Das Internet macht die klugen schlauer und die dummen dümmer

Natürlich gibt es auch engagierte Lehrer. Wir haben jetzt das Glück, für unsere Kleine den tatsächlich einzigen in IT-Dingen interessierten Lehrer der Grundschule als Klassenlehrer bekommen zu haben. Der hat eine Lego WeDo Projektwoche gemacht (das Klassenset steht durchaus zur Verfügung), arbeitet mit diversen Lern-Apps, liefert immer mal wieder Hinweise, wo man zu welchem Thema im Internet Zusatz-Informationen finden kann, ist mit der Klasse regelmäßig zu verschiedenen Themen im Computer-Raum, … Das ist aber auch jemand, der nicht nur diesbezüglich engagiert ist, sondern eben auch abseits der IT immer wieder neue Ansätze findet, tolle Aktionen macht, davon coole Videos erstellt, …

Sohnemann war hingegen nicht ein einziges Mal in dieser Schule im Computer-Raum, weil „der Lehrer fehlte“, also schön auf einen angeblich notwendigen Dritten verwiesen wurde, weil die Kollegen sich selbst dafür als nicht zuständig erklärten. Das soll jetzt nicht heißen, dass seine Lehrer alle grundsätzlich schlecht gewesen wären. Da waren durchaus auch ordentliche und in anderen Dingen durchaus engagierte Lehrer dabei. Aber dieses „nicht mein Thema“ in Bezug auf IT auf Grundschul-Niveau geht in der heutigen Zeit mE gar nicht!

Am Gymnasium musste dann ein Profil belegt werden, was in seinem Fall auch in Richtung MINT geht, aber von ständigen Ausfällen, und bislang eher mäßigen Projekten gekennzeichnet ist. Viel mehr als ein möglichst stabiler Turm aus Papier ist da über inzwischen drei Jahre noch nicht raus gekommen, wobei da auch einfach „drauf los“ gebastelt worden ist, ohne den Kindern mal Grundzüge der Statik näher zu bringen. Bin mal gespannt, was jetzt zum Thema Arduino-Programmierung und Einbindung von Sensoren so laufen wird. Ich habe jedenfalls schon mal vorgebaut. Nachdem Sohnemann einige durchaus strafrechtlich relevanten Dinge in Bezug auf seine Schule im Internet über den Weg liefen, hat er schon vor Monaten die Schulleitung informiert und angeregt, die Schüler diesbezüglich doch mal zu sensibilisieren. Fand man toll, will man machen, soll es ein Projekt zu geben, … Das war die Antwortmail. Danach hat er nie wieder etwas davon gehört. So hält man die Begeisterung von Schülern sich zu engagieren nicht unbedingt aufrecht.

Bei Einwahl per Ferngespräch und Modemgeschwindigkeit hat man sich gut überlegt, wann man zu welchem Zweck Online gegangen ist. Mit den Zugangsdaten von Lexis-Nexis und Juris ist man dann sehr gezielt bzgl. der Studiendinge vorgegangen. Für die eigene Selbständigkeit dito. Als die Sache dann einfacher, schneller und billiger wurde, kam natürlich mehr und mehr an Möglichkeiten hinzu, sich auch mal etwas treiben zu lassen. Aber trotzdem würde ich da einen riesigen Unterschied zu dem machen, was ganz, ganz viele jüngere Leute heute so im Internet anstellen. Bei mir ging und geht es auch heute noch fast ausschließlich um Dinge, bei denen man etwas brauchbares lernen kann. Seien es die aktuellen Nachrichten, Wirtschaftsinformationen, technische Infos, … Auch sich hier mal an der ein oder anderen Diskussion zu beteiligen, Fragen zu Themen beantworten und dafür ggf. noch mal den eigenen Wissensstand abchecken, ggf. verbessert zu werden, Antworten anderer zu lesen, die sich in dem ein oder anderen Gebiet besser auskennen, gehört durchaus dazu. Das ist aber alles meilenweit weg vom stundenlangen Konsum von Videoclips mit ach so coolen Sprüchen oder online Gaming. Und nicht, dass ich hierfür nicht durchaus auch Verständnis hätte. Aber es geht um die Balance. Und wenn <10% sinnvolle Internet-Nutzung betrieben wird und >90% irgendwelcher Blödsinn getrieben wird, stimmt da für mich etwas nicht.

