FreiStaat Sachsen bei Pisa vorn?!

Hallo,
die Frage war ja, ob der behauptete Mehrunterricht überhaupt stattgefunden hat. Nach dem was du als Beispiel aufgeführt hast, kann es aber kein Mehr gegeben haben, sondern nur eine etwas andere Schwerpunktsetzung mit einzelnen Stunden mehr oder weniger. Das gab es dann auch innerhalb des Westens an Gymnasien (humanistische, neusprachliche, naturwissenschaftliche).
Da kann ich also die angebliche Überlegenheit des Systems nicht fest machen.

Die Stunden und Pauseneinteilung ist wohl auch kein wesentlicher Faktor, da spielen ja auch immer lokale Gründe ein Rolle. Wenn etwa Sport in einem Stadion 1 km entfernt gemacht werden muss, ist eine einzelne Stunde natürlich Unsinn. Bei uns gab es z. B. immer 5 Minuten zwischen Stunden für sogenannten Lehrerwechsel und zum Toilettengang und dann einmal 30 und einmal 20 Minutuen Pause. Eine richtige Mittagspause gab es nicht (15 Minuten), weil ja i.d.R. Mittags Schluss war.
An einer anderen Schule gab es dagegen volle 60 Minuten Mittagspause.
9. und 10. Stunden habe ich erst an Berufsschulen kennen gelernt, da lagen dann höchstens AGs (Theater, Sport …). Ich höre aber, dass es die mittlerweile auch an allgemeinbildenden Schulen für regulären Unterricht gibt.

Also ich bin der Letzte der unsere Schullandschaft für toll hält, allerdings glaube ich auch nicht an rosige DDR-Zeiten, mit angeblich besserer Pädagogik, besseren Lehrplänen, Stundentafeln und vor allem besseren Ergebnissen. Dort waren viele Faktoren andere. Nicht zuletzt waren auch die Kinder anders.
Wenn das alles so toll gewesen ist, wo sind denn dann all die Genies, die da produziert worden sein müssen? Zumindest die älteren „Ossis“ die ich kenne, sind mir nicht durch überlegene (auch nicht unterlegene) Bildung aufgefallen.
Nach eigenem bekunden können sie mindestens so wenig Russisch wie ich noch französisch kann (kleiner Scherz am Rande).

Gruß
Werner

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Hallo,
wenn du dir das oben gebrachte Beispiel eines DDR-Stundenplans ansiehst, dann fällt da ein ganzer Untrrichtstag für diesen „Produkionsunterricht“ weg. Wenn du diesen exessiven Werkunterricht/wöchentliches Betriebspraktikum herausnimmst, dann wurde auch nicht mehr Unterricht gegeben.

Gruß
Werner

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Hi,

wer jetzt mehr Stundenzahlen hatte oder nicht, weiß ich nicht, is mir auch wurscht.
Es mag ja sein, dass Du (ich hab nochmal nachgelesen, dass Du Berufsschullehrer bist) mehr Naturwissenschaften hattest, als Du selbst am Gymnasium warst, verglichen mit einem heutigen Gymnasium. Kann ich nichts drübersagen. Wenn man aber zusammenzählt, was ein heutiger bayrischer Gymnasiast am Ende der 13. Klasse insgesdamt an Naturwissenschaften hatte, und was ein DDR-Schüler m Ende der 12. Klasse zusammenhatte, dürfte der DDR-Schüler sowohl in der Stundenzahl als auch im erworbenen Wissen gewinnen. Ich hab ja die Stundentfeln noch hier, ich hab ja fürs Gym studiert und mein Ref da gemacht.
Es wird auch einen Grund gegeben haben, warum sich der teure bayrische Feinkostladen, an dem ich meine Berufsausbildung gemacht habe, seine Lehrlinge ausschließlich im Osten gesucht hat (für 1990 bis 1998 weiß ich, dass das definitiv so war, weil ich '91 anfing und auch das vorige Lehrjahr schon aus Sachsen kam, und bis '98 meine Studentenbrötchen weiter dort verdient habe): besseres Image des Verkäuferberufs, der schlechteste Schulabschluss ist eine Mittlere Reife, und die können dann auch noch mehr als die bayr. realschüler. Klappte auch in der Praxis. Wir waren in der Verkürzerklasse, ich war die einzige Abiturientin. Verhältnis ost : West ungefähr 50:50, und wir haben die Wessis in die Tasche gesteckt. in BWR mussten wir aufholen, weil wir das in der Schule nicht hatten. Aber aufgeholt haben wir :smile:

Dort waren viele Faktoren andere. Nicht zuletzt waren auch die Kinder anders.

Natürlich. Aber machen wir uns nicht unsere Kinder selbst? (Nur ein paar Stichworte) Indem wir schon den kleinsten erzählen, sie könnten alles für sich selbst entscheiden, und dabei haben sie noch gar kein wissen von der Welt und finden sich nicht zurecht. Sie wären dankbar, wenn sie einen Rahmen bekämen. Indem wir Grundschüler nicht benoten, beim Schreiben lernen Fehler nicht anstreichen - wir könnten sie deprimieren. Schreiben zuerst mit Bleistift und in Druckbuchstaben lernen, wir könnten sie ja überfordern, die armen Kleinen. Dabei sucht ein Kind nichts so sehr wie eine Grenze, eine Herausforderung - nichts ist ihm wichtiger als neues zu lernen und etwas besser zu können. Und wir schneiden das alles ab. Die Eltern haben es selbst nciht besser gelernt, wie kann dann ein Lehrer die Welt des Kindes verändern? Aber irgendwo muss man ja auch anfangen - warum nicht an der Schule?
Natürlich hatten die Lehrer in der DDR ganz anderes Material an Schülern vor sich, mit dem konnte man anders arbeiten. Aber deswegen HABEN sie anders gearbeitet, und deswegen kam mehr raus.

Wenn etwa Sport in einem Stadion 1 km entfernt gemacht werden muss, ist eine einzelne Stunde natürlich Unsinn.

Natürlich. Aber du unterschätzt, wie viel Geld in der DDR in Schulen investiert wurde. Ich kenne weder aus eigenem Erleben (2 verschiedene POS, hab gewechselt als die zweite neu gebaut wurde und 1 EOS) noch aus dem Erzählen von Freunden (meine ca. 18 Klassenkameraden auf der EOS kamen aus dem Kreis) Schulen, in denen die turnhalle nicht auf dem Hinterhof war. die turnhalle meiner EOS war an das Hauptgebäude drangebaut, also aus dem Erdgesch.oß zugänglich (ist bei den Jugendstilbauten wohl so üblich)

Bei uns gab es z. B. immer 5 Minuten zwischen Stunden für sogenannten Lehrerwechsel und zum Toilettengang

Bei uns wanderten meistens die Schüler von Raum zu Raum. Aber das hat mit der Diskussion nichts zu tun.

Wenn das alles so toll gewesen ist, wo sind denn dann all die Genies, die da produziert worden sein müssen?

Niemand redet hier von Genies. Wir reden von besserem Verständnis von Mathe, besserem Kopfrechnen, und vor alem von einer breiteren Bildung, die einem das Verständnis mitgibt, das Naturwissenschaften wichtig und interessant sind - genauso wichtig wie Geisteswissenschaften, nicht nur ein Gastspiel für 1-2 schuljahre. Und das Mathe nicht nur etwas nerviges ist, das eigentlich der Taschenrechner eh viel besser kann und überhaupt keinen Praxisbezug hat (wir haben im Matheunterricht Rechenmeister ermittelt . 2 Banknachbarn stehen auf, es gibt eine Kopfrechenaufgabe, wer sie zuerst hat, rückkt eine bank weiter und kämpft gegen die nächsten usw. Oder die ganze Klasse steht auf, Kettenaufgabe zum Kopfrechnen. Wer aussteigt, setzt sich. Heutzutage pädagogisch undenkbar, ein ding der Unmöglichkeit). Das alle Fächer gleichwertig sind und nicht einfah mal kurz bevor es ernst wird abgewählt werden können. Man hat über die Wirtschaft gelernt, wie ganz einfache Arbeit funktioniert und das auch die schwer ist - am Fließband stehen, an der Werkbank stehen. Das hat uns nicht alle zu fleißigen Arbeitern gemacht (böse Zungen mögen behaupten, dass das der eigentliche Zweck war), aber es hat uns beigebracht, dass auch solche Arbeit schwer ist und Können verlangt, dass nicht jeder hat oder zu erwerben in der Lage ist.
Immerhin hat mein Englisch noch zwei Jahre nach Abschluss, ohne weitere Übung, gereicht, um meinen Geschäftsführer zu überzeugen, ne ausländische Delegation an seiner Statt durchden Laden zu führen. Und von dem bisschen BASIC, was ich im Schuljahr 1989/90 lernte, war 1992 noch genug übrig, um besser programmieren zu können als mein EDV-Lehrer an der Berufsschule. Ähnlich sah es bei meinen Ostkolleginnen aus.
Westkinder werden nicht dümmer geboren als Ostkiner, und Westlehrer könnten genauso gut sein wie Ostlehrer - wenn man sie ließe. Aber wir glauben ja, wie gesagt, dass wir unsere Kinder schonen müssen und nciht überfordern dürfen, die armen… meine perönliche Überzeugung ist, dass ds ein Ergebnis von '68 ist, als nicht nur letzte braune Reste aus bildungseinrichtungen entfernt wurden, sondern das ganze System so gründlich umgestülpt wurde, dass man einfach überall das Gegenteil von früher gemacht hsat - antiautoritär, die jugend kann alles besser und macht alles anders (Betonung liegt auf alles… aber du wirst verstehen, und besser wissen als ich, was ich meine). Die '68er Revolution gab es in der DDR nicht, da ist schon viel früher ausgemistet worden, beim Prager Frühling und Co. ging es um was anderes.

