Empfehlung nach der Grundschule

Hallo Allerseits,

seit eingigen Monaten gibt es einen Information die mich ziemlich aufregt.
Es geht hierbei um die anscheinend gängige Praxis, dass Grundschullehrer bei der Empfehlung für die weiterführende Schule auch das Elternhaus berücksichtigen.
Wenn beispielsweise die Eltern Türken sind, der Vater in der Putzkolonne arbeitet und die Mutter kein Wort deutsch spricht, wird das Kind automatisch für die Hauptschule empfohlen, selbst wenn es zu den Besten der Klasse gehört.

Meine Frage an euch. Wie verbreitet ist diese Praxis?
Wie wird diese Praxis ethisch gerechtfertigt?

Gruß
Carlos

Hallo,

ich kenne einen ähnlichen Fall aus einem Schulkindergarten. Dort sollen die Kinder, die schulpflichtig aber nicht schulfähig sind, auf die Schule vorbereitet werden. Dann wird entscheiden, ob das Kind auf die Sonderschule oder Grundschule geht. Die damalige Lehrerin meinte zu mir, dass xy (ein ausländische Mädchen) eh irgendwann abgeschoben wird und dann irgendwo kellnern wird, wenn sie nicht vor dem Herd steht. Da kommt es eh nicht auf die Schulbildung an, daher reicht die Sonderschule. Leider weiß ich nicht, was aus dem Mädchen geworden ist.

Ich finde das eine Frechheit. Man sollte allen Kindern die Bildung zukommen lassen, die sie brauchen, egal ob Sonder-, Grund-, Haupt-, Realschule oder Gymnasium.
Was man dagegen machen kann, weiß ich leider auch nicht, außer man wird Lehrer und trifft selbst die Entscheidungen… sicherlich sind diese nicht immer einfach.

Gruß
Tato

Hallo, Carlos,
hier in NRW wird die „Begründete Empfehlung (nach § 12, Abs. 3 d. AOGS)“ als Anlage zum Halbjahreszeugnis des 4. Schuljahres erstellt. Ich habe Dir per Mail ein anonymisiertes Beispiel zukommen lassen.

Sie sollte „Angaben zum Arbeitsverhalten, zur Lernentwicklung, zum Leistungsstand und zu besonderen Fähigkeiten des Schülers/der Schülerin“ enthalten.

Alles was darüber hinaus geht - insbesondere eine Beurteilung des familiären Hintergrundes des Kindes - halte ich für mehr als bedenklich, ja, rechtswidrig und in höchstem Maße für anfechtbar.

Nichtsdestoweniger hat natürlich der familiäre und soziale Hintergrund eines Kindes unmittelbaren Einfluß auf sein Arbeitsverhalten, seine Lernentwicklung und seinen Leistungsstand in der Schule. Aber in der „Begründeten Empfehlung“ soll natürlich nur ein Ist-Zustand festgestellt werden und keine Ursachenforschung betrieben werden.

Ich würde - als Eltern - gegen eine solche Stigmatisierung entschieden vorgehen.

Abgesehen davon ist diese „Begründete Empfehlung“ eben genau dieses: eine Empfehlung, der die Eltern nach eigenem Ermessen folgen können oder auch nicht. Sicher wird diese Empfehlung auch der aufnehmenden Schule vorliegen, aber Elternwunsch geht vor.

Bedauerlich ist dies allerdings in vielen Fällen, wo die Leistungsfähigkeit des Kindes dem Anspruch der Eltern nicht folgen kann.

Gruß
Eckard

Hallo Carlos,

ich halte das für ein weit verbreitetes Stammtischklischee.

Ich kenne genug Lehrer und keinen der das so macht.

Fakt ist höchstens, dass viele ausländische Grundschüler mehr Probleme haben dem Unterricht zu folgen. Insbesondere im Fach deutsch hapert es oft ziemlich, wenn zu Hause keiner mit dem Kind deutsch spricht weil es keiner richtig kann. Auswirkungen hat die mangelnde Sprachkenntnis oftmals eben auch auf andere Fächer und schlägt sich entsprechend in den Leistungen nieder. Dies ist oftmals der Grund weshalb hier nicht so oft die Empfehlung für das Gymnasium ausgesprochen wird.

Aber Fehler in der Integrationspolitik auf Lehererwillkür abzuschieben halte ich für verfehlt.

