Hallo Sandra!
Also: Können die Raketen, die dort stationiert werden auch
Angriffe fliegen? Oder sind sie wirklich und ausschließlich
nur für die Abwehr anderer Raketen in der Lage?
Nehmen wir an, es soll sich ausschließlich um Abwehrinstrumente handeln.
Die Frage geht aber am Problem vorbei:
- Die Raketen z. B. des Iran, die eine Bedrohung darstellen könnten, existieren gar nicht.
- Abwehrraketen, die sich gegen Raketen einsetzen lassen, existieren ebenfalls nicht.
Sowohl die Bedrohung als auch die Abwehrinstrumente sind bisher nur Fiktion. Zwischen Realität und Phantasie, die sich verselbständigt und instrumentalisiert wird, sollten wir säuberlich unterscheiden.
Der entscheidende Punkt ist aber, daß wir in Europa keine militärischen Maßnahmen als Alleingänge einzelner Länder brauchen können. Alle Maßnahmen, die Mißtrauen schüren könnten, haben strikt zu unterbleiben. Sicherheit in Europa gibt es nur in Partnerschaft und im Dialog. An militärische Maßnahmen, in die Rußland nicht eingebunden ist, können wir kein Interesse haben. Natürlich haben auch die USA Sicherheitsinteressen, aber wir dürfen nicht gestatten, daß diese Interessen das Klima in Europa vergiften.
In früheren Jahrhunderten wurde geglaubt, mit Abschreckung und Waffenarsenalen Sicherheit erzeugen zu können. Simples Beispiel: Man baut eine hohe (Stadt-)Mauer und läßt bis an die Zähne bewaffnete Soldaten drumherum laufen. Unsere Altvorderen fragten gar nicht nach den Beweggründen, die zu einem Angriff führen könnten. Man ging einfach davon aus, daß alle anderen ein Interesse an der Vernichtung haben. So betrachteten Staaten seit ewigen Zeiten ihre Nachbarn. Unsere Vorfahren glaubten, die Nachbarn müsse man klein halten, am besten besetzen, unterdrücken, ausrauben, arm machen. Es dauerte sehr lange, bis es dämmerte, daß der Nachbar, bei dem man alles kaputt gehauen hat und dessen Menschen in Armut leben, keine brauchbaren Waren liefert und als zahlender Kunde nichts taugt. Außerdem schläft es sich mit permanenter Angst nicht ruhig. Inzwischen sollten wir begriffen haben, wie groß unser Interesse ist, daß es allen Nachbarn möglichst gut geht. Wir können kein Interesse haben, erarbeitetes Vermögen in Zerstörungspotential zu versenken. Wir können aber auch kein Interesse haben, Nachbarn zu zwingen, derartige Geldverbrennung zu betreiben. Ein Raketen- oder Panzerhersteller hat solches Interesse, aber niemals eine Volkswirtschaft.
In der politischen Führung der USA herrscht ein überkommener Geist, der mit Gewalt die eigenen Interessen durchzusetzen versucht und Sinn und Wert von Interessenausgleich noch nicht begriffen hat. Willige Lakaien, die den Unsinn mitmachen, finden sich nach aller Erfahrung regelmäßig. Aber ebenso regelmäßig scheitert die auf militärische Kraft setzende Politik. Irak ist in die Hose gegangen und Afghanistan auch (die Verantwortlichen wollen ihren Irrweg nur noch nicht begreifen, aber das kommt schon noch. Ganz sicher). Im Ergebnis wurde eine ganze Region zwischen dem Mittelmeer und Pakistan instabil. Wenn man bemerkt hat, daß die auf Gewalt setzende Politik offenkundig nicht zielführend und damit nicht intelligent ist, sollten wir wenigstens in Europa jede Fortsetzung solcher Politik abblocken.
Wir sollten seit Vietnam bemerkt haben, daß in der außenpolitischen Linie der USA der Wurm steckt. Statt aber zu begreifen, mischen wir seit dem völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg kräftig mit. So ganz außen vor sind wir auch im Irak nicht, denn die amerikanischen Stützpunkte in Deutschland sind wesentlicher Teil des Krieges. In Afghanistan kann von nennenswerter Aufbauleistung keine Rede sein und statt dessen werden wir immer stärker in Enduring Freedom eingebunden, also unmittelbar kriegführende Partei, noch dazu in aussichtsloser Position. Will sagen: Es sind genug Fehler gemacht worden. Jetzt wird es höchste Zeit, mit einem klaren Nein zu reagieren, wenn versucht wird, Europa und Länder der EU zum Bestandteil amerikanischer Machtpolitik zu machen.
Gruß
Wolfgang