die Franzi

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Hi,

hab an anderer Stelle eschrieben, warum ich den Unterricht inhaltlich für wichtig halte.
Alle drei Fächer (ESP, PA und TZ) waren übrigens Vorrückensfächer - kein „exzessives Betriebspraktikum“.
Bissl was aus ESP ist mir grad noch eingefallen: numerische Steuerung, Binärcodierung - wir habe den Code gelernt -, welchen Einflluss hat die elektrische Schaltung (Gleic- oder Reihenschaltung) auf den Stromverbrauch, Vergleich des Energieverbrauchs von Glühbirne und Leuchtstoffröhre…

die Franzi

Hi!

wer jetzt mehr Stundenzahlen hatte oder nicht, weiß ich nicht,
is mir auch wurscht.
Es mag ja sein, dass Du (ich hab nochmal nachgelesen, dass Du
Berufsschullehrer bist) mehr Naturwissenschaften hattest, als
Du selbst am Gymnasium warst, verglichen mit einem heutigen
Gymnasium.

Also ich glaube, die Vorreiter in Naturwissenschaften sind hier Bayern und Sachsen. Meine Schwester studiert Medizin und hat einige Leute aus anderen Bundesländern kennengelernt, die sie dumm angeschaut haben, als sie gesagt hat, dass sie Bio und Chemie bis zum Abi hatte, und gefragt, warum sie denn eine NaWi freiwillig gemacht hat :smiley:. Aber ich glaub in Sachsen sind Chemie und Physik Pflicht… Ansonsten findet die Stundenkürzung aber glaub ich meist in den Sprachen statt, nicht in den Naturwissenschaften (zumindest bei G9 zu G8). Was vor langer, langer Zeit war, weiß ich natürlich nicht.

Dort waren viele Faktoren andere. Nicht zuletzt waren auch die Kinder anders.

Natürlich. Aber machen wir uns nicht unsere Kinder selbst?
(Nur ein paar Stichworte) Indem wir schon den kleinsten
erzählen, sie könnten alles für sich selbst entscheiden, und
dabei haben sie noch gar kein wissen von der Welt und finden
sich nicht zurecht. Sie wären dankbar, wenn sie einen Rahmen
bekämen.

Ja, das stimmt, Kinder werden häufig als kleine Erwachsene gesehen heutzutage… Aber nur auf einigen Feldern, auf anderen sind sie plötzlich ganz klein und verletzlich

Indem wir Grundschüler nicht benoten, beim Schreiben
lernen Fehler nicht anstreichen - wir könnten sie deprimieren.
Schreiben zuerst mit Bleistift und in Druckbuchstaben lernen,
wir könnten sie ja überfordern, die armen Kleinen. Dabei sucht
ein Kind nichts so sehr wie eine Grenze, eine Herausforderung

  • nichts ist ihm wichtiger als neues zu lernen und etwas
    besser zu können. Und wir schneiden das alles ab. Die Eltern
    haben es selbst nciht besser gelernt, wie kann dann ein Lehrer
    die Welt des Kindes verändern? Aber irgendwo muss man ja auch
    anfangen - warum nicht an der Schule?

Also das mit der Benotung stimmt auf jeden Fall. Ich erinnere mich noch dran, wie wir es in der 1.Klasse unfair fanden, dass die Zweitklässler Noten bekommen haben und wir nicht. Ich versteh bis heute nicht, warum man einem Kind nicht sagen kann, was es nicht gut macht. Die Grundschullehrerin meines kleinen Bruders hat sich da geschickt rumlaviert. Sie hat immer ein Kinderzeugnis ausgeteilt, dass die Noten in Form von Wettersymbolen widergegeben hat. Es gab sonnig, leicht bewölkt, bewölkt, Regenschauer und Regen. Sie hätte da genausogut 1-5 hinschreiben können, aber das ist ja pädagogisch ganz schlecht :wink:. Aber was gegen das schreiben lernen mit Bleistift und in Druckbuchstaben spricht, versteh ich nun wieder nicht…

Wenn etwa Sport in einem Stadion 1 km entfernt gemacht werden muss, ist eine einzelne Stunde natürlich Unsinn.

Natürlich. Aber du unterschätzt, wie viel Geld in der DDR in
Schulen investiert wurde. Ich kenne weder aus eigenem Erleben
(2 verschiedene POS, hab gewechselt als die zweite neu gebaut
wurde und 1 EOS) noch aus dem Erzählen von Freunden (meine ca.
18 Klassenkameraden auf der EOS kamen aus dem Kreis) Schulen,
in denen die turnhalle nicht auf dem Hinterhof war. die
turnhalle meiner EOS war an das Hauptgebäude drangebaut, also
aus dem Erdgesch.oß zugänglich (ist bei den Jugendstilbauten
wohl so üblich)

Mich wundert das, dass es überhaupt Schulen gibt, die keine eigene Turnhalle haben. Wir in unserer uralten Klosterschule hatten 2. Nur zur Leichtathletik mussten wir 10 min laufen oder 5 min mit dem Bus fahren - in der Altstadt ist eben kein Platz für ein Leichtathletik-Stadion.

Bei uns gab es z. B. immer 5 Minuten zwischen Stunden für sogenannten Lehrerwechsel und zum Toilettengang

Bei uns wanderten meistens die Schüler von Raum zu Raum. Aber
das hat mit der Diskussion nichts zu tun.

Bei uns gabs gar keine Pause zwischen den Stunden. Ich versteh bis heut noch nicht, wie es die Lehrer trotzdem geschafft haben, pünktlich zu sein, obwohl sie vorher in einem anderen Gebäude Unterricht hatten.

Wenn das alles so toll gewesen ist, wo sind denn dann all die Genies, die da produziert worden sein müssen?

Niemand redet hier von Genies. Wir reden von besserem
Verständnis von Mathe, besserem Kopfrechnen, und vor alem von
einer breiteren Bildung, die einem das Verständnis mitgibt,
das Naturwissenschaften wichtig und interessant sind - genauso
wichtig wie Geisteswissenschaften, nicht nur ein Gastspiel für
1-2 schuljahre.

Ja, Naturwissenschaften sind interessant. Das Dumme ist nur, dass man als Mädchen hier so leicht abgestempelt wird. Kapiert mans beim ersten Mal nicht, ist man halt einfach zu blöd dazu und wird mit einem „Schaus dir daheim noch mal an - es ist doch völlig logisch!“ abserviert. Nur manche Lehrer schaffen es, Naturwisschenschaften interessant zu machen - zum Beispiel der, der uns als Hausaufgabe eine Mausefalle in die Hand gedrückt hat mit den Worten: Das ist ein Autoantrieb. Baut mir ein funktionsfähiges Auto! Das war glaub ich das einzige Mal, dass ich ein Erfolgserlebnis mit Physik hatte.