Gruß Ivo

Hallo Allerseits,

seit eingigen Monaten gibt es einen Information die mich
ziemlich aufregt.
Es geht hierbei um die anscheinend gängige Praxis, dass
Grundschullehrer bei der Empfehlung für die weiterführende
Schule auch das Elternhaus berücksichtigen.
Wenn beispielsweise die Eltern Türken sind, der Vater in der
Putzkolonne arbeitet und die Mutter kein Wort deutsch spricht,
wird das Kind automatisch für die Hauptschule empfohlen,
selbst wenn es zu den Besten der Klasse gehört.

Hallo

Wenn das stimmen sollte, dass aufgrund des Elternhauses solche unangemessenen Empfehlungen ausstellen, wäre das wirklich eine große Schweinerei.
Schließlich sollte die Grundschule jeden Schüler weitestmöglichst fördern und gemäß seinem Leistungsstand, Fähigkeiten und Begabung der jeweiligen Schulart zuweisen.
In Bayern wird diese Entscheidung größtenteils durch den Notenschnitt vorgegeben: Um auf das Gymnasium übertreten zu können, braucht der Schüler einen Notenschnitt von 2,3. Gewertet werden die Fächer Deutsch, Mathematik und Heimat-und Sachunterricht. Ist der Schnitt schlechter, kann der „Probeunterricht“ besucht werden. Gymnasiallehrer beobachten diese Kinder und entscheiden, ob sie auf diese Schule wechseln können.

Der Lehrer kann natürlich eine Empfehlung schreiben, aber die tatsächliche Entscheidung hängt von der Note ab.

Noch eine Frage: Ist in NRW die Empfehlung bindend?

Gruß
Aylana

Meine Frage an euch. Wie verbreitet ist diese Praxis?

Darüber gibt es massenhaft Untersuchungen, die aber praktisch nicht weiterhelfen. Empfehlungen - das wurde schon in einer anderen Mail an Dich gesagt - bleiben Empfehlungen. Sind Eltern damit nicht einverstanden, sollen sie einen Widerspruch formulieren („Hiermit lege ich Widerspruch ein gegen die Empfehlung etc …“), was im übrigen ein ganz normaler Rechtsweg ist und nicht begründet zu werden braucht. Ich möchte die Schule sehen, die nach einem Widerspruch der Eltern (und einer ggf. Verwaltungsklage) noch bei ihrer Meinung bleibt.

Jo Perrey

PS.: Dies ist KEINE Rechtsauskunft

Hallo

Es geht hierbei um die anscheinend gängige Praxis, dass
Grundschullehrer bei der Empfehlung für die weiterführende
Schule auch das Elternhaus berücksichtigen.

Als Vater von 3 Kindern scheint mir die Formulierung „gängige Praxis“ nicht angebracht. Mit allen meinen Kindern waren/sind auch türkische, griechische und Kinder anderen Herkunft in der gleichen Klasse (G, RS)

und die Mutter kein Wort deutsch spricht

Woher kann dann das Kind so gut deutsch, dass es zu den besten der Klasse gehört, und woher hast du die Information, dass dies den Tatsachen entspricht? Kinder sind keine gute Informationsquelle, da sie in der Grundschule i.A. die Fähigkeiten ihrer Mitschüler nicht einschätzen können. Außerdem klaffen Sprechfähigkeit und schriftliche Ausdrucksfähigkeit oft sehr weit auseinander.

Wie wird diese Praxis ethisch gerechtfertigt?

Keine ETHISCHE Rechtfertigung, aber wenn ein Kind nach kurzer Zeit die Schule wieder verlassen muss, weil es im Elternhaus nicht die nötige Unterstützung erhalten kann, ist das für die psychische Entwicklung besser?
Und noch ein wichtiger Aspekt: Kein Schüler muss auf Dauer mit seinem Hauptschulabschluss leben, wir haben ein Schulsystem, das auch nach der Hauptschule noch alle Möglichkeiten bietet. Mit einer geringen zeitlichen Verzögerung ist über Berufsfachschulen, berufliche Gymnasien, Technische Oberschulen für alle, die entsprechend motiviert sind, das Abitur erreichbar.

