Fahrerflucht von Alfred Andersch

Hallo!

Kennt vielleicht jemand von euch das Hörspiel „Fahrerflucht“ von Alfred Andersch? Ich muss im Deutsch einen Vortrag darüber machen. Weiss vielleicht jemand, wo ich eine Interpretation und Charakteristiken zu diesem Hörspiel finde, habe bis jetzt noch nichts passendes finden können.

Hallo Tatjana,

hier habe ich etwas gefunden. Stammt aus dem legendären „Reclams Hörspielführer“ von Hein Schwitzke und Werner Klippert. Den gibt’s jetzt online (!): http://www.mediaculture-online.de/fileadmin/biblioth…

Fahrerflucht
Reflexionen dreier betroffener Personen, Vor- und Nachgeschichten zu einem Ereignis, das fast ausgespart bleibt. „Nummer eins: der Tankwart.“ Mit der Akribie des schlechten Gewissens überprüft er sein Verhalten auf Fehler: Als ihn um sechs Uhr morgens eine Polizeistreife nach einem beschädigten Wagen fragte, der kurz zuvor die Tankstelle
passiert habe, hatte er bereits sämtliche Spuren gelöscht, das Schweigegeld knisterte in seiner Tasche. Daß ihn der von der Polizei gesuchte, flüchtige Fahrer zu bestechen vermochte, erklärt er sich aus der Erinnerung an eine Kriegsepisode. Damals, in Italien,
hatte er sich von einem Vorgesetzten, der stiften gehen wollte, genauso einschüchtern lassen. – „Nummer zwei: Der Manager.“ Mit Cleverness hat er sich zum Generaldirektor hinaufgearbeitet. Sein Leben entspricht dem Klischee eines Managerlebens: luxuriös,
aber ohne zwischenmenschliche Kontakte. Der unverschuldete Unfall und die entsetzliche Fehlleistung seiner Flucht haben ihm einen Strich durch seine Lebensrechnung gemacht – genauer: durch seine Sterbensrechnung. Denn er hat Krebs und wollte sich an diesem
Morgen gerade für die letzten Monate seines Lebens absetzen. Auf der Flucht vor Beruf und Familie beging er eine Flucht vor sich selber. Der Tod des Mädchens, das er überfuhr, hat ihm die Freiheit seines eigenen Todes aus den Händen genommen. – „Nummer drei: das Mädchen“: eine junge Verkäuferin mit einer Vorliebe für elegante Herrenkleidung und für Pferde. Am Tag zuvor hatte sich für sie ein Traum erfüllt, in ihren Laden war ein chinesischer Jockei gekommen, der auf den ersten Blick die heimliche Begabung des Mädchens zum Reiten erkannt und mit einer unabweisbaren Sicherheit über ihr Schicksal entschieden hatte. Ihr Leben an seiner Seite und in seinem Metier war beschlossen. Als das Unglück geschah, war das Mädchen mit dem Rad gerade auf dem
Weg zu ihrer ersten Trainingsstunde. – Drei Schicksale von Menschen, die sich nicht kannten, entschieden sich an diesem Morgen, zwei davon in dem Augenblick, der ihrem Leben die kühnste Wendung geben sollte.
3 P, 6 NP – U: 1957 SWF/RB – 55 Min. – gedr. in Alfred Andersch, Fahrerflucht,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1965

Grüße: Uli Heim

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