Und das Mathe nicht nur etwas nerviges ist,
das eigentlich der Taschenrechner eh viel besser kann und
überhaupt keinen Praxisbezug hat (wir haben im Matheunterricht
Rechenmeister ermittelt . 2 Banknachbarn stehen auf, es gibt
eine Kopfrechenaufgabe, wer sie zuerst hat, rückkt eine bank
weiter und kämpft gegen die nächsten usw. Oder die ganze
Klasse steht auf, Kettenaufgabe zum Kopfrechnen. Wer
aussteigt, setzt sich. Heutzutage pädagogisch undenkbar, ein
ding der Unmöglichkeit).

Ich versteh nicht, warum du glaubst, dass das pädagogisch undenkbar ist - bei uns (gut, das war Anfang der 90er) war das Gang und Gäbe, aber auch mein Neffe, der jetzt in der 3. Klasse ist, hat schon erzählt, dass das bei ihm regelmäßig gemacht wird.

Das alle Fächer gleichwertig sind und
nicht einfah mal kurz bevor es ernst wird abgewählt werden
können.

Das führt aber auch nicht zwingend zu Qualität… Siehe Frankreich.

Immerhin hat mein Englisch noch zwei Jahre nach Abschluss,
ohne weitere Übung, gereicht, um meinen Geschäftsführer zu
überzeugen, ne ausländische Delegation an seiner Statt
durchden Laden zu führen.

Meine Mutter kann das Englisch und das Französisch, das sie bis zum Abitur Ende der 70er erworben hat, auch heute noch ohne Übung fast fehlerfrei einsetzen. Und die hats nicht im Osten gelernt :wink:. Ich spreche auch noch relativ gut Französisch (wurde mir von einer Französin bestätigt) obwohl ich seit meinem Abitur vor 4 Jahren die Sprache kaum noch benutzt habe.

LG, Sarah

Komplexantwort auf mehrere Beiträge
Grüßt euch!

Ich bin faul und zwänge meine Antworten in einen langen Kommentar. :smile:
Viel Spaß. :smile:

Ein besonders folgenreicher Trauerfall der CDU-Politik in Sachsen ist die Vorschulerziehung. Die hatte ich eingangs vergessen.

Wie ich schon sagte, beklagen die Lehrer die mangelhaften Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die Kinder zum Schuleintritt mitbringen, auf denen früher aber noch aufgebaut werden konnte:

Der einheitliche Erziehungsplan des DDR-Kindergartens forderte für die sogenannten „Beschäftigungen“ (= kindgerechter Schulunterricht).

Anzahl der Beschäftigungen innerhalb eines Zeitraumes von zwei Wochen


 Beschäftigungen


Muttersprache 2

Kinderliteratur 1

Bekanntmachen mit dem
gesellschaftlichen Leben 2

Bekanntmachen mit der Natur 2

Entwicklung elementarer
mathematischer Vorstellungen 4

bildnerisch-künstlerische
und konstruktive Tätigkeiten,
Betrachten von Kunstwerken 5

Musik 2

Sport 2



Anzahl der Beschäftigungen täglich : 2

 à 20 min (kleine Gruppe, 3jährige)
 25 min (mittlere Gruppe, 4jährige)
 30 min (große Gruppe, 5jährige)

Sportbeschäftigungen immer 45 min

Der Kindergarten forderte das konsequente Beachten bestimmter Regeln, nach denen sich die Familie richten mußte. Die Kinder mußten spätestens 7.30 Uhr im Kindergarten sein. Heutzutage bringen die Eltern die Kinder, wenn es ihnen gerade einkommt, teilweise erst um 9 Uhr! Wie die Kinder einen regelmäßigen Tagesablauf und das frühe Aufstehen lernen sollen, interessiert die Alten nicht.

Der Kindergarten erzog die Kinder nach einem (und zu einem) rhythmisierten, festen Tagesablauf. Die Kinder sollten lernen, daß der Tag früh beginnt und sinvoll eingeteilt werden muß.

Die Beschäftigungen förderten die Kinder allseitig:
Sprecherziehung, Wortschatzschulung, Üben der Handmotorik, ruhiges Zuhören und Konzentrieren, wenn vorgelesen wird, Mengenlehre, Rechnen mit Mengen, Formenlehre, Naturerscheinungen, Tanzen, Singen, Basteln, Körpererziehung usf.
Außerdem erlebten die Kinder Schulunterricht und lernten, wie sich mehrere Kinder konzentriert und diszipliniert mit einer Sache beschäftigen.

Diese erfolgreiche Vorschulerziehung wurde aus typisch konservativen, familienpolitischen Sichtweisen der CDU in Sachsen völlig aufgegeben.

Wer Glück hat, erwischt vielleicht eine Erzieherin der alten Schule, die ihren Kindergarten oder ihre Gruppe nach dem alten Bildungs- und Erziehungsplan der DDR führt.

Die meisten Kindergärten verdummen die Kinder lieber. Es wird nicht mehr erzogen, es fehlt die systematische Vorschule für 3jährige.
Und der Respekt fehlt auch: Bei uns hießen die Erzieherinnen „Frau Müller“, heutzutage reden die Kinder die Erzieher mit dem Vornamen an und mit „Du“.

Da braucht es einen nicht zu wundern, wenn die älteren Kinder die Höflichkeit einer Axt im Walde haben.

Vielleicht sollte man den neumodischen Erziehern mitteilen, daß Lehrjahre keine Herrenjahre sind. Kinder brauchen Unterstützung von uns Alten, weil sie defizitär und unbeholfen sind. Es sind keine kleinen Demokraten, sondern hilflose, unmündige Menschen, die ohne die Hilfe vieler älterer Menschen im Handumdrehen verloren wären.

Ich zitiere

_Das Kind ist ein gesellschaftliches Wesen, das in der Wirklichkeit und nicht in seiner eigenen Welt lebt, und diese Wirklichkeit stellt bestimmte Anforderungen an das Kind, die es anfangs nicht allein, sondern nur mit Hilfe der Erwachsenen befriedigen kann.

Das Kind im Vorschulalter darf daher nicht in seiner Auseinandersetzung mit der Umwelt sich selbst überlassen bleiben. Die Entwicklung eines Kindes ist kein unhabhängig verlaufender Prozeß, sondern von der Umwelt abhängig und ist nur im Zusammenhang mit der Umwelt zu begreifen.

Die vorschulische Erziehung kann sich nicht in erster Linie darauf stützen, daß das Kind seine Aktivitäten in Spiel- und Beschäftigungsprozessen frei wählt. Es ist vielmehr notwendig, beim 3jährigen Kind beginnend, einen planmäßigen Bildungs- und Erziehungsprozeß zu gestalten, in dem dem Kind systematisch Eindrücke vermittet werden und der in seinen Zielsetzungen durch die Wirklichkeit der Umwelt bestimmt sein muß._

Netti Christensen, 1950

Wird heute generell weniger unterrichtet oder wird dieser Unterschied vollstaendig durch gesellschaftswissenschaftliche Faecher und Fremdsprachen kompensiert?

Es wird weniger unterrichtet und der Unterschied wurde teilweise ausgeglichen - mit Religion/Ethik und ein paar Stunden für Fremdsprachen.

Nach der Wende wurden die Stundenzahlen der POS und der EOS weitreichend verringert. Die westdeutschen Funktionäre drängten auf die Übernahme der Stundennorm aus den alten Bundesländern (30 Wochenstunden). Insbesondere in den unteren Klassen mußte die Stundenlast deutlich reduziert werden.

Die Westdeutschen meinten, die Kinder würden erheblich überfordert.
Nach den „Korrekturen“ der Stundentafel erfolgte deswegen eine erhebliche Verflachung der Lehrpläne in Deutsch und Mathematik. De facto sämtliche Inhalte, die es in den Lehrplänen der BRD nicht gab, wurden gestrichen.

Σ Pflichtstunden Unterstufe (1.-4. Klasse)

 Sachsen DDR DDR
 Grundschule POS POS
 heute 1959 1971

Deutsche Sprache\* 37 51 51
Mathematik 20 24 23
Werken 4 5 5
Schulgarten - - 4
Nadelarbeit - 2 -
Kunst 5 4 5
Musik 6 4 5
Sport 12 10 9
Fremdsprache 4 - -
Religion/Ethik 7 - -

 95 100 102

* Sachsen: Deutsch 27 Std. + Sachunterricht 10 Std.

In der DDR existierte kein Sachunterricht, sondern die Bezeichnung lautete Heimatkunde. Heimatkunde wurde 1955 eingeführt und stellte nie ein eigenständiges Fach dar, sondern wurde als Teillehrgang konzeptionell und methodisch in den Deutschunterricht eingeschmolzen.