Gruß
uilly

Hallo Carlos,
ich kann immer nur von mir und meiner Schule reden, und da sieht das Problem anders aus, als du denkst.
Wir Grundschullehrer fragen uns sehr lang und intensiv, welche Schule die richtige für jedes Kind sein könnte. Dabei sind wir sehr stolz, wenn ein Kind aus unserer „Brennpunktschule“ den Sprung auf Gymnasium schafft! Denn wenn Kinder meiner Klasse erfolgreich sind, ist das doch ein Zeichen, dass meine Arbeit als Lehrer nicht ganz falsch war!
Leider weiß ich, dass Gymnasialschüler nur dann erfolgreich sind, wenn sie neben Intelligenz auch Fleiß, Durchhaltevermögen und gute deutsche Sprachkenntnisse mitbringen. Und ich weiß auch, dass Kinder ohne aktive Hilfe ihrer Eltern es sehr sehr schwer haben! Weißt du, wie es in manchen Familien aussieht? Dass Kinder kein Tisch, kein Platz, keine Ruhe zu arbeiten haben, dass Eltern nicht verstehen, was ihre Kinder brauchen, wichtige Entscheidungen nicht mit den Kindern besprechen und sie in keinster Weise emotional stützen können? Auch ich empfinde das als sehr ungerecht. Solange aber die Gesellschaft in Deutschland (also wir alle) die Verhältnisse nicht ändert, muss ich bestimmten Kindern die Gymnasialempfehlung verweigern, da ich vorhersehe, dass sie trotz ihrer Intelligenz keine Chance auf dem Gymnasium haben werden! Sonst würde ich sie ja sehenden Auges „ins Messer laufen lassen“!
Hier in Hamburg ist allerdings die Empfehlung nicht bindend (was ich gut finde). Wenn also Kind und/ oder Eltern es dennoch versuchen wollen, können sie es trotzdem tun!
Gruß!
Christian

Herzlichen Dank für eure Antworten,

Etwas zum besseren Verständnis. Die Information habe ich aus einer längeren Radiosendung (Kulturprogramm), bei der auf das PISA-Thema eingegangen wurde. Die Rektorin einer Grundschule erklärte dort mit völliger Selbstverständlichkeit, dass bei der Empfehlung für weitergehende Schulen das Elternhaus berücksichtigt wird.

Ich stellte dann eine entsprechendes Statement in diesem Forum, wobei ich teilweise bestätigende Antworten darauf erhielt. Wenn ich die Frage nochmals präziser formuliert stelle, liegt es daran, dass mich dieses Thema sehr bewegt.

Hier möchte ich auch Christian danken, der es offen und verständlich begründet.

Natürlich können die Eltern sich entschließen der Empfehlung nicht zu folgen. Hallooo, es geht hier um ein bildungsfernes Elternhaus, also entweder um Eltern, die zumeist kein Interesse an einer weitergehenden Bildung haben oder ausländische Eltern, die sich wohl kaum gegen die Autorität der Lehrerin auflehnen.

Wer Hauptschulen in Ballungszentren kennt, weiss, dass es dort Streber nicht leicht haben. Der Weg von dort höhere Bildungsstufen ist sehr steinig und schmerzhaft (auch physisch gemeint).

Nur zur Erinnerung, der Schnitt der Hochschulabsolventen in OECD-Staaten beträgt ca. 32%.
http://www.gew.de/GEW_fordert_unabhaengige_Bildungsb…
Das bedeutet nicht die Selektion der Besten die dann Studieren dürfen. Das bedeutet, dass nahezu jeder überdurchschnittlich intelligente Mensch studiert.
Wie will man da begründen, dass sich Kinder mit bildungsfernen Eltern den Bildungsweg hart erkämpfen müssen, während bei Kindern mit „normalen Eltern“ einfach nur die Befähigung genügt?

Gruß
Carlos

Mein Plädoyer
Hallo Christian,

ich danke dir sehr herzlich für deinen Beitrag und deine offene Stellungsnahme.

Ich selber stamme aus einem bildungsfernen Haushalt. Meine Mutter ist eine Immigrantin und hat als alleinerziehende Mutter zwei Söhne aufgezogen. Ihr Schulbildung betrug drei Jahre. Sie kann lesen, schreiben und Grundrechenarten.
Zu Hause sprachen wir eine Mischung aus Spanisch und Deutsch.

