Hi.
In Gen 2,23 heißt es in der Lutherübersetzung:
Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.
In der Einheitsübersetzung liest man:
23 Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein / und Fleisch von meinem Fleisch. / Frau soll sie heißen, / denn vom Mann ist sie genommen.
Während Luther vom hebräischen Original an der markierten Stelle deutlich abweicht, gibt die Einheitsfassung eine von zwei möglichen Übersetzungen wieder. Vor der Stelle „Bein von meinem Bein“ (eigentlich „Knochen“) steht lautschriftlich das hebr. Wort „happa´am“, das - nach meinen Informationen - in erster Linie mit " dieses Ma l" zu übersetzen ist und alternativ mit " endlich" (im Sinne eines erleichterten Ausrufs der Ungeduld).
Die Frage ist nun:
Sollte die Stelle nicht lauten: " Dieses Mal… Bein von meinem Bein usw." in dem Sinne, dass Adam seine Zufriedenheit mit dem Ergebnis ausdrückt, das beim vorausgehenden ersten Mal nicht zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war?
Das geht konform mit dem jüdischen „Alphabet des Ben Sira“ (um das 10. Jh.), in dem die These vertreten wird, dass „Gott“ in der Priesterschrift Adam und Lilith simultan erschafft (Gen 1) und in der folgenden jahwistischen Version (Gen 2), nachdem Adam Lilith weggeschickt hat, ihm die Eva zur Seite stellt. Es gibt zwar die Vermutung, dass das anonyme „Alphabet“ gar nicht ernst gemeint, sondern satirisch ist, aber auch im Midrasch „Genesis Rabbah“ wird über Lilith als Adams erste Frau spekuliert, von der Adam sich trennt, weil sie sich ihm sexuell nicht unterwerfen will (Verweigerung der Missionarsstellung). Als unterwürfigen Ersatz erschafft „Gott“ daraufhin die Eva.
Adam quittiert das - wenn die Übersetzung von „happa´am“ mit „dieses Mal“ adäquat ist - mit Erleichterung, vermutlich, weil „Fleisch von seinem Fleisch“ für ihn nicht im Verdacht der Aufmüpfigkeit steht.
Ein Spotlight auf die Lilith-Figur:
In einem älteren Artikel geht Metapher ausschließlich auf den „dämonischen“ Charakter dieser Gestalt ein:
http://www.wer-weiss-was.de/religionswissenschaft/li…
Es gibt aber auch göttliche Gestalten, auf die man die Lilith zurückführen kann, z.B. die sumerische Wind-Göttin Ninlil, die Gefährtin des Schöpfergottes Enlil. Im Mythos „Enlil und Ninlil“ wird sie von Enlil vergewaltigt, was zur Geburt des Mondgottes Nanna führt. Enlil wird in die Unterwelt verbannt, wohin ihm Ninlil aber folgt, um mit ihm weitere Kinder zu machen. Aus Ninlil scheint sich die akkadische Sturm-Dämonin Lilitu entwickelt zu haben, auf welche die hebräische Vorstellung der Lilith u.a. Bezug nimmt…
Weiterhin gibt es eine Göttin Lilith im sumerischen Mythos „Inanna und der Huluppu-Baum“, der sie als eine anarchische Figur darstellt. Mesopotamische Göttinnen wie Lamaschtu und Ischtar scheinen für die typisch negativen Aspekte der Lilith ebenfalls Modell gestanden zu haben. Lamaschtu, ursprünglich eine Himmelsgöttin, wurde in babylonischer Zeit zur bösartigen Dämonin in monströser Erscheinung degradiert, welche die Menschheit durch Krankheiten dezimiert. Entsprechend wird der Lilith im jüdischen Glauben der böse Wille zugeschrieben, neugeborene Kinder zu rauben und zu morden. Der andere Aspekt der Lilith als dämonische Verführerin der Männer geht auf die akkadische Liebes- und Kriegs-Göttin Ischtar zurück, ihrerseits ein Amalgam aus einer urakkadischen Kriegsgöttin und der sumerischen Liebesgöttin Inanna. Ganz offensichtlich ist Lilith eine Projektionsfläche patriarchalischer Ängste, die geeignet ist, die Unterdrückung der Frau, wie sie in den monotheistischen Religionen schließlich zur Perfektion geführt wurde, zu legitimieren.
Natürlich gibt es noch gefühlte tausend andere religionsgeschichtliche Querverweise, aber das gehört nicht zum Thema meiner Anfrage.
Chan