Σ Pflichtstunden Oberstufe (5.-10. Klasse)

 Sachsen DDR DDR
 Gymnasium POS POS
 heute 1959 1971

Deutsche Sprache
 und Literatur 25 32 30

Mathematik 25 33 31
Physik 10 16 13
Chemie 7 12 10
Biologie 11 13 11
Geographie 10 11 11
Astronomie - 1 1
Technik 14 23 22

Fremdprache 22 24 23

Geschichte 11 11 11
Staatsbürgerkunde - 3 5
Gemeinschaftskunde 4 - -

Kunst 7 5 5
Musik 8 6 6

Sport 15 14 14

Religion/Ethik 12 - -

2. Fremdsprache 18 (13) (11)


 199 204 191
 (217) (202)

Die 2. Fremdsprache gehörte in der DDR nicht zum Pflichtunterricht der polytechnischen Oberschule, konnte jedoch fakultativ ab Klasse 7 besucht werden. Die Kinder, die nach der 8. Klasse auf die EOS wollten, mußten, wenn möglich, eine 2. Fremdsprache beginnen.

Geographie gehört nicht zu den MINT-Fächern, reinerlein

Ich weiß. :smile: Ich schrieb für die Tabelle eine kleine Bemerkung, die ich aber später löschte. Ich dachte, es würde keiner mitbekommen. :smile:

Richtig, Geographie ist heute keine Naturwissenschaft mehr.

Als ich in die Schule ging, verhielt es sich jedoch anders. „Erdkunde“ wurde naturwissenschaftlich gelehrt und durfte in der schriftlichen Reifeprüfung als naturwissenschaftliche Prüfung (5 Stunden!) ausgesucht werden. Mit der Lehrplanreform 1971 erweiterte die DDR die Schwerpunkte in ökonomischer und politischer Geographie, so daß sich die naturwissenschaftlichen Inhalte auf ~50% reduzierten.

Auf Grund des Kurssystems läßt sich die Erweiterte Oberschule leider nur indirekt der gymnasialen Oberstufe in Sachsen gegenüberstellen.

Inspiriert vom Fleiß, den miezekatze zeigte, habe ich meine Stundenpläne aus meinen alten Schülertagebüchern gleich lesefreundlich in Zahlen umgeschrieben. :wink:

 POS EOS
 B-Zweig

Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12


Deutsche Sprache
und Literatur 8 12 14 16 8 6 5 5 5 4 4 4

Mathematik 5 5 6 6 6 6 6 5 5 5 6 5
Physik 3 3 3 3 3 3 3
Astronomie 1+1
Chemie 2 3 2 3 3 3
Biologie 3 2 2 2 2 3 3 3
Erdkunde 2 2 2 2 2 2 1 1

Werken 1 1 1 2 2 2
Nadelarbeit 1 1 1
TZ 1 1 1 1
UTP 3 4 4 4 4 4

Russisch 5 5 4 3 3 3 3 2
Englisch 2 2 3 2

Geschichte 1 2 2 2 2 2 2 3
Staatsbürgerkunde 1 1 1 1

Kunst 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Musik 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Sport 1 1 2 3 3 3 2 2 2 2 2 2


Σ Pflichtstunden 17 21 26 30 33 33 34 34 36 37 37 37

+ Englisch 4 4 

+ gesellsch.-
nützl. Tätigkeit 2 2 

Abkürzungen: Technisches Zeichnen (TZ), Unterrichtstag in der Produktion (UTP), gesellschaft-nützliche Tätigkeit (Arbeits- und Produktionseinsätze)

Die Stundentafel ist im Grunde ein Flickwerk aus vielen unterschiedlichen Stundentafeln, denn meine Schule existierte bei meinem Schuleintritt (1954) in Form einer Grundschule, wurde später Mittelschule (1956) und schließlich polytechnische Oberschule (1959); die amtliche Stundentafel änderte sich jährlich mitsamt einer Fülle von Übergangsregelungen. Meine Eltern erhielten immer viele Durchschläge, Schreiben und Übersichten in den Elternabenden.
Ab der 6. Klasse wurde es nach unaufhörlicher Schulreformerei ruhig.

An der EOS fiel unsere B-Klasse unter eine Übergangsstundentafel, da sich der Ausbau der alten Oberschule in eine erweiterte Obeschule hinzog. Des weiteren genoß die Schule eine Sonderlehrgenehmigung für +1 Stunde Astronomie in der Klasse 12, weil die Schule über ihren eigenen Astronomieturm (Observatorium) verfügte. Der Fremdsprachenunterricht in Englisch mußte wegen Lehrermangels in der 10. und 12. Klasse reduziert werden, und zwar jeweils -1 Stunde. Das gleich widerfuhr Russisch in der 12. Klasse, -1 Stunde.

Während meiner Schulzeit auf der EOS wurde neben dem Abitur eine Berufsausbildung absolviert. Die 4 Wochenstunden für UTP flossen deswegen vollständig in die „berufliche Grundbildung“ und wurden für berufstheoretischen und berufspraktischen Unterricht eingesetzt.

Hier das G9 der Hohenzollern zum Vergleich. :smile: Auch das neunjährige mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium mit Bummelabitur schwächelt.

http://www.ls-bw.de/allg/lp/stgysn.htm

Und der erste G8-Versuch damals war auch nicht das Wahre.

http://www.ls-bw.de/allg/lp/stgy8n.gif

Die DDR achtete auf eine sehr straffe Organisation des Schultages.

Eine Schule in der DDR beschäftigte immer ausreichend viele Lehrer, damit möglichst in keinem Stundenplan irgendeiner Klasse eine Freistunde nötig wurde. Das Ministerium für Volksbildung bezeichnete diese Struktur als „Schule mit festem Tagesablauf“. Die Kinder sollten in allen Klassen montags bis sonnabends zur gleichen Uhrzeit Unterrichtsende haben. (Es fiel nämlich einigen Psychologen auf, daß in Schulen, die den Unterricht hintereinander organisierten, der Schulalltag ruhiger verlief, die Kinder sich auf das Lernen und die Lehrer sich auf den Erziehungsprozeß konzentrieren konnten. Diese Schulen erzielten in den Schulüberprüfungen höhere Ergebnisse.)

Sicherlich funktionierte diese Struktur nicht immer perfekt, denn schließlich herrschte chronischer Lehrermangel, der erst in den 80ern kompensiert werden konnte.

Der Punkt ist: Verglichen mit der anorektischen CDU-Politik in Sachsen, wurde trotz der wirtschaftlichen Zwänge viel mehr im Bildungssystem bewegt.

Die hohe Lehrerzahl ließ außerdem den Stundenausfall de facto völlig verschwinden. Während meiner Schulzeit hatte ich 0 Stunden Unterrichtsausfall (die leichten Stundenreduktionen in den Sprachfächern nicht berücktsichtigt). Unsere Kinder hatten in ihrer Schulzeit ebenfalls 0 Stunden Unterrichtsaufall.
Wenn ein Lehrer seinen Unterricht nicht erteilen konnte, ist ein anderer Fachlehrer eingesprungen. Fachfremde Vertretung wurde gemieden, wie der Teufel das Weihwasser meidet.

Auch das Schuljahr wurde straffer organisiert, aber das soll hier nicht betrachtet werden…

ganztags in der Schule

Richtig. Der Unterricht fand vormittags statt, nachmittags durften die Schüler die „außerunterrichtliche Tätigkeit“ besuchen. Es handelte sich um eine Unmenge qualitativ sehr guter Arbeitsgemeinschaften und Interessenszirkel.

1960 (1975) betätigten sich 65% (85%) der POS-Schüler und 59% (80%) der EOS-Schüler außerunterrichtlich. Als sehr beliebt galten die künstlerisch-musischen Arbeitsgemeinschaften, gefolgt von den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Arbeitsgemeinschaften mit teilweise sehr hohen Mädchenquoten (> 50%).

Außerdem beteiligten sich 82% aller Schüler im organisierten Freizeitsport/ Kindersport.

Etwa 77% der Arbeitsgemeinschaften wurden von Pädagogen geleitet, die restlichen 23% entfielen auf Spezialisten wie Ingenieure, Bildhauer, Musiker etc.

Die EOS konnte des weiteren spezielle Arbeitsgemeinschaften bieten, die in Form eines Kursunterrichts abliefen. (Später entstand aus diesen Arbeitsgruppen der „fakultative Unterricht“.)

