Fachbegriff gesucht für Verhalten gegenüber Opfer

Mir kommt dazu „Konformismus“, „Opportunismus“, „Mitläufer“, „Spießbürgertum“ in den Sinn.
Das Ignorieren der privaten Tat und die Fokussierung auf den Täter als „Opfer“ einer öffentlichen Beschuldigung passiert doch eher dann, wenn man einen Vorteil davon hat. Und sei es nur der, sich nicht selber zu exponieren und dafür womöglich angegriffen werden zu können.
Mich erinnert das an die kleinbürgerliche Moral in den ersten zwei Dritteln des 20. Jahrhunderts. Heinrich Manns „Untertan“ hätte sich so verhalten.

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Ja. Im Grunde ist das Umfeld mitbetroffen, weil es aus seiner Ruhe und Bequemlichkeit gerissen wird. Und faszinierenderweise wird vom Umfeld die Tat selbst nicht geleugnet, nur der Umgang damit kritisiert: „Ja, der Pfarrer hat dich missbraucht, aber warum musstest Du ihn anzeigen, ein Brief an den Bischof hätte genügt, und dann wäre er versetzt worden. Jetzt hast Du Schande über die Gemeinde gebracht!“

Das ist jetzt ein extremes Beispiel, aber ähnliche Muster fallen mir seit 20 Jahren in ganz vielen sozialen Gruppen auf: Das Opfer wird als die Person angesehen, die den „Gruppenfrieden“ gestört hat.

Beste Grüße,
Max

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Dann ist da also auch das nicht-Hinschauen- bzw. nicht-Wissen-wollen im Spiel.

  • Was [der Täter] getan hat, ohne dass wir es mitbekamen, mag nicht in Ordnung sein, aber es geht uns nichts an.
  • Die Tat öffentlich anzuklagen - das tut man nicht, denn es stört den (vermeintlichen) Frieden und nötigt uns, entweder gegen die Tat Stellung zu beziehen und selbst zum Störenfried zu werden, oder aber eine Tat gutzuheißen, von der wir im Grunde wissen, dass sie falsch war.
    Der einzige Ausweg ist, das Geschehene zu ignorieren und das Opfer dafür anzugreifen, dass es den Frieden gefährdet.

Ich würde das „spießbürgerliche Doppelmoral“ nennen.

Gruß,
KHK

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Das hätte ich auch gesagt, aber in den Texten, die ich bisher dazu gelesen habe, wird Täter-Opfer-Umkehr meist mit den dahingend beschrieben, dass

  • dem Opfer die Schuld gegeben wird („Wenn Du so einen kurzen Rock trägst, brauchst du dich nicht wundern, wenn Du begrapscht wirst!)“
  • oder die Tat heruntergespielt wird („Nun stell dich nicht so an, das war doch gar nicht schlimm!“)

Das ist in dem, was mich interessiert, beides nicht der Fall - weder wird dem Opfer die Schuld gegeben, noch wird die Tat heruntergespielt, es wird nur die Art und Weise kritisiert, wie das Opfer sich Hilfe sucht oder das Problem löst. Und das fand ich bisher nirgends beschrieben und hatte die Hoffnung, dass ich vielleicht nur unter dem falschen Schlagwort suche.

„Das war gar keine Faustschlag, nur ein Schubs, und du bist selbst schuld, weil du mich angestarrt hast!“ -> Täter-Opfer-Umkehr

„Ja, ich habe Dir einen Faustschlag versetzt, aber deswegen muss man doch nicht gleich zur Polizei rennen, das kann man doch unter Freunden anders regeln, wegen Dir bin ich dann vorbestraft und kriege ärger in der Firma!“ -> auch Täter-Opfer-Umkehr? Oder etwas anderes?

M.

Geht es nur um Abwehr oder auch um Manipulation des Opfers?
Hast Du mal unter dem Stichwort „Gaslighting“ geschaut? Der Begriff ist umfassender, aber Aspekte davon passen auch zu dem Szenario, das Du beschreibst.

Geht es nur um Abwehr oder auch um Manipulation des Opfers?

Eher um Manipulation des Umfelds, weil das Opfer ja eine klare, wehrhafte Haltung zeigt, z.B. durch eine Anzeige. Die Wehrhaftigkeit wird zur Aggression umgedeutet.

Der Begriff ist mir bekannt, aber nein, da habe ich noch nicht nachgeschaut. Danke!