Britische Gefangenschaft im 2. Weltkrieg

Bei dem Versuch, biografische Daten eines Verwandten von mir zu klären, erfuhr ich, dass er vom Militärdienst in Russland in britische Kriegsgefangenschaft geriet. Nun frage ich mich, wie das möglich ist.

Servus,

wie in dem anderen Thread schon beschrieben: Gegen Ende des Krieges waren weite Teile des deutschen Reiches von den alliierten besetzt. An der Elbe trafen dann zum ersten Mal Soldaten der USA und der SU aufeinander:

Soldaten, die bis dahin gegen die Rote Armee gekämpft hatten, zogen es in der Regel vor, sich in westliche Kriegsgefangenschaft zu begeben. Dein Verwandter war also kein Einzelfall.

Auch wenn es sehr viel wahrscheinlicher ist, dass Dein Verwandter zu den vielen gehörte, die in der Nähe der aufeinandertreffenden Fronten zusahen, dass sie sich den Amerikanern ergeben konnten, wie @Penegrin beschreibt, gibt es noch eine andere Möglichkeit: In Ungarn erfolgte der Rückzug der Wehrmacht über einige Frontabschnitte in heilloser Desorganisation und so zügig, dass die Rote Armee sozusagen im Laufschritt nachrückte und einige Einheiten der Wehrmacht schlicht umging bzw. links liegen ließ, ohne sie im eigentlichen Sinn einzukesseln. Ein Onkel von mir, der auf diese Weise von der Front ausgespart wurde, hat am 9. Mai 1945 ganz regulär die Entlassungspapiere von der Wehrmacht bekommen, zusammen mit der Empfehlung, er (und „seine Leute“) sollten versuchen, sich in Zivil irgendwie nach Hause durchzuschlagen, die Wehrmacht könne nichts mehr für sie tun, weil sie nicht mehr bestehe.

Aus welchem Grund auch immer gingen sie nicht den kürzesten Weg, sondern gelangten nach Oberösterreich in die amerikanische Zone, wo es einem Ami auffiel, dass Deutsche in diesem Alter und offensichtlich einigermaßen normal ernährt „frei herumliefen“, ihnen ein wenig auf den Zahn fühlte und dann erklärte, so einfach sei das nicht mit dem Nachhausegehen, jetzt wäre erstmal Kriegsgefangenschaft angesagt.

Was Onkel Albrecht dann ein wenig später bei der Vernehmung erlebte, mit der die Amerikaner rauszukriegen versuchten, wie NS-Deutschland und die Wehrmacht funktionierten, erzähle ich ein andermal.

Schöne Grüße

MM

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Wann denn? Das würde mich interessieren. Bisher kenne ich nur Geschichten von deutschen Kriegsgefangenen, die sich in der amerikanischen Gefangenschaft zum ersten Mal seit langer Zeit wieder satt essen konnten.

Die sind da wohl recht zügig vorwärts gekommen - das muss sich alles innerhalb Mai - Juni 1945 abgespielt haben. Die Internierung war dann auch eher Formsache - ich meine, Albrecht sei bereits zum Wintersemester 1945/46 in Tübingen immatrikuliert gewesen. Die schlimme Hungerzeit fing erst 1946 an.

Zu seiner schnellen Entlassung aus der Gefangenschaft mag auch das Verhör beigetragen haben, von dem ich jetzt doch erzähle:

Abgefragt wurden bei allen Offizieren ein paar Standards:

  • Waren Sie Mitglied in irgendwelchen NS-Organisationen?
  • Ja.
  • In welchen?
  • Hitlerjugend.
  • Hat es Ihnen dort gut gefallen?
  • Ja - die Fahrten, die Lagerfeuer, die Fähnleinabende - das hat mir gut gefallen.

Der Amerikaner stand auf und kam um den Tisch herum, Albrecht ging innerlich in Deckung, weil er mit Schlägen rechnete. Der Amerikaner drückte ihm aber fest die Hand, nahm ihn mit der Linken an der Schulter, hätte ihn beinahe umarmt und sagte: „Endlich ein deutscher Offizier, der mich nicht anlügt!“ Ein großer Liebhaber nicht nur von Wagners Musik und Verehrer von Siegfried, Hagen, Brünhild und Co, sondern generell von deutscher Romantik, hatte er sich sehr darauf gefreut, endlich mal nach Deutschland zu kommen, den Rhein zu sehen und Deutsche zu erleben, und er begegnete in seiner Funktion fast nur jämmerlichen, verlogenen Schlappschwänzen…

In diesem Sinne

MM

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Bin heute zufällig über dieses Interview mit einem US Veteranen gestolpert:

Hier wird nochmals bestätigt, dass sich Soldaten der Wehrmacht soweit möglich eher den westlihcne Alliierten als der Roten Armee ergaben.

Vielen Dank für diese weitere Information. Sehr interessant!