Salve.
ich habe seit einiger Zeit ein paar
Wikipediaartikel zur Stromversorgung gelesen. Bin aber nicht
so recht schlau daraus geworden.
Kein Wunder, die Energietechnik-Wiki-Artikel sind nicht besonders gut. 
— kurz gesagt wie ist der Weg vom Kraftwerk zur heimischen
Steckdose und warum wurde es technisch so gewählt —
Zuerst muß man verstehen, daß das Elektroenergiesystem historisch entstanden und gewachsen ist. Dies mag als Trivialität erscheinen, wird aber von einer nicht geringen Anzahl von Leuten nicht verstanden. So wissen bspw. selbst Ingenieure nicht, daß die Betriebsfrequenz von 50 Hz nicht vom Himmel gefallen ist. Ende des 19. Jahrhunderts/ Anfang 20. Jahrhunderts existierten zig Frequenzen und Nennspannungen nebeneinander, weil einerseits jedwede Standardisierung fehlte, andererseits die Technologie die Herstellung von Energieanlagen gewissermaßen beschränkte.
Man braucht sich z.B. nur die Isolierstoffe und Isolierungen in den Dreiphasenmaschinen bis in die 1930er anschauen.
In Nordamerika existierten 133-Hz-Netze, 125-Hz-Netze, in Großbritannien 83 Hz, in Kontinentaleuropa ein Wirrwarr von 30 Hz bis 50 Hz; die erste Drehstromübertragung der Welt, von Lauffen nach Frankfurt im Jahre 1891, wies eine Frequenz von 40 Hz auf.
Mit den Spannungen verhielt es sich nicht anders. Tohuwabohu sagte man bei uns in Schlesien früher dazu.
Daß sich nach und nach die 50 Hz und genormte Spannungsebenen durchsetzten, lag vornehmlich an den Industriezentren des Deutschen Reichs: Teile Preußens, Sachsen, die thüringischen Lande und Schlesien (das nordrheinisch-westsfälische Industriegebiet gewann für das Nationalprodukt des Reichs erst nach dem Ersten Weltkrieg an Bedeutung), die jährlich mehr und mehr Elektroenergie brauchten. Die erste Hochspannungsübertragung des Kontinents,
1912 von Lauchhammer nach Riesa, wurde als 110-kV-Drehstromdoppellleitung gebaut, d.h. so, wie auch heutzutage Leitungen dieser Spannungsebene bemessen werden. Erstmals wurden die Phasen „verdrillt“, um das Drehstromsystem zu symmetrieren, die Frequenz betrug 50 Hz. (Die Kanadier waren etwas schneller mit ihrer 110-kV-Leitung, doch deren Leitung lief nur mit ungünstigen 25 Hz und hatte nicht wie die sächsische Leitung Kupferleiter sondern Aluminiumleiter).
1915 entsteht in Zschornewitz (liegt bei Wittenberg) das damals größte Braunkohlekraftwerk der Welt; 130 MW, 110 kV, 50 Hz. Zschornewitz diente außerdem zur Durchleitung und Verteilung des 16 2/3 Hz Bahnstromes eines nahegelegenen Bahnstromkraftwerkes.
Die preußische „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“, AEG, in Berlin erwies sich für die technische Entwicklung als federführend, während in Dresden „Koch & Sterzel“ saßen (das spätere „Transformatoren- und Röntgenwerk“; ein Exportkombinat der DDR, das international hohe Reputation besaß und sich auf dem Gebiet der Medizintechnik und der Hochleistungsmeß- und -prüftechnik als kaum schlagbarer Konkurrent für Firmen wie Haefely und Hipotronics erweisen sollte). Koch & Sterzel vertrieben von einer einzigartigen Hochspannungsgerätefarbik aus ihre weltweit führende Produkte, die Voraussetzung für die technische Ausführung von hohen Übertragungsspannungen waren. Die AEG ist es auch gewesen, die in Deutschland definitiv die Dreiphasen-Übertragungstechnik und die 50 Hz durchsetzte (sowie die 16 2/3 Hz der Traktionsversorgung); so erfand der unter Energietechnikern sehr, sehr berühmte Michail Doliwo-Dobrowolski die erste Induktionsmaschine (Asynchronmaschine) und leitete das AEG-Projekt für die Drehstromübertragung von Lauffen nach Frankfurt.
Ab 1914 ließ der Krieg Geld vom Reich in den im Vgl. zu Sachsen und Preußen unterentwickelten Westen und Südwesten fließen - die neuen Rüstungs- und Versorgungsfabriken überforderten die alte Energieinfrastruktur. Während diese Regionen langsam moderniert wurden, und 1923 die erste 220-kV-Trasse der Welt gebaut wurde (im Bergischen Land bzw. nordrheinisch-westfälischen Industriegebiet), ging 1923 in Berlin die erste Freiluftschaltanlage der Welt in Betrieb. Des weiteren führten Preußen und Sachsen in den neu entstehenden 110- und 220-kV-Netzen weltweit erstmals Bündelleiter flächendeckend als Standard ein, und darüber hinaus die ersten dämpfenden Feldabstandhalter (vor der Erfindung der Stockbridge-Schwingungsdämpfer). Bündelleiter setzen die Randfeldstärke herab und auf diese Weise reduzieren sich die Koronaverluste des Leiters signifikant. Koronaverluste erzwingen auch, daß bei hohen Übertragungsspannungen immer mehr Teilleiter gebraucht werden, um die elektrische Feldstärke in der Umgebung des Leiters in Schach zu halten. 380-kV-Leitungen benutzen heutzutage Dreibündel, die Russen bei ihrer 750-kV-Leitung Fünferbündel und die 1150-kV-Leitung in Sibirien Achterbündel.
In den 1920ern verloren die Deutschen ihre Pionierposition, weil die Geographie anderer Länder die Entwicklung hin zu höheren Spannungen beschleunigte, welche man in Deutschland jedoch nicht so dringend benötigte. In Amerika, Kanada und der UdSSR konstruierte man im Laufe der 20er, 30er und 40er Jahre Leitungen mit 275-330 kV.
In Deutschland blieb 220 kV als Spannung der Transportnetze die Höchstspannung. Die erste 380-kV-Leitung der Welt nahmen die Schweden in Betrieb, 1952, mit Viererbündel. Zwei Jahre zuvor schafften es die Sowjets, die erste HGÜ mit 200 kV zu konstruieren und einen fehlerfreien Dauerbetrieb zu gewährleisten (Merke: HGÜ ist kein „neumodischer Kram“).
Der Rest ist Geschichte: 380 kV ist bis heute die Höchstspannung deutscher Transportnetze. Die 220-kV-Ebene wird zurückgebaut und irgendwann ganz verschwinden. Andere Länder betreiben auf Grund der zu überbrückenden Entfernungen aber noch höhere Spannungen, 500 kV (USA), 735/765 kV (Kanada), 750 kV (UdSSR) und schließlich die höchste Drehstromspannung der Welt von 1150 kV (UdSSR/Rußland) von Ekibastus (gesprochen ecki:baß:tuuhs) nach Tscheljabinsk (tschell:jaahbinsk).
Wenn Du Dich fragst, wie das kommt, hier die Antwort:
- Normen
Seit Jahrzehnten sind die Spannungsebenen von der IEC genormt, nämlich in der Form der „höchsten Spannung für Betriebsmittel“ Um.
Mit dem Auftauchen von Plänen für neue Ultrahöchstspannungsübertragungsleitungen in China und Indien erfolgte eine Revision von IEC 60071 (genormte Isolationspegel und Isolationskoordination), so daß die „Vorzugsspannungen“ heutzutage lauten
1200 kV
1100
800 (früher 765)
550 (früher 525)
420
362
245
145
123
72,5
36
24
12
7,2
3,6
Diese Spannungen sind nicht mit Nennspannungen zu verwechseln; ich sehe das immer wieder, besonders in den Wiki-Artikeln.
Das deutsche Höchstspannungsnetz z.B. ist 380 kV, und nicht 400 oder 420 kV.
Richtig ist: Aus gewissen Gründen wird das 380-kV-Netz unter Umständen mit 420 kV betrieben. Die Nenn- bzw. Bemessungsspannung beträgt jedoch 380 kV, wodurch man sich im Rahmen des 420-kV-Isolationspegels befindet und eine 420-kV-taugliche Isolationskoordination gemacht werden muß (Stehspannungen, Überspannungsfaktoren, Prüfspannungen).
In Regionen, in denen die IEC-Normen nicht die maßgebliche Normung darstellt (bspw. Nordamerika) existieren abweichende Spannungsebenen.
- Verlustleistung
Wel = i 2 R t
P = W/t
Pel = i 2 R
Für die höchste sinnvolle Spannung eines Elektroenergieversorgungssystems kann man sich die Faustregel 1kV/1km merken. Das heißt, müssen im Transportnetz mehr als 300-400 km vom Kraftwerk zum Netzkuppeltrafo zurückgelegt werden, ist 380 kV gegenüber höheren Spannungen zusehends im Nachteil.
Das ist der Grund, weshalb in Deutschland 380 kV zureichen, während geographisch ausgedehnte Staaten 500 kV und mehr benutzen (müssen).
Steigt die Spannung, erhöht sich die natürliche Leistung der Leitung mit dem Quadrat der Spannung, d.h. die Übertragungskapazität der Leitung steigt erheblich.
Sinkt der Strom, verringern sich die Leitungsverluste, weil der Strom mit dem Quadrat eingeht. Eine Reduktion um den Faktor 2 bedeutet eine Reduktion der Verluste um den Faktor 4. Eine Reduktion um den Faktor 5 bedeutet eine Reduktion der Verluste um den Faktor 25. Et cetera perge perge.
Wie sieht jetzt der Weg vom Kraftwerk zur Steckdose aus?
Im „Krafthaus“ des Kraftwerkes treibt ein Generator mit maximalen Generatorspannungen von 27 kV mehrere zehn Kiloampere über die Generatorsammelschiene in den Hochleistungstrafo. Der Trafo heißt in diesem Fall „Blocktrafo“ (manchmal Maschinentrafo genannt) und spannt die 27 kV hoch auf 380 kV, was zugleich zu einer erheblichen Heruntersetzung des Stromes führt.
Mehr als 27 kV sind gegenwärtig nicht machbar. Man versucht schon seit Jahren auf 30 oder 32 kV zu gehen, aber es klappt hinten und vorne nicht. Neueste Entwicklungstendenzen basieren auf modernsten Isolierstoffen, trotzdem sieht niemand Licht am Ende des Tunnels. Die 27 kV sind wie die Schallmauer momentan. Außerdem ist die Wärmeabfuhr bei den Großgeneratoren sowieso das Problem überhaupt und begrenzt die Einheitenleistung als solches am direktesten. Langsamläufer, d.h. Schenkelpolmaschinen in Wasserkraftwerken, erreichen naja sagen wir 18 kV, eventuell 20 kV, da müßte ich mal wieder in aktuellster Literatur nachschlagen.
Vom Blocktrafo geht die Reise über die Höchstspannungsfreileitungen des Transportnetzes (Übertragungsnetz) in überregionale Umspannwerke. In diesen Umspannwerken befindet sich die sogennanten Netzkuppeltrafos.
Netzkuppeltrafos verbinden das Übertragungsnetz mit den niedrigeren Spannungsebenen des Hochspannungsnetzes (380/220 kV, 380/110 kV). Netzkuppeltrafos werden technisch als Spartransformator ausgeführt und drei Einphasen-Trafos müssen auf diese Weise zu einer dreiphasigen Trafobank zusammengeschaltet werden.
Nach dem Runterspannen auf 110 kV befinden wir uns im Verteilungsnetz und kommen über die Hochspannungsleitungen am Leistungstrafo an. Leistungstrafos verbinden das Hochspannungsnetz mit den Mittelspannungsverteilungsnetzen. Über Kabel geht es weiter zu den Umspannstationen bzw. Ortsnetztrafos, die die Mittelspannung von 10-30 kV auf die Niederspannung von 0,4 kV heruntersetzen, und von dort wieder über Kabel in die Haushalte, wo die Verbraucher größtenteils einphasig am Vierlleiternetz hängen.
Langfristig wird offensichtlich folgende Struktur angestrebt: 380 kV - 110 kV - 10 kV - 400 V, d.h. Stufen wie 220 kV etc. sollen soweit wie möglich zurückgebaut oder ganz eliminiert werden, die Vielfalt im Mittelspannungsnetz soll drastisch verringert werden.
Stimmt das soweit?
Was mir nicht klar ist 
wie das alles technisch zusammenhängt. Ich bekomme keine
logische Erklärung vom Kraftwerk bis zur heimischen Steckdose
hin. Hohe Spannung, niedrige Spannung, Drehstrom,
Wechselstrom
Siehe oben.
Verluste entstehen vom Strom. Die Verlustleistung geht mit dem Quadrat des Stromes; kannst Du den Strom auf 1/2 verringern, senkst Du die Verlustleistung pro Kilometer auf 1/4; kannst Du den Strom auf 1/10 verringern, senkst Du die Verlustleistung pro Kilometer auf 1/100.
Du mußt Dir nur merken, daß neben den physikalischen Gründen hauptsächlich technologisch-historische Einflüsse die Entwicklung des Elektroenergiesystems im allgemeinen und besonders in Deutschland bestimmten. Drehstromgeneratoren sind vergleichsweise leicht herzustellen und die Übertragungskapazität von Dreiphasensystemen ist größer als die von Einphasensystemen bei nur minimal größerem technischen Aufwand. Ein Dreiphasensystem auf einen Mast zu hängen ist nicht sehr viel komplizierter als ein Einphasensystem aufzuhängen. Die Realisierung dauert zwar länger, die gewaltigen Vorteile von drei Phasen gegenüber einer Wechselstromübertragung lassen die etwas längere Installationsphase kaum als Negativpunkt erscheinen. Die Maste muß man so oder so aufstellen.
Die Betriebsfrequenz ist ebenfalls historisch entstanden; heutzutage würde man eventuell eine höhere Frequen wählen, zumal die Mediziner nachweisen konnten, daß 50 Hz bzw. 60 Hz die größtmögliche Gefährdung des Herzmuskels bei elektrischem Schlag darstellen.
Mit der heutigen Technologie würde man, quasi wenn man ein weißes Blatt Papier hätte,
das Elektroenergieversorgungssystem in Details anders entwerfen. Aber: Es gab eine historische Entwicklung, es gibt die sehr dominante betriebswirtschaftliche Komponente, die bisweilen ingenieurwissenschaftliche oder naturwissenschaftliche Argumente nicht berücktsichtigt. Die beste technische Lösung ist nicht immer die beste (kaufmännische) Lösung.
Warum ist es notwendig die Voltzahlen zu transformieren?
Verlustleistungsreduktion, Übertragungskapazitätssteigerung
Ist der Strom bei der Erzeugung und beim Transport durchgehend
Wechselstrom?
Nein. Drehstrom (drei um 120° gegeneinander phasenverschobene überlagerte Wechselströme)
Tschö
reinerlein