Die EOS, die ich besuchte, hatte bspw. sehr viele Arbeitsgemeinschaften für Mathematik und Naturwissenschaften eingerichtet:

Stochastik,
Angewandte Matrizenrechnung,
Algebraische Strukturen,
Logik,
Nichteuklidische Geometrien,
Projektive Geometrie,
Elementare Zahlentheorie,
Mathematik des Altertums,
Fehlerrechnung und Ausgleichsrechnung,
Kugelgeometrie, Navigation und mathematische Himmelskunde,
Geodäsie und Kartographie,
Physik des Erdinnern,
Physik der Erdatmosphäre,
Gesteinskunde,
Klima und Erdgeschichte,
Kosmologie und Planetenkunde,
Festkörperphysik,
Elektronik,
Chemie des Erdöls,
Chemie des Wassers,
Chemie der Metalle u.v.v.m.

Die künstlerisch-musisch interessierten Schüler konnten ähnlich viel machen.

Die Rahmenprogramme der Arbeitsgemeinschaften wurden von den Lehrern üblicherweise mit 2 Wochenstunden geplant. Einige Lehrer schufen die Arbeitsgemeinschaften aus Lehrstoff, der in der alten Oberschule zum Standard gehörte, im Lehrplan der erweiterten Oberschule jedoch entfiel.

Ich müßte noch einmal nachschauen, welche außerunterrichtlichen Tätigkeiten ich besuchte. Ich weiß aber, daß es sehr viel gewesen ist.
(Es gab ja auch soviel und alles war interessant.)

Außerdem sind diese Tabellen, die du hier postest, nur Zahlen.
Und diese Zahlen sind nicht aussagekräftig.

Diese Zahlen sind sehr aussagekräftig, denn mit diesen Zahlen sind entsprechende Lehrpläne verknüpft gewesen. Die polytechnische Oberschule wurde im wesentlichen konzipiert als Realgymnasium. Ein Forschungsbericht zum Mathematikunterricht der Universität Rostock hielt vor einigen Jahren fest, daß die DDR-Lehrpläne in Mathematik mindestens Gymnasialniveau hatten. Das gleiche gilt für die Naturwissenschaften und das Polytechnikonzept der DDR ist ohnehin ein Unikat gewesen. Auch die Sowjetunion hatte nichts Derartiges.

In Englisch hatte sie zwar genauso viele Stunden wie ihre bayerischen Mitschüler - trotzdem ist sie hinterher. In anderen Fächern hatte sie teilweise weniger Stunden - trotzdem weiß sie mehr.
Es hängt davon ab, was in den Stunden vermittelt wird.

Auf dem Gymnasium wird ach so toll unterrichtet - möchtest Du uns das erzählen? :smile:

Deine These gilt nur unter der Bedingung, daß keine der Schulen, die Du vergleichst, ein Optimum aus Stundenzahl und Methodik findet.

Was geschieht jedoch, wenn ich hohe Stundenzahlen und intensives Lehren kombiniere und darauf achte, den schlechteren Schüler genügend Hilfe zukommen zu lassen?

Ich würde eine integrative Schule schaffen, die für mindestens 80% der Schüler (teilweise) Gymnasialbildung bietet.

Wenn ich mir die bayrischen Lehrpläne betrachte, bestätigt sich der Eindruck, den ich immer wieder bei bayrischen Studenten erlebe: Stoff stur eingepaukt, aber nicht anwendungsbereit und schnell wieder vergessen. Ein Kenntnisunterschied zu den thüringischen oder sächsischen Studenten ist auch nicht zu identifizieren.

Stichwort Matthäus-Prinzip - ein Schüler muß den alten Stoff und die notwendigen Vorleistungen felsenfest beherrschen, sonst versteht er den neuen Stoff schlecht oder überhaupt nicht und die Lernfortschritte gehen zurück.

Wenn ich bspw. im bayrischen Mathematiklehrplan die Stundenwerte für viele Stoffgebiete sehe, bezweifle ich ernsthaft, daß in einer Klasse, die den Lehrstoff derart oberflächlich behandelt, irgendein Schüler systematisches, anwendungsbereites Können in Mathematik entwickelt. Die meisten Schüler können vielleicht Kochrezepte und auswendige Algorithmen in Standardaufgaben einsetzen, doch für mehr fehlt die Unterrichtszeit.

Einmal hören und gleich weitermachen ist etwas völlig anderes als Beweisen, problemorientiertes Denken und naturwissenschaftliche und polytechnische Anwendungsaufgaben lösen.

Mir braucht auch keiner erzählen, daß die Übung durch die Hausaufgaben erfolgt, denn wir hatten auch Hausaufgaben, und nicht zu knapp. Das Ministerium für Volksbildung legte die wöchentliche Last für Schularbeiten per Verordnung fest.

 Klasse Richtwerte für Schularbeiten
 (volle Stunden)


Unterstufe 1-4 6

Oberstufe 5-6 7
 7-8 8
 9-10 10


EOS 9-12 12

Soviel Hausaufgaben können vom Lehrer nicht aufgegeben werden, daß der Schüler die komplexen Übungen vollständig zuhause übt. Außerdem führt die Verschiebung solcher Unterrichtsbestandteile in die außerschulische Zeit dazu, daß sich eine Friß-oder-stirb-Atmosphäre entwickelt - das 100%ige Gegenteil dessen, was eine leistungsorientierte, dem Schulerfolg des Schülers verpflichtete Schule möchte.

Wichtig ist, daß vielfältig geübt, wiederholt und vertieft wird, mit den guten Schülern, mit den normalen Schülern, mit den schlechten Schülern und daß die Aufgaben erzwingen, Bisheriges anwenden zu müssen. Und mit 3 Wochenstunden Mathematik ist auch Bayern auf dem Holzweg.

Den Stoff im Eiltempo durchzupeitschen ist eine dieser typischen Irrungen und Wirrungen eines gegliederten Schulsystems, denn es ist nichts primitiver als der Schülerschaft die Pistole auf die Brust zu setzen und die, die eigentlich Hilfe brauchen, auf eine niedere Schule abzuschieben.

Geschickt ist es höchstens, einen solchen katastrophalen Zustand als „Niveau“ darzustellen.

Mir fällt auch auf: In den alten Ländern scheint es populär zu sein, einige Fächer zu lehren und im darauffolgenden Schuljahr auszusetzen. Bei uns wurden Fächer stets durchgängig unterrichtet. Das ist schon wieder dieses Thema: Matthäus-Prinzip, fehlende Wiederholung, fehlende Grundlagen, Stagnation. Wenn ich mir überlege, was Schüler vergessen und wieder mühsam aufgearbeitet werden muß, wenn ein Schuljahr lang nichts in einem Fach gemacht wird.

dass es sich […] nicht um eine Einheitsschule handelt

Wenn ich nach der Definition gehe, wie die DDR ihre Einheitsschule beschrieben hat, liegst Du richtig.

Eine Einheitsschule ist keine „eine Schule für alle“.

Der englische/walisische Oberstüfler, sofern er überhaupt akademische Fächer macht, ist ein Fachidiot.

Für mich sind westdeusche Abiturienten auch Fachidioten -

oder glaubst Du ernsthaft, ich akzeptiere für ein Schmalspurabitur mit Kurssystem den gleichen Wert wie für mein Abitur?

In Frankreich sieht es noch schlimmer aus.

Andere Länder, andere Sitten.
Franzosen und Sprache ist eine eigene Geschichte und daß Engländer überhaupt Fremdsprachen lernen, ist beachtlich. Wer die Weltsprache spricht, lebt ziemlich einfach.

Ich finde es interessant, daß Du Dich vor allem auf die Fremdsprachen einschießt. Meiner Meinung nach werden im gegliederten Schulsystem die Sprachen viel zu sehr betont, zuungunsten anderer Fächer.

Die Einheitsschule in Schweden funktioniert übrigens auch nicht mehr, seit mehr und mehr Ausländer kommen…

Das ist Problem der Integrationspolitik, nicht der Struktur der Einheitsschule. Siehe Frankreich.

Die Einheitsschule in Frankreich ist im Niveau nicht eingebrochen, wie populistisch immer behauptet wird, dagegen sprechen sehr gute Leistungen in Gegenden mit geringem Ausländeranteil.

Doch in Frankreich ist mit den Algeriern das gleiche geschehen, wie hier mit den Türken. Ghettobildung, Parallelkultur, fehlende frühkindliche Förderung (Sprache), Armut, Gewalt.

Meiner Meinung nach käme kein Schulsystem mit Ausländern besser zurecht als die DDR-Einheitsschule.