Ich war das, was man ein hochbegabtes Kind nannte. Ich bekam keinerlei Förderung, außer der, die ich mir in Bibiliotheken selber holte.
Für die Nachhilfe in Deutsch reichte das Geld nicht auf Dauer.
Meine Noten lagen im Schnitt im mittelguten Bereich. Sprachen (Deutsch, Englich, Latein, Französich) waren mäßig bis schlecht, andere Fächer gut aber nicht überragend)

Als meine Mutter mir mitteilte, dass ich nicht auf das Gymnasium komme, sondern auf die Gesamtschule (eine Bekannte hatte ihr dazu geraten), habe ich den ganzen Nachmittag geheult.
Was ihr die Lehrerin geraten hat, weiss ich bis heute nicht.

Ich habe mein Abitur gemacht. Ich habe studiert.
Ob ich die Kraft gehabt hätte, mein Abitur und mein Studium im zweiten Bildungsweg durchzuziehen, weiss ich nicht.
Auf einer Hauptschule wäre ich an der Gewalt und Repression zerbrochen.

Und ich weiß auch, dass Kinder ohne aktive Hilfe
ihrer Eltern es sehr sehr schwer haben! Weißt du, wie es in
manchen Familien aussieht? Dass Kinder kein Tisch, kein Platz,
keine Ruhe zu arbeiten haben, dass Eltern nicht verstehen, was
ihre Kinder brauchen, wichtige Entscheidungen nicht mit den
Kindern besprechen und sie in keinster Weise emotional stützen
können? Auch ich empfinde das als sehr ungerecht. Solange aber
die Gesellschaft in Deutschland (also wir alle) die
Verhältnisse nicht ändert, muss ich bestimmten Kindern die
Gymnasialempfehlung verweigern, da ich vorhersehe, dass sie
trotz ihrer Intelligenz keine Chance auf dem Gymnasium haben
werden! Sonst würde ich sie ja sehenden Auges „ins Messer
laufen lassen“!

Was für ein offenes Messer soll das sein? Das die Kinder nicht mithalten, sitzenbleiben oder auf die Realschule runtergestuft werden?
Ist es etwa für ein intelligentes Kind leichter in der Hauptschule zu sitzen? Ist dir eigentlich klar, dass du mit einer solchen Enscheidung einen Menschen, der eine akademische Laufbahn eingeschlagen hätte, zu der Stellung eines Hilfsarbeiters verurteilen kannst?

Was ich fordere,
was ich von ganzem Herze wünsche,
ist für solche Kinder das Recht und die Chance sich bewähren oder versagen zu dürfen.
Kein ruhiger Arbeitsplatz zu Hause? Dann soll das Kind sich irgendwo, sei es in der Schule oder bei Freunden oder an einem öffentlichen Ort einen Platz zu suchen.
Die Eltern unterstützen die Kinder nicht emotional? Dann muss sich das Kind allein durchschlegen und Menschen suchen, die ihm Rat und Beistand geben.

Die Generation, die diese Land aufgebaut hat, ist in Trümmern aufgewachsen. Für sie hattten die Eltern keine Zeit und es gab keine Förderung. Dennoch brachte sie exzellente Ingenieure, Wissenschafteler und Führungskräfte hervor. Auch unter widrigen Umständen können aus Kindern großartige Persönlichkeiten hervorgehen.

Wenn du nun diesen Text liest, hast du den Eindruck, dass er von einem dumben Kanacken stammt?
Aber vielleicht ist ein Kind in deiner Klasse, mit einer ähnlichen Ausgangslage, wie bei mir, mit ähnlichen Wünschen und ähnlichen Ehrgeiz. Und diese Kind wird von DIR in eine Laufbahn der schlechtesten Bildungsmöglichkeiten geschoben, aus der es aus eigener Kraft nicht mehr heraus kommt.

Bitte lass dir mein Plädoyer zu Herzen gehen. Und wenn nur ein einziges Kind deswegen schließlich die Chance zu einem Studium ergreifen kann, dann kann ich beruhigt schlafen.

Hier in Hamburg ist allerdings die Empfehlung nicht bindend
(was ich gut finde). Wenn also Kind und/ oder Eltern es
dennoch versuchen wollen, können sie es trotzdem tun!

DOCH! Deine Empfehlung ist bindend! Die bildungsfernen Eltern hören auf dich und wer hört schon auf die Wünsche eines zehnjährigen Kindes.