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Hallo,
dem kann man sich nur anschließen, da war nix mit spielen oder TV schauen, da ging es um reine Information. Ich kann mich erinnern, als wir seinerzeit in unserem Büro (auf eigene Kosten und mit Einwilligung des Arbeitgebers) einen PC samt Internetanschluss (Einwahlknoten) installierten, da kamen wir auf einmal zu Informationen in einer Ausführlichkeit und mit einer Geschwindigkeit, die mit den bisherigen Möglichkeiten nichts mehr zu tun hatten. Als wir dann Word und Excel und dazu auch noch einen Drucker hatten, da waren wir die „Kings“, z.B. wenn es um Reisekostenabrechnung oder Fahrkostenerstattung ging oder um Materialbestellungen - unser Computer war der beste Mitarbeiter in dieser Zeit.
Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.
Gruss
Czauderna

Das Problem dabei ist, dass einige Angebote genau auf die Bequemlichkeit der Nutzer zugeschnitten sind, wie z. B. die Kürze der Videos, die Poente des lustigen Videos oder das „Erfolgserlebnis“ wenn Punkte im Videospiel gemacht wurden.

Verstärkt wird es durch sozialen Druck, denn die Gespräche in den Pausenhöfen drehen sich eben eher um die neuesten Clips von XY oder die neuesten Computerspiele als über die neue Regierungskoalition in der Knesset.

Sinnvoll wäre es, wenn man mit den Kindern über deren Medienkonsum spricht und ihnen nahelegt sich selbst einmal dabei zu beobachten und zusammenzufassen was sie in mehreren Stunden Medienkonsum gelernt haben. Das muss nicht direkt so geschehen: Man erzählt selbst von einer interessanten Doku die man gesehen hat und fragt die Kinder, was sie denn für interessante Dinge im Internet angesehen haben. Irgendwann werden sie sich auch mal ein Erklärvideo ansehen um sich auch am Gespräch beteiligen zu können - und vielleicht ändert sich das Verhältnis zwischen Zeitverschwendung und lehrsamen Medienkonsum irgendwann.

Moin,

Nicht nur das alleine. Dazu kommt noch ein anderer Effekt. Dem User werden vom Algorithmus („andere User interessierten sich auch für …“) aus einem ähnlichen oder gleichen Themenbereich die nächsten Videos vorgeschlagen. Dadurch wird der Eindruck verstärkt, dass die ganze Welt sich mit diesem Thema beschäftigt, dass dann natürlich auch wahr ist oder dadurch wird. Im Dschungel der Verschwörungserzähler führt das zu dann zu Filmorgien: „Schau dir mal da Video an, der Typ ist Spitze!“.

Dazu ist es aus meiner Sicht aber sehr wichtig, dass die Eltern selber über die Fähigkeit der Selbstreflektion und Selbstbeobachtung verfügen, was nun wirklich nicht bei allen gegeben ist.

-Luno

Servus,

hier

beiläufig wieder das Thema „Grad der eigenen Initiative hat Einfluss auf die Qualität von deren Ertrag“.

Schöne Grüße

MM

Da sehe ich die Ursache eher in der Elterngeneration. Da können sich einzelne Eltern noch so viel Mühe geben, der deutlich überwiegende Teil der Eltern der Klassenkameraden ihren Kindern keine Medienkompetenz vorleben. Da kommt dann ganz schnell der Vorwurf vom Kind, dass das nur bei uns so ist.

