrechtmäßig erlangt wurden. (Beispiel Strafrecht: Die Polizei dringt rechtswidrig in eine Wohnung ein und findet dort Drogen. Beispiel Zivilrecht: Ein Unternehmer zeichnet heimlich ein Gespräch mit einem Geschäftspartner auf.)

Frage: Gibt es Fälle, bei denen ein deutsches Gericht im Prinzip gesagt hat: Ja, dieses Beweismittel wurde rechtswidrig erlangt, aber angesichts der Schwere des Falles und der Geringfügigkeit des Formfehlers werten wir es trotzdem? (Beispiel: Man müsste einen Serienmörder laufen lassen, weil ein Nachwuchspolizist irgendeine kleine, in dem Fall eigentlich gar nicht relevante Regel übersehen hat.)

Und falls es das gibt, wie nennt man diesen Vorgang oder diese Rechtstheorie?

Danke.

Hallo,
den Grundsatz der „Frucht des verbotenen Baums“ gibt es in Deutschland gerade eben nicht.
Viele Einzelnormen verbieten jeweils konkret die Verwertung von ganz bestimmten, unzulässig erhobenen Beweisen.

Es gibt da einen sehr ausführlichen Artikel bei Wikipedia:

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Ja klar:

Wie ist das mit den illegal hergestellten “Steuersünder-CDs“, die der Staat gekauft hat? Da ist es doch auch zu Prozessen gekommen, oder? Angst davor war jedenfalls groß, denn es gab ja auf einmal ganz viele “reumütige“ Selbstanzeigen.
(Auch wenn ich rechtstaatliche Prinzipien extrem wichtig finde, fand ich es in diesem Fall großartig, dass diese geizigen Millionäre in die Bedrouille kamen…).
Karl

bei diesen CDs ist es ja so, dass damit erst mal ein Ziel definiert ist und ein paar Spuren aufgezeigt werden. Die Beweisführung erfolgt erst danach.

zu den geizigen Millionären: ich halte die Freude darüber einfach nur für Neid. Die wirklich dicken Fische ziehen den größeren Joker und gehen komplett ins Ausland - da sieht der Fiskus nix mehr (siehe Milch von einem Getreidemahler).
Außerdem: wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Steuerbescheid. Es kann mir keiner erzählen, dass man immer alles genauestens angegeben hat.

Soso, das ist Neid, wenn man es nicht ok findet, dass Leute ihren Reichtum verstecken? Nö, ich finde das höchst unfair und halte es nicht für ein Kavalliersdelikt. Dass es noch größere Fische gibt ist auch kein Argument.

Mag sein, dass der Wurst-Kasperle vom FC Bayern meine Antipathien noch verstärkt hat…
Karl

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Ah so. Dann gehört Blackrock in Deutschland gar nichts?

kann ich nicht beantworten - vielleicht haben die auch mal eine Immobilie oder gar ein Unternehmen gekauft.
Der Laden ist schließlich schon gewaltig… und ist meines Wissens an einem Haufen Gesellschaften mit Sitz in Deutschland beteiligt.
Ich erinnere mich immer wieder gerne an einen großen Ami-Konzern, in dessen Buchhaltung ich 1992 Einblick erhielt. Die Deutschland GmbH sollte wie immer einen moderaten Gewinn 0,1-0,3% vom Umsatz ausweisen… intern lag dieser bei gut 10% … der ganze Rest wurde mit Luftbuchungen nach Amerika transferiert.
Rechtlich gesehen (damals) war das so in Ordnung. Mein Glaube an das Steuersystem ist seit dem aber beschädigt.
Bestätigt wurde das mit Peter Graf (lesenswert) - nach meiner Einschätzung wäre er straffrei ausgegangen, wenn die Berater etwas mehr Wissen gehabt hätten.

Vergleicht mal selbst: Was ist das Ziel, wenn man seine Einkommensteuererklärung ausarbeitet? … was kann ich denn absetzen!!! … und dann bekommst gesagt: „das und das geht auch noch“. Ist das dann blöd, das auch anzugeben?