Ganz liebe Grüße
Carlos

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Grüß Dich, Carlos,

als ehemaliger Lehrer unterstütze ich Dein Plädoyer in jedem Punkt bis hin zu dem Appell im Schlußsatz.
Leichtfertige Weichenstelungen verkorksen ganze Lebensläufe.

Gruß

Jo Perey

Hallo Carlos,

ich danke dir sehr herzlich für deinen Beitrag und deine
offene Stellungsnahme.

Bitte sehr.

Auf einer Hauptschule wäre ich an der Gewalt und Repression
zerbrochen.

Du stellst es so dar, als wären alle Hauptschulen Räuberhöhlen. Das ist so nicht in Ordnung. In Hamburg, wo ich arbeite, gibt es gar keine selbständigen Hauptschulen, sondern nur noch kombinierte Haupt-Realschulen. Und an den meisten dieser Schulen kann man sich als Schüler durchaus wohlfühlen! Vielleicht reden wir ein wenig aneinander vorbei, weil die schulische Situation in Hamburg anders ist als deine!

Was für ein offenes Messer soll das sein? Das die Kinder nicht
mithalten, sitzenbleiben oder auf die Realschule runtergestuft
werden?

Genau. Das ist völlig versagen, das Gefühl haben, sie können nichts und einen erneuten Schulwechsel erleben müssen.

Ist es etwa für ein intelligentes Kind leichter in der
Hauptschule zu sitzen? Ist dir eigentlich klar, dass du mit
einer solchen Enscheidung einen Menschen, der eine akademische
Laufbahn eingeschlagen hätte, zu der Stellung eines
Hilfsarbeiters verurteilen kannst?

Wie gesagt, in Hamburg gibt es keine reinen Hauptschulen.
Und die Empfehlung ist nicht bindend! Der Elternwille ist entscheidend!
Wenn ich aber irgend davon ausgehe, dass ein Kind das Gymnasium schaffen kann, werde ich es freudestrahlend dafür empfehlen! Im letzten Jahrgang habe ich übrigens zwei „Wackelkandidaten“ fürs Gymnasium empfohlen. Beide sind leider nach einem Jahr gescheitert.

Was ich fordere,
was ich von ganzem Herze wünsche,
ist für solche Kinder das Recht und die Chance sich bewähren
oder versagen zu dürfen.

Natürlich kann man auch sagen: O.K., versuch es einfach, wenn es nicht klappt, wechselst du eben auf eine Haupt-/Realschule. So etwas habe ich zur Zeit mit einer Schülerin im Sinn. Wenn das Kind so etwas gut verkraftet, kann man es versuchen.

Kein ruhiger Arbeitsplatz zu Hause? Dann soll das Kind sich
irgendwo, sei es in der Schule oder bei Freunden oder an einem
öffentlichen Ort einen Platz zu suchen.

Dein Wort in Gottes Ohr! Das erzähle ich bei jedem Elterngespräch und jedem Schülergespräch.

Die Eltern unterstützen die Kinder nicht emotional? Dann muss
sich das Kind allein durchschlegen und Menschen suchen, die
ihm Rat und Beistand geben.

In meiner Klasse ist ein Mädchen aus einer asiatischen Familie, der ich genau das zutraue. Klar, manche schaffen es ganz alleine. Das Problem sind die Kinder, denen man „eigentlich“ das Gymnasium zutrauen würde, die aber eben nicht ganz allein auf sich gestellt sich durchbeißen können.

Die Generation, die diese Land aufgebaut hat, ist in Trümmern
aufgewachsen. Für sie hattten die Eltern keine Zeit und es gab
keine Förderung. Dennoch brachte sie exzellente Ingenieure,
Wissenschafteler und Führungskräfte hervor. Auch unter
widrigen Umständen können aus Kindern großartige
Persönlichkeiten hervorgehen.

Natürlich.

Wenn du nun diesen Text liest, hast du den Eindruck, dass er
von einem dumben Kanacken stammt?

Komisches Wort. Ich arbeite übrigens sehr gern mit Kindern ausländischer Herkunft zusammen. Ich fände es sehr langweilig, wenn alle die gleiche Hautfarbe, die gleiche Religion und die gleiche Sprache hätten!