Nichts wäre in der DDR einfacher gewesen, als den 3jährigen Kindergarten für Ausländer gesetzlich zur Pflicht zu machen.
Nichts wäre in der DDR einfacher gewesen, als pro Kindergarten eine zusätzliche Erzieherin mit Spezialausbildung (Deutsch als Fremdsprache) einzusetzen.

Womit wir beim entscheidenden Punkt sind.

Die Einheitsschule der DDR ist ein abstraktes, systemtheoretisches Ordnungsprinzip - keine „eine Schule für alle“, die sozialistische Gleichmacherei betreibt.

Wenn ich z.B.

  • eine wohnortnahe Schule
  • kurze Schulwege ohne ÖPNV
  • einzügige vollausgebaute Tagesschulen
  • Schulen mit festem Tagesablauf
  • eine einheitliche Vorschulerziehung
  • Vergleichbarkeit der Noten
  • Vergleichbarkeit der Abschlüsse
  • Transparenz des Schulwesens für die Eltern
  • einheitliche Bildung für alle Kinder
  • gleichen Zugang zu guter Nachmittagsbetreuung für alle Kinder
  • einheitliche Lehrbücher
  • einheitliches Equipment in den Schulen
  • geringe Streuung des Niveaus von Schule zu Schule
  • Chancengleichheit
  • gute Lehrer für alle Kinder und nicht für Gymnasien
  • einen ruhigeren Schulalltag
  • langfristige Planungen
  • eine optimale Ausschöpfung der Investitionen
  • schnelle Regelungs- und Einflußmöglichkeiten

etc. etc. etc. möchte, gewinnt immer die Einheitsschule.

Zeichne Dir auf ein weißes Blatt viele kleine Kreise. Verbinde die Kreise irgendwie zufällig und benenne die Kreise anschließend mit „Gymnasium“, „Realschule“, „Hauptschule“, „Grundschule“.

Zeichne danach auf ein weiteres Blatt viele kleine Kreise und notiere für sämtliche Kreise „Basisschule“.

Ich kann nicht 4 oder mehr Schulformen in eine kleines Dorf bringen.

Ich kann nicht die Schulen im Gegenzug weitläufig verteilen, ohne Kinder zu benachteiligen.

Ich kann die Kinder nicht nach der 4. Klasse aussortieren und den schlechteren Schülern eine nachhaltige Hilfe aus einer Hand bieten.

Ich kann die Kinder nicht früh trennen, aber die Kinder in einer stabilen, beruhigten Lernumgebung lassen wollen.

Ich muß Lehrpläne immer 4fach entwerfen.

Ich muß Lehrmittel und technisches Equipment immer 4fach beschaffen.

Ich muß Lehrbücher mindestens 4fach konzipieren.

Ich muß die Lehrerausbildung vertikal gliedern und die Standesunterschiede der Schulen auf die Lehrer übertragen.

Ich muß einen allseitigen Bildungsbegriff mit Gewalt in seine Einzelteile zerlegen und hemme auf diese Weise nachhaltig die Talent- und Begabungsentwicklung aller Kinder. (Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teil.)

Aber die Fetischisten des gegliederten Schulsystem verstehen es einfach nicht (oder ignorieren es geflissentlich).

Die Einheitsschule beeinflußt den individuellen Lernerfolg des einzelnen Kindes relativ gering - es geht um ein Fundament, das das Leben in der Schule in alle Himmelsrichtungen leichter macht. Bei gleichen Investitionen ist die Einheitschule das organisatorisch leistungsfähigere und einfachere Modell. Lernergebnisse werden wesentlich durch die Randbedingungen beeinflußt und ein gegliedertes Schulsystem schafft maximale Unruhe bei minimaler Unterstützung.

Ich glaube weiterhin, dass das System für den Lernerfolg relativ
unerheblich ist

Siehe oben. Das bedeutet, wir könnten das unübersichtliche, unnötige Nebeneinander verschiedener Schulformen abschaffen.

Die Kämpfer des Gymnasiums vergessen auch immer, daß die Kinder, denen das Gymnasium verweigert wurde, auch gute Bildung möchten. Bayern ist mit Abstand unübertroffen in Sachen ungerechte und fragwürdige Trennung der Kinder - es maulen immer die gegen die Einheitsschule, die es auf das Gymnasium schafften.

Die einzige einigermaßen ordentliche Methode in Deutschland ist die

analytisch-synthetische Methode :smile:

Leselernmethode hat aber mal null mit der Lesekompetenz oder Rechtschreibkompetenz zu tun.

Ironie? Bestimmt. :smile:

reinerlein

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Hi,

die Vorreiter in Naturwissenschaften sind hier Bayern und Sachsen. […]

Beziehe mich da auf Deinen ganzen Absatz: Ich habe im vorigen Posting Bayern jetzt und DDR kurz vorm Mauerfall verglichen.

Ja, das stimmt, Kinder werden häufig als kleine Erwachsene gesehen heutzutage… Aber nur auf einigen Feldern, auf anderen sind sie plötzlich ganz klein und verletzlich

Schon kleine Kinder kriegen ihren eigenen Willen (auch wenn sie noch nicht genug Wissen und Erfahrung haben, um ihn begründet zu äußern). Und dann dürfen sie eben selbst entscheiden, was sie wann essen, wann sie ins bett gehen, wo sie ihren Wutanfall bekommen etc.
Aber man darf sie nicht verletzen - dass man sie körperlich nicht verletzt, müssen wir nicht diskutieren, und dass man niemanden erniedrigt und beeleidigt, auch nicht. Aber man darf ihnen eben auch nicht sagen, dass sie was falsch gemacht haben, oder dass sie schelchter sind als jemand anderes.
Ich erinnere mich wie du daran, dass wir in dem Alter ganz scharf daarauf waren, Noten zu bekommen, uns miteinander zu messen - solange die Eltern da nicht wertend eingreifen, ist das rein sportlicher Wettkampf. ERst in der Pubertät wird es verletzend, aber auch das gehört zum Lernen dazu.

Aber was gegen das schreiben lernen mit Bleistift und in Druckbuchstaben spricht, versteh ich nun wieder nicht…

Ich versteh nicht, warum man das erst so lernt (obwohl man ja nie wirklich so schreiben muss) und dannn auf Federhalter umsteigt… die meisten meiner Schüler (außer denen, die in Russland schreiben gelernt haben) krakeln mehr oder weniger schrecklich. Weil sie eben die frühe prägende ERfahrung mit dem Bleistift gemacht haben und mit den Druckbuchstaben - senkrechten Druck beim Schreiben ausüben und nach jedem Buchstaben absetzen. Den Umstieg auf das eher ziehen, im Winkel ansetzen und ein Wort ohne absetzen schreiben, das sie fürs Kursive können müssen, kriegen sie kaum hin. Aber die häßliche Schrift ist dsa bei weitem geringere, ja fast vernachlässigbare Argument (ok, schöne Schrift gefällt mir besser, aber wir wollen ja nicht nach Geschmack urteilen). Mein Hauptargument ist: Wieso bringe ich kindern etwas bei, was sie später nie wieder brauchen? Bzw jemand der schön kursiv schreibt, schreibt auch schöne Druckbuchstaben, wenn er sie denn mal braucht.
Das mit der Pünktlichkeit beim Gebäudewechsel: ideal - man hat ne Freistunde. Ohne Freistunde: hier ne Minute früher weg - fällt kaum auf, rennen, dort ne Minute spät, fällt auch kaum auf.

Kapiert mans beim ersten Mal nicht, ist man halt einfach zu blöd dazu und wird mit einem „Schaus dir daheim noch mal an - es ist doch völlig logisch!“ [etc.]