Dann schau doch einfach nach, bevor du Fakenews verbreitest. Ist doch nicht schwer zu finden:


Kapitalflucht ins Ausland sieht etwas anders aus.

ist doch gar nicht das Problem. Die Quellensteuer liegt weit unter dem Spitzensteuersatz für Arbeit, Vermögen wird gar nicht besteuert, Gewinne werden buchmäßig ins Ausland verschoben, wer genug verdient, zieht sich aus dem Solidarsystem einfach zurück. Die oberen 45 Deutschen besitzen so viel an Vermögen wie die untere HÄLFTE der deutschen. Und sie zahlen exakt gar nichts in die Sozialsysteme ein. Kein Wunder, dass angeblich Renten und Krankenversicherung unbezahlbar sind. Und dann erzählt man den Leuten auch noch, sie sollen gefälligst selber für’s Alter sparen. Im vollen Bewusstsein, dass sie von diesen Rücklagen exakt GAR NICHTS bekommen, weil sie auf die Rente unterhalb des Sozialhilfeniveaus komplett angerechnet werden.

DAS ist das Problem.

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Ja, aber bei der „Frucht des verbotenen Baums“ geht es ja noch um einen Schritt weiter: Beweise, die aufgrund von verbotenen Beweisen gefunden wurden. Ich habe aber nach der Stufe davor gefragt.

Ja, da hab ich schon reigelesen (zum gesamten Lesen ZU ausführlich), aber da hab ich nichts zu der Frage gelesen. ob so ein Verbot auch mal abgewogen wird gegen andere Rechtsgüter.

Du hättest zu den Abschnitten der ungeschriebenen Beweisverwertungsverbote gehen müssen:

Dort werden viele EInzelfälle betrachtet.
Ein unzulässiger Eingriff in die Intimsphäre? Da wird nicht abgewogen, da darf nie verwertet werden.
Eingriff in die Individualsphäre? Hier erfolgt die Abwägung.

Der Wikipedia-Artikel beantwortet meine Frage nicht. Da steht nur, dass entschieden werden muss, ob ein Verbot gilt oder nicht. Aber es steht nicht da, dass es gegen andere Rechtsgüter abgewogen wird (dass z.B. die Schwere einer fraglichen Straftat eine Rolle spielen würde).

Ausgangspunkt der Ermittlung eines Beweisverwertungsverbots ist die Auslegung der verletzten Verfahrensnorm. Demnach begründet nicht jede rechtswidrige Beweiserhebung ein Beweisverwertungsverbot, sondern nur solche, bei denen eine Auslegung ergibt, dass eine Beweisverwertung nicht tragbar wäre. Bei der Auslegung sind insbesondere Grundrechte und Verfassungsprinzipien zu berücksichtigen.

Das liest sich eher, als ob nur nach dem Verbot an sich geschaut wird, nicht nach dem, was ihm „gegenübersteht“.

Aber danke.

Aufzeichnungen in einem Tagebuch können zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehören und sind dann unverwertbar. Führt jedoch jemand Aufzeichnungen über äußere Geschehensabläufe, z. B. über den Hergang der von ihm verübten Straftat, können diese Aufzeichnungen verwertet werden, wenn die Interessen der Strafrechtspflege an der Aufklärung dieser Straftat die schutzwürdigen Interessen des Tagebuchführers überwiegen (Abwägungslehre). Das ist nur bei schwerwiegenden Straftaten der Fall.

Gegen die Rechtskreistheorie wurde eingewandt, dass sie den Beschuldigten nicht hinreichend schützt.[34] Daher ging die Rechtsprechung zu einer Einzelfallabwägung über: Sofern im konkreten Fall die Rechte des Beschuldigten das öffentliche Strafverfolgungsinteresse überwiegen, besteht demnach ein Beweisverwertungsverbot