Aber vielleicht ist ein Kind in deiner Klasse, mit einer
ähnlichen Ausgangslage, wie bei mir, mit ähnlichen Wünschen
und ähnlichen Ehrgeiz. Und diese Kind wird von DIR in eine
Laufbahn der schlechtesten Bildungsmöglichkeiten geschoben,
aus der es aus eigener Kraft nicht mehr heraus kommt.

  1. Nein! So ein Kind bekommt natürlich die Gymnasialempfehlung! Ich kenne meine Klasse seit dreieinhalb Jahren und kann bei den meisten sehr klar einschätzen, ob Gymnasium in Frage kommt (ich weiß nicht, ob du dir darüber im klaren bist, wie gering die Leistungen zum Teil in einer Brennpunktschule sind!).
  2. Mein Verhältnis zu den Kindern aus 7 Nationen ist zum Glück sehr freundschaftlich, liebevoll. Ich werde also alles (nein, aber sehr vieles) tun, damit sie so erfolgreich wie möglich sind. Da kannst du sicher sein!
  3. Die meisten Kinder gehen auf die nebenan gelegende Gesamtschule.

Bitte lass dir mein Plädoyer zu Herzen gehen. Und wenn nur ein
einziges Kind deswegen schließlich die Chance zu einem Studium
ergreifen kann, dann kann ich beruhigt schlafen.

Wofür plädierst du? Soll ich alle Kinder meiner Klasse aufs Gymnasium schicken, auch die, die kaum Deutsch sprechen und einfache Plusaufgaben aus der 2. Klasse falsch rechnen?
Wenn dein Plädoyer heißt, mach dir die Entscheidung nicht leicht und guck ganz genau hin, dann will ich es gerne berücksichtigen!

Deine Empfehlung ist bindend! Die bildungsfernen Eltern
hören auf dich und wer hört schon auf die Wünsche eines
zehnjährigen Kindes.

Bitte behaupte nicht Dinge, die du nicht wissen kannst! Auch bildungsferne Eltern sind oft der Meinung, selbst am besten zu wissen, was für ihr Kind richtig ist. Habe ich schon öfter erlebt und das Kind darunter leiden sehen! Und natürlich höre ich auch auf den Willen des Kindes!
Schlusswort: Du gehst sehr stark von dir und deinem Werdegang aus. Das kann Anregungen geben. Dennoch ist nicht alles, was für dich richtig war, für andere richtig. Es gibt Kinder, die sich auf einer Haupt-Realschule wohlfühlen, die stolz sind, einen Realschulabschluss zu machen und die zu mehr beim besten Willen nicht in der Lage sind! Auch wenn ich zugebe, dass heute ein Realschulabschluss nicht mehr so viel wert ist, halte ich nichts davon, jedes Kind mit Gewalt und gegen seinen Willen aufs Gymnasium zu bringen!
Gruß!
Christian

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Das Problem liegt woanders
Hallo Carlos,
das Problem liegt nicht daran, wie gerecht Grundschullehrer Empfehlungen schreiben, sondern in der Konstruktion unseres deutschen Schulsystems. Gymnasien funktionieren leider so, dass Kinder ohne ein gebildetes und einigermaßen sozial gefestigtes (Stichwort z. B. Alkohol) Elternhaus es in der Regel nicht schaffen, mitzukommen (von Ausnahmen natürlich abgesehen). Und obwohl der Pisa-Test genau das kritisiert, hat sich diese Ungerechtigkeit seitdem paradoxer Weise sogar noch verstärkt. In Hamburg wurden überall Förderprogramme abgebaut und die Gymnasialzeit um ein Jahr verkürzt. Damit wird es noch schwerer für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern, dem schnellen Scheitern zu entgehen!
Eine Lösung des Problems läge meiner Meinung in einer ganz früh ansetzenden, qualitativ hochwertigen und verpflichtenden Kindergartenarbeit. Der Stern hat dazu unter „Das wahre Elend“ im letzten Jahr geschrieben, und in Frankreich wird so etwas seit langer Zeit praktiziert. Denn in den allerersten Lebensjahren werden in Unterschichtsfamilien Entwicklungsschritte verpasst, die sich später oft nicht mehr aufholen lassen (Stichworte: zu viel und zu früh Fernsehen, zu wenig Sprache, zu wenig Bewegung, zu wenig Körpererfahrungen, zu wenig anregendes Spielen).
Gruß!
Christian

Hallo Christian,

Wofür plädierst du? Soll ich alle Kinder meiner Klasse aufs
Gymnasium schicken, auch die, die kaum Deutsch sprechen und
einfache Plusaufgaben aus der 2. Klasse falsch rechnen?
Wenn dein Plädoyer heißt, mach dir die Entscheidung nicht
leicht und guck ganz genau hin, dann will ich es gerne
berücksichtigen!