Ansonsten:

Bereits in der Schule wird den Heranwachsenden meist keine digitale Kompetenz darüber vermittelt, wie etwas technisch funktioniert, sondern welche »Knöpfchen« sie drücken müssen.

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Ich glaube nicht, dass dieser Satz stimmt.
Es sei denn, man definiert „schlau“ als fit in dem, was im Internet zu erfahren ist und „dumm“ als denjenigen, der sich um’s Internet nicht kümmert.
Abgesehen davon hat „schlau“ ja eine andere Bdeuttung als „klug“, „vernünftig“ oder „überlegt“.
Ob die „Klugen“ durchs Internet „schlauer“ werden, wage ich zu bezweifeln: Die nutzen auch andere Medien.

Duch alleinige Nutzung des Internets wird das Menschlein mit Sicherheit „dümmer“ (peu a peu), weil es dadurch seine anderen Möglichkeiten bei der Erfassung der Wirklichkeit außen vor lässt.
Vermutlich macht der Mix den Ausschlag.
LG
Amokoma1

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Ich sehe aber ehrlich gesagt auch nicht, dass mit dieser Aussage gerade in Bezug auf die „Klugen“ die alleinige und isolierte Internet-Nutzung gemeint ist. Die „Klugen“ sind eben klug genug, sich das Internet als zusätzliche Quelle zu erschließen und dieses für sich nutzbar zu machen, ohne zu vernachlässigen, was es sonst noch so an Möglichkeiten gibt, die sie schon vor der Möglichkeit der Nutzung des Internets hatten. Und sie sind eben insbesondere auch in der Lage zu bewerten, was die ein oder andere Information aus dem ein oder anderen Medium taugt, und wofür sie verwendbar ist. Oft reicht die Begriffserklärung in einem Satz aus dem Internet um eine Randnotiz in einem größeren Zusammenhang als für die eigene Fragestellung unwesentlich zu erkennen. Dann mal wieder stellt man fest, dass ein ellenlanger Artikel in Wikipedia gerade mal der Einstieg zu einem Thema ist, zu dem man dann besser ganz klassisch ein Fachbuch konsultiert.

Insbesondere schafft das Internet aber auch einfach in einem ganz erheblichen Maße eine neue Möglichkeit in viel breiterem Maße als früher schnell und einfach Wissen für den Moment im Moment zu beschaffen, und damit eine Exaktheit zu erreichen, die ohne Internet nicht mit verhältnismäßigem Aufwand zu erzielen gewesen wäre. Und dies bietet die Chance für eine neue „Klugheit“, wenn der Fachmensch aufgrund seines grundsätzlichen Hintergrundwissens und seiner Erfahrung aber ohne Kenntnis eines ganz konkreten Einzelfalls zwar vermuten kann, wie sich etwas verhält, nun aber jemand auch ohne tiefergehendes Hintergrundwissen von jetzt auf gleich die Gewissheit erhalten kann, dass genau der ihn interessierende Einzelfall sich ganz eindeutig aufgrund einer nicht mal für den Fachmenschen klassisch erreichbaren Quelle beantworten lässt. Dies setzt natürlich immer noch ein gewisses Engagement und eine gewisse Neugierde voraus, und funktioniert selbstverständlich auch nicht immer und überall ohne nicht zumindest gewisses Grundwissen. Aber man kommt eben heute doch schon mit sehr wenig Basiswissen sehr viel weiter als früher, wenn man das denn will.

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Das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt.
Auf einem guten Allgemeinwissen (was auch ein Allgemeinwissen auf einem bestimmten Fachgebiet sein kann) aufbauend lassen sich ganz neue Zusammenhänge und Erkenntnisse gewinnen.
Diejenigen jedoch, die ohne diese Basis an Grundwissen irgendwelche Schlagwörter zu ihrem Wissensgebäude zusammenbasteln, kommen damit nicht weit und bleiben am Ende doch nur Dummschwätzer.
Das fatale daran, sie merken es nicht und halten sich für die schlauesten. Dunning/Kruger lassen grüßen.