Da hatte ich gerade eine Diskussion mit einer unserer Chemielehrerinnen, die mich in meiner intuitiven Sicht bestätigt hat: Früh mit dem naturwissenschaftlichen Unterricht beginnen, und so bald wie möglich alle Naturwissenschaften anbieten (separiert, damit man sie als solche erkennt, nicht NuT oder wie das anderswo heißt). Dann kann man bei den Kleinen mit vereinfachten Dingen anfangen - nicht verkindlicht und übersimplifiziert a la „Clever! - Die Show, die Wissen schafft.“, sondern nur frei von der Mathematik, die man noch nicht drauf hat. Ich erinnere mich immer noch in bewegten Bildern an meine erste Chemiestunde, anfang der 7. Klasse. Der Lehrer kam rein, ein Reagenzglasständer voller Reagenzgläser, in einem großen eagenzglas eine klare Flüssigkeit, in der schwamm ein kleineres Reagenzglas, in dem kleinen Reagenzglas war auch eine klare Flüssigkeit. Das kleine war auch kürzer als das große. Das Große war mit Pfropfen verschlossen. Und dann hat er die Gläser umgedreht, und die Flüssigkeiten vermischten sich - wurden rot, blau, pink, in einem schneite es sogar! Und dann haben wir gesagt bekommen, dass wir in Chemie erfahren werden, warum das alles passiert. Spätestens am Ende der 10. Klasse (genauer erinnere ich mich jetzt nicht) wussten wir dann, dass da Säure und Base mit Thymolblau, Base mit Phenolphthalein, Iodidionen mit Silbernitrat. Auf dem WEge dahin haben wir nach und nach etwas von Stoffgemischen gelernt, was eine Reaktion ist, wozu das PSE da ist, wie man eine Reaktionsgleichung schreibt, was metalle, nichtmetalle, Edelgase, Halogenide… sind, wie hochöfen funktionieren, Säuren und Basen gelernt, von Salzen gehört und sie selber hergestellt, die ganzen Zahlen im PSE erklärt bekommen und benutzt, haben erfahren, was der ph-Wert ist usw… und dann viel später auch, wie die komischen Zahlen für den ph-Wert zustande kommen. Und das war der Beginn des GEsprächs mit meiner Kollegin gewesen: Warum regt sie sich so auf, dass MAthe und Chemie bei uns nicht genug aufeinander abgestimmt sind? um den ph-Wert zu verstehen, muss man wissen, was Logarithmen sind. In Chemie kommt bei uns (Bayern, 2010, FOS/BOS - in einem Jahr in Chemie und Physik von Null auf hundert) der ph-Wert dran, ´bevor der Logarithmus in Mathe dran war. Aber einem ca. 20jährigen kann man nicht einfach sagen, ph-Wert geht von 0 bis 14 und basta - der will wissen warum, und außerdem schreibt der Lehrplan vor, dass man es erklären muss. Ergebnis: Alle finden Chemie zu schwer, alle finden Physik (da ist es nämlich ähnlich) zu schwer, Mathe macht eh der Taschenrechner - wozu brauchen wir die Naturwissenschaften? Das frauenbild hilft dabei nicht wirklich, aber auch das wird dadurch beeinflusst. Die Mädels sind, wenn hier Physik und Chemie beginnen, schon fertig mit pubertieren (ca. 8. Klasse, da sind die schon fertig, während die Jungs grad anfangen). Jeder Funken naturwissenschaftliches Interesse, was sie vorher hatten, ist ungefördert zugrundegegangen, weil sie sich jetzt von den Jungs distanzieren wollen, und weil sie auch fleißig erzählt kriegen, dass man das als Mädchen nicht können muss. Ich bin durchaus der Meinung, persönlich, dass Mädchen nicht so naturwissenschaftlich begabt sind wie Jungs - aber wenn man die Kindheit so vrstreichen läßt und ihnen dann auch immer noch erzählt, sie könnten das nicht, UND die sache durch zu späten Beginn der Naturwissenschaften noch verschlimmert - kann ja nichts bei rauskommen.
Am Gymnasium ist das natürlich alles etwas entzerrt, aber das Grundproblem bleibt: Dadurch, dass man spät beginnt, entfällt der spielerische einstieg. Muss auch, weil ein Jugendlicher Gründe wissen will und sich nicht mit einfachen Erklärungen zufriedengibt (weil es entwicklungspsychologisch so ist, nicht, weil wir verzogen werden). Das bedeutet aber auch, dass sehr schnell sehr viel Theorie kommt, die auf null Grundlage bauen muss, und dann wirds theoretisch, trocken und öd - „zu schwer, braucht eh keiner!“

*schnitt*

pädagogische Undekbarkeit des Rechenmeisters etc - Noten dürfen aus Gründen des Datenschutzes anderen nicht mitgeteilt werden, außerdem sollen Schüler vor anderen niocht bloßgestelt werden (das Duell verlieren, sich als erster setzen müssen), und Lernen soll entspannt sein und kein WEttkampf - das gleiche Prinzip wie hinter dem Grundschüler-nicht-benoten. Ich habs im Ref kategorisch verboten bekommen. Aber als Schüler fand ichs cool :smile:

Das führt aber auch nicht zwingend zu Qualität… Siehe Frankreich.

Natürlich ist es ein ganzes System, inkl. Menschenbild und staatliche Investitionen, das zu den guten Ergebnissen geführt hat. Ich kann nicht ein Merkmal herausgreifen und sagen, dass das jetzt der Stein der weisen ist. Werner hat oben was von den „kleinen Genies“ geschrieben, die ja hätten produziert werden müssen, wenn alles so toll gewesen wäre, wie ich erzähle. niemand produzierte da jkleine Genies am laufenden Band, ganz im Gegenteil. Aber aus jedem wurde sein bestes rausgeholt, und was auch immer das war, war gut, und für ihn eine tolle Leistung. Ich / Wir sind mit einem ganz elitären udn trotzdem respektvollen Bild von uns selbst von der EOS gekommen: Wir gehörten zu den wenigen, die das Abitur geschafft hatten (3-4 aus 40 war so ungefähr die Rate derer, die nach der 10. zum Abi gingen). Das war etwas, was nicht jedem gelang, dafür musste man gut sein. Aber wir schauten nicht auf die herunter, die das nicht konnten. Die haben einen Schulabschluss gemacht und gute Berufe gelernt, manche machten Breufsausbildung mit Abitur (= Fachabitur). Und wir alle hatten in der schule auch gelernt, wie schwer, anstrengend und anspruchsvol manuelle Arbeit ist.
*vortrag ende* *finger aua*

die Franzi

Hi,

selten, eigentlich noch nie, hat mir jemand so aus dem Herzen gesprochen. Viel Detailkenntnis, eine begründete und auf ERfahrung basierende Ansicht, ohneRücksicht auf Verluste auf den Punkt gebracht - aber REcht hast Du. Ich schließe mich dir komplett an, auch, was die zu starke Konzentration auf die Sprachen an westlichen Schulen angeht, obwohl ich mir damit wuasi in den Fuß schieße. Aber auch in der DDR gab es ja Lehrer mit zwei Sprachen :wink:

Nur eine Notiz noch zu Deinem Beitrag: Du warst ein paar Jahre vor mir in der Schule, und da auch der Lehrplan in der DDR sich veränderte, hießen ein paar Fächer bei dir anders und es gab auch den einen oder anderen geringfügigeren Unterschied. Deswegen widersprechen sich unsere Angaben nicht, sondern ergänzen sich.

die Franzi,
die jetzt noch ein bisschen Sternchen verteilen geht.

Hallo,
ich muss jetzt vorsichtig sein, weil es immer gefährlich ist von hörensagen her zu argumentieren und individuelle (familiäre) Erfahrungen und Berichte natürlich keine allgemeingültige Basis sind, aber ich wage es mal.

Du erzählst von deinem Stolz. Aber du gehörst auch zu denen, die letztlich Gewinner waren, die den Leistungsansprüchen genügen konnten und nicht immer als erstes bei dem netten Notenwettkampf ausschieden. Du hast dich irgendwie als Elite betrachtet, weisst aber wohl zumindest jetzt - wenn du es vielleicht auch damals nicht bemerkt haben magst - dass die 10 %, die die EOS machten, keineswegs nur nach Leistungskriterien ausgewählt wurden. Dass andere hier nicht entsprechend ihrer Fähigkeiten, sondern entsprechend der Planvorgaben und weltanschaulicher Ausschlussgründe „umgesteuert“ wurden. Die Frustration und Fremdbestimmung die das bedeutet, hast du wahrscheinlich nicht (mehr) erlebt oder rückblickend etwas vergoldet.

Auch das von dir geforderte den „Kindern nicht zu Willen sein“ ist prinzipiell richtig, aber das fällt in einer Gesellschaft mit eindeutig vorgegebenen Werten auch leichter, als in einer pluralistischen Gesellschaft. Das mag hier Fluch sein, aber an anderer Stelle ist es auch Seegen. Ich weiß auch um die Probleme, die die 68er verursacht haben (damit meine ich jetzt nicht sowas wie Terrorismus), aber ich möchte auch nicht in die Zeit davor zurück und wenn ich mich erinnere, wie m.E. brutal mein Vetter und meine Cousinen in der DDR zum Teil erzogen wurden, dann vermisse ich das überhaupt nicht. Auch in meiner Kindheit ging es wesentlich strenger zu als heute, und mit solcherart disziplinierten Kindern konnte man sicher auch pädagogisch einfacher arbeiten, aber ich denke dahin führt kein Weg mehr zurück. Ich würde ihn auch mit meinen Kindern nicht beschreiten wollen.