Ich sehe, dass du mich richtig verstanden hast. Mein Eindruck nach der Radiosendung damals, und nach eingen früheren Kommentare hier im www war folgender:
Da ist ein Kind, welches sich von seinen Leistungen her problemlos für das Gymnasium eignet. Dann sehen sich die Lehrer in bestimmten Grundschulen das Elternhaus an und kommen zum Schluß, dass das Kind zuhause keinerlei Förderung und Unterstützung erhält oder es schlicht die falsche ethnische Herkunft hat.
Also erfolgt auch keine Empfehlung für das Gymnasium.

So wie du es beschrieben hast, wird das bei dir sicher nicht passieren.

Gruß
Carlos

Hallo Christian,

…Gymnasien funktionieren leider so,
dass Kinder ohne ein gebildetes und einigermaßen sozial
gefestigtes (Stichwort z. B. Alkohol) Elternhaus es in der
Regel nicht schaffen, mitzukommen (von Ausnahmen natürlich
abgesehen).

Ist dem so? Soweit ich mich an meine Schulzeit erinnere, war es eben nicht so, dass die Mitschüler flächendeckend Nachhilfe erhielten. Die Hausaufgaben machten sie alleine ohne die Eltern und man tauschte sich im Unterricht, davor :wink: und danach aus. Den Stoff, den man beherrschen musste, lernte man im Unterricht.

Gruß
Carlos

Hallo Carlos,

Den Stoff, den man beherrschen musste, lernte man im Unterricht.

guter Ansatz m.E…

In diesem Zusammenhang stellt sich mir oft die Frage, warum so viele „hochbegabte“ Kinder eigentlich schon vor der Schule lesen, schreiben und rechnen können? Warum „läßt man sie sich nicht“ Schach, Fußball, Malerei oder Musik(-Instrumente) beibringen? Da gäbs doch m.E. viel weniger Probleme mit dem Lernstoff der Grundschule, oder liege ich da so falsch?

Gruß
achim

Hi Achim,

wieviel Erfahrung hast du mit 4,5,6 jaehrigen?
Die spielen vielleicht auch Schach,
auch Fussball – aber viele (nciht alle!)
spielen Schule, wollen nicht nur malen, sondern
schreiben, wenn es sie interessiert, bringen
sie sich lesen sogar selbst bei.

Nicht immer sind da Erwachsene dahinter, die auf
Teufel-komm-raus foerdern und fordern.

Gruesse
Elke

1 Like

Hi Elke,

danke für Deine Ausführung.

wieviel Erfahrung hast du mit 4,5,6 jaehrigen?

praktisch keine.

Die spielen vielleicht auch Schach,
auch Fussball – aber viele (nciht alle!)
spielen Schule, wollen nicht nur malen, sondern
schreiben, wenn es sie interessiert, bringen
sie sich lesen sogar selbst bei.
Nicht immer sind da Erwachsene dahinter, die auf
Teufel-komm-raus foerdern und fordern.

Wie gesagt, keine Erfahrung, ich frage daher nur weil es mich interessiert. Zu meiner Zeit war Fernsehen durch Eltern reglementiert, und auch ältere Geschwister nicht da, wir kannten daher Schule z.B. garnicht.
Ahmen Kinder bis 4 oder 5 nicht auch Eltern oder ältere Geschwister nach? Also z.B. lesen, basteln, Schule etc? Könnten Kinder sich wirklich selber lesen beibringen, wenn niemand vorliest bzw einen Bezug herstellt?
Nicht das ich was dagegen hätte, oder dass man ein Kind nicht fördern sollte, oder das man es überhaupt bewusst steuern / verhindern kann, aber ist ein Kind nicht auch meist „ein Kind“ seiner Familie? Und daher eher wertfrei als Frage, ob zuviel primäres Schulwissen nicht vielleicht auch nachteilig sein kann, und ob „randwissen“ da nicht vielleicht unproblematischer ist.

