‚Weitere Spekulationen (lang)‘
Hallo!
Auch ich bewundere zunächst einmal Deine Offenheit, mit der Du Deinem Problem begegnest.
Allerdings liegt auch mir es am Herzen, zunächst einmal übereilte Schlüsse oder Interpretationen als eher fragwürdig hinzustellen.
Dies vielleicht auch aus dem Grund, daß man noch nicht allzuviel über die Bedeutung von Träumen und Ihre Funktionsweise weiss. Viele Angaben in dem Zusammenhang wären doch eher in den Bereich der Spekulation zurückzuweisen.
Wie Du an Hand der FAQ zu diesem Thema hier siehst, sind die meisten Quellenangaben aus einer Zeit, wo wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zwangsläufig exaktes wissenschaftliches Arbeiten vorangegangen sein muss.
Ich würde mich hier jetzt aber auch auf dem Feld der Spekulationen bewegen, wenn ich Deinem geschilderten Problem einen Erklärungsansatz andichten würde (zumal ich auch Laie bin).
Dennoch will ich es versuchen, da Du 1.) auch um solche Meinungen gebeten hast und 2.) eine andere Erklärung neben derjenigen, die Deinem Vater unterschwelliges aggressives Sexualverhalten unterstellt, eben diejenige „Erklärung“ entschärfen würde. Denn auch ich halte von diesen vorschnellen Postulaten nicht viel - um solche Aussagen zu treffen, müsste man doch mehr über den Hintergrund wissen.
Persönlich würde ich schon einen Zusammenhang zwischen Deinem Trauma - der geschilderten Vergewaltigung - und den verstörenden sexuellen Phantasien bzgl. Deines Vaters im Traum sehen. Ich finde es zunächst nicht weiter verwunderlich, dass Deine Wahrnehmung an sexueller Bedrohung sich zunächst zwar auf Deinen Vater, nicht aber auf Deinen Freund bezieht. Vielleicht ist doch einfach die Ähnlichkeit zwischen Deinem Vater und dem Täter wesentlich größer als die z.B. zwischen Deinem Freund und dem Täter. Dazu kommt noch die „Vertrautheit“ zwischen Dir und Deinem Freund (von der ich es sehr glücklich finde, dass Du trotz Deiner tragischen Erlebnisse diese offenbar relativ unbeschwert geniessen kannst!), die es Dir ermöglicht zu erkennen, dass er zu solchen Handlungen gar nicht fähig wäre, d.h. als entsprechende Bedrohung gar nicht wahrgenommen werden kann.
Es fehlt Dir aber ein völliger Bezug zu der Sexualität Deines Vaters, so dass hier eben leichter eine unterschwellige Bedrohung wahrgenommen werden kann, ohne mit den Fakten in Widerspruch zu geraten.
Nun stellt sich natürlich die Frage, warum sich das aggressive Sexualverhalten, welches Deinem Trauma zugrunde liegt, sich in Deiner (unbewussten Traumwahrnehmung) auf Deinen Vater überträgt. Hier eben meine persönliche Spekulation. Ich denke, dass es für einen Menschen früher oder später wesentlich wird, sich mit einem erlebten Trauma auseinanderzusetzen, um schließlich die Bewältigung zu erreichen.
Dies ist aber in Deinem Fall sehr schwer, da die Auseinandersetzung mit dem Täter sehr wahrscheinlich nicht möglich ist, diese aber normalerweise hilfreich sein könnte.
Wenn aber eine Übertragung auf eine real existente Person stattfindet, so könnte man eine solche Auseinandersetzung führen. D.H., man könnte die Bedrohung noch einmal erleben und diesesmal eben entsprechend darauf reagieren. Dies aber alles nur Spekulation.
Als Teil eines Bewältigungsprozesses sollte bei Dir zunächst ganz klar eine Therapie stehen. Vielleicht könnte es auch auf lange Sicht helfen, Deinen Vater in diese Therapie für die für Eure Beziehung relevanten Bereiche einzubeziehen, damit Ihr wieder ein unbelastetes Verhältnis haben könnt.
Im Übrigen könnte eine Möglichkeit, Dein Trauma anzugehen sein, z.B. an den Täter von damals einen Brief zu schreiben, in dem Du ihm aufzeigst, was er Dir damals angetan hat und was Du davon hälst, als wie schwach und wie arm Du einen Mann beurteilst, der so etwas Nötig hat, nur weil er allem Anschein nach nicht zu einem normalen Sexualverhalten im Stande ist.
Ansonsten aber wie gesagt der Weg zu einem Therapeuten, vielleicht einen, der zur Traumabewältigung gute Konzepte parat hält. Meines Wissens gibt es da mittlerweile sehr vielversprechende neue Therapiemethoden, z.B. die „Eye Movement Desensitiziation
and Reprocessing (EMDR)“, Informationen unter
http://www.emdr-therapie.de/html/was_ist_emdr__.html
Soweit erst einmal von mir,
viel Erfolg & viel Glück
Gruß
Patrick