Heutige Kinder sind Stressoren ausgesetzt, die es fürher nicht gab, weder im Westen noch im Osten. Ob die PTO und EOS auch mit Fernsehjunkies, Nintendo-DS-Kids, Familien-Patches, Klimakatastrophen-phobikern usw. gut zurecht gekommen wäre, wage ich zu bezweifeln. Ich beobachte in meiner Schulumgebung geradezu eine Explosion ernsthafter persönlicher Krisen bis hin zu stationären Aufenthalten in Psychiatrien (über Ritallin will ich gar nicht reden, das würde nur wütende Zurechtweisungen auslösen). Das sind Faktoren die kein Schulsystem der Welt auffangen kann.

Als Niedersachse, der gerade an den eigenen Kindern einen dilettantischen Menschenversuch im Bildungssystem erdulden muss, bin ich aber auch fast so weit zu sagen, dass alles besser wäre, als das jetzige Schulsystem. (Nebenbei bin ich selbst das Produkt einer idiotischen Lehrerausbildung).

Gruß
Werner

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Hallo!

Also ich fand zum Beispiel meinen späten Einstieg in die Chemie ganz gut, zumindest hab ich anorganische, was wir in der 11. gemacht haben, auch total kapiert. Es kann natürlich aber auch daran gelegen haben, dass wir als Sprachzweig-Klasse zum Großteil Mädchen waren (ich glaub 11 Mädels und 2 Jungs) und von einer Lehrerin unterrichtet wurden. Die hat auch von Anfang an gesagt: Ich weiß, dass die euch erzählt haben, ihr könntet das nicht. Ich geb euch den Rat: bevor ihr diese Haltung annehmt, probiert es wenigstens! Also hab ichs dann probiert - und war sogar richtig gut. Im nächsten Jahr dann nicht so, aber das lag zum großen Teil dran, dass die Lehrerin nicht erklären konnte (und das ist keine Ausflucht, bei der hats keiner kapiert, auch die vom Mathezweig nicht!). Mein Alptraum war Physik - das ging gar nicht, bis auf die absolut elementaren Grundlagen in der 8. Klasse hab ich da null kapiert, bis auf den Mausefallen-Autoantrieb und den Faradeyschen Käfig (weil der Physiklehrer den Versuch nicht hingebracht und das Spielzeugauto lichterloh gebrannt hat :smiley:). Inzwischen beginnt Physik glaub ich in der 7. Klasse. Chemie in der 8. oder 10. Und ich bin auch der Meinung, dass es den Schülern nicht schaden würde, wenn NuT eben Physik/Chemie/Biologie heißen würde - sind ja ohnehin 3 Stunden und man könnte das gut dritteln. Vielleicht würden sich Mädchen dann auch mehr dafür interessieren. Ich hab nämlich festgestellt, dass die oft NuT mögen, in der 7. dann aber sagen: Physik ist doof, NuT war viel interessanter!, obwohl Physik ja ein Teil von NuT ist…
LG, Sarah

Hallo!

Als Niedersachse, der gerade an den eigenen Kindern einen
dilettantischen Menschenversuch im Bildungssystem erdulden
muss, bin ich aber auch fast so weit zu sagen, dass alles
besser wäre, als das jetzige Schulsystem.

Was passiert denn schreckliches in Niedersachsen?

(Nebenbei bin ich selbst das Produkt einer idiotischen Lehrerausbildung).

Ja, aber die wird ja auch nur verschlimmbessert. Der Bachelor ist der endgültige Tod des Lehrers…

LG, Sarah

Hi,

wollt Dir ja auch gar nicht an den Kragen, ich wollte nicht den Eindruck erwecken, es gäbe im Westen keinen, der Naturwissenschaften kapiert oder so.

die Franzi

Hallo!

Nene, das Gefühl hatte ich gar nicht. Diese Diskussion hat nur einen Denkprozess bei mir angeregt, und davon hab ich das meiste einfach mal hier aufgeschrieben…

LG, Sarah

Hi,

zu vielem, was Du geschrieben hast, möchte ich Dich an den Artikel verweisen, den Reinerlein oben geschrieben hat. Er sagt unter anderem, und dann auch viel detailreicher, dass in der DDR ebeneinfach viel mehr Geld in das Bildungssystm investiert wurde, damit bestimmte Probleme gelöst werden können - das würde auch viele der heute existierenden Probleme lösen, angefangen mit Stundenausfall bis hin zu (wie reinerlein geschrieben hat) den Defiziten, die ausländerkinder im Deutschen schon im Kindergarten haben. Aber ich muss (und kann) Reinerleins Artikel nicht neu schreiben.
Die Frage, die man sich stellen muss, ist, warum hier nicht so viel in Schule investiert wird. Es muss ja nicht gleich so viel sein wie in der DDR, aber ich vermute die Hälfte würde schon reichen. Genau qwissen wird man es nie, aber man sollte doch nach 20 Jahren wenigstens mal laut darüber nachdenken dürfen.

Ich bin mir bewusst, dass es auch Kinder gab, die in die EOS kamen, weil die Eltern in der richtigen Partei waren. Ich kann das aus eigenem Erleben nicht berichten - wenn ich es täte, würde ich lügen. Ich hatte auch in der Klasse niemanden, der so aufgefallen wäre (Sprich: eigentlich zu dumm, aber wegen Parteibuch mitgeschleppt). Meine Eltern waren übrigens nicht in der PArtei, nie. Meine Erfahrung an meiner eigenen Schule war, dass man bestimmte noten haben musste (welche weiß ich nciht mehr, ich hatte nur einser, außer Sport, Kunst und ESP, da warens Zweier. Mit nur Zweiern brauchte man allerdings nicht ankommen). Die Idee wr auch, dass gar nicht jeder zum Abi sollte. Man brauchte auch das Abi nicht, um eine Berufsausbildung zu machen.
Hier braucht man das Abi aufgrund, sagen wir, inflationärer Entwicklungen. Man schickt sein Kind zum Abi, damit es eine Chance auf ein Studium hatte und was besseres werden konnte (schon diese Bestrebung existierte in der DDR nicht - es reichte, was gutes zu werden, also einen Beruf zu lernen und Geld zu verdienen, es gab ja eine Garantie auf einen Arbeitsplatz. Warum jetzt im DEtail diese Karriereversessenheit nicht existierte, kann ich nicht sagen). Nicht jeder schafft es dann über den NC oder will dann immer noch studieren, also geht es doch ab zur Berufsausbildung. Da sticht man natürlich den ein oder anderen Realschüler aus. Dadurch wird es für Realschüler schwerer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das Gymnasium wird beliebter auch für Leute die eigentlich nciht studieren wollen - man möchte die Chancen auf den Ausbildungsplatz erhöhen. Dadurch entsteht der erste Teufelskreis.
Nächste Stufe: es entsteht ein Druck auf das Gymnasium. Mehr Leute wollen hinein, und da ja jeder REchte hat, und man es doch niemandem verbieten kann aufs Gymnasium zu gehen, werden die Eingangsvoraussetzungen und Versetzungshürden und Prüfungsanforderungen immer ein bisschen weiter gesenkt, ddamit es die, die es nun versucht haben, auch schaffen - das wäre doch unfair, sie erst hinzulassen und dann nicht weiterkommen zu lassen. Was mit der Qualität des Abis pasiert, kannst Du Dir denken.
Aber auch die Quaalität der Realschule sinkt, weil ja jeder, der irgendwie kann, aufs Gymmi flieht. Ein REalschulabschluss ist also immer weniger wert. und der Hauptschulabschluss schon gar nichts mehr, weil ja so viel Gymnasiasten auf die Stellen drängen, was will man da mit einem popeligen HS-Abschluss?
Ich kenne das nicht, dass die Schule die Anforderungen nach den Schülern gerichtet hat. Die EOS hat ihre anforderungen gestellt, die bemaßen sich danach, was man fürs Studieren braucht, und basta. Schulabschluss hatte jeder, der an der EOS war, Arbeitsplatzangst gab es keine, und Studieren war