In unserer Klasse seinerzeit konnte niemand schon vorher einen Satz lesen oder schreiben, dennoch bin ich z.B. sicher, dass einige auch mit Polgars und co hätten mithalten können, um mal einen krassen Bogen zu spannen.

Gruß
achim

Gruesse
Elke

Hi Achim,

Wie gesagt, keine Erfahrung, ich frage daher nur weil es mich
interessiert. Zu meiner Zeit war Fernsehen durch Eltern
reglementiert,

Heute auch. Kommt auf die Eltern an. Ist aber schwerer
geworden (bei uns,z.B.gibt es den rund-um-die-Uhr-Disney-Channel;
d.h. es laeuft IMMER etwas, wenn nicht bei uns, dann bei
den Nachbarn - als ich klein war, fing die Kinderstunde
um vier oder fuenf an).

und auch ältere Geschwister nicht da, wir
kannten daher Schule z.B. garnicht.

Siehst du, das macht schon einen grossen Unterschied.
Wenn der grosse Bruder von der SChule heimkommt, ist das
ungeheuer interessant. Hausaufgaben! Wow, ist das was Feines
(legt sich leider beim eigenen Schuleintritt normalerweise
schnell).

Ahmen Kinder bis 4 oder 5 nicht auch Eltern oder ältere
Geschwister nach?

Eben.

Also z.B. lesen, basteln, Schule etc?

Genau.

Könnten Kinder sich wirklich selber lesen beibringen, wenn
niemand vorliest bzw einen Bezug herstellt?

Ohne Bezug nein. Aber man liest vor. Mit einem Bilderbuch
und betrachtet zusammen. Oder willst du jedesmal, wenn dich
ein Kind fragt: „Mama, was steht auf dem SChild?“ sagen:
„Wart bist du in der SChule bist.“?

Nicht das ich was dagegen hätte, oder dass man ein Kind nicht
fördern sollte, oder das man es überhaupt bewusst steuern /
verhindern kann, aber ist ein Kind nicht auch meist „ein Kind“
seiner Familie?

Natuerlich.

Und daher eher wertfrei als Frage, ob zuviel
primäres Schulwissen nicht vielleicht auch nachteilig sein
kann, und ob „randwissen“ da nicht vielleicht
unproblematischer ist.

Vielleicht ja, aber wie willst du das trennen?
Wenn ich meinen Kindern ein Maerchen erzaehle, dann reden
sie darueber vielleicht im Deutschunterricht. Wenn das Kind
die Smarties zaehlt, die es bekommt, dann ist das der ANfang
von Rechnen. Verstehtst du, was ich meine?

In unserer Klasse seinerzeit konnte niemand schon vorher einen
Satz lesen oder schreiben,

Konnten meine Kinder auch nicht, aber die, die es koennen,
muessen nicht immer ‚getrieben‘ sein, das wollte ich sagen.

dennoch bin ich z.B. sicher, dass
einige auch mit Polgars und co

??? WAs ist das?

hätten mithalten können, um mal
einen krassen Bogen zu spannen.

Es gibt bei Kindern einfach eine
unheimliche Bandbreite, und nur weil ein Kind schon lesen
kann (o.ae.) muss man nicht von uebereifrigen Eltern ausgehen.
Natuerlich droht einem Kind, das z.B. bereits lesen kann, in
der Schule Langeweile. ABer ich moechte mal behaupten, dass,
wenn es das mit wenig Anleitung und aus eigenem Antrieb gelernt
hat, die Langeweile sowieso kommen wuerde, weil es naemlich
schneller gelernt haette, als in der Schule gelehrt wird, egal
wie. Es gibt Kinder, die koennen nach wenigen Wochen (auch
ohne Vor-Lernen), das Lesebuch auswendig, waehrend die Klasse
noch auf SEite 9 ist. (uebrigens finde ich da das englische System
viel besser: die Kinder kriegen jeden Tag ein Buch mit nachhause
und so liest jeder im eigenen Tempo).
Ich wollte aber eigentlich nur sagen, dass man nicht immer
bei den Eltern falsch verstandenen Ergeiz vermuten muss, nur
weil ein Kind in intellektuellen Sachen eben voraus ist.

Gruesse
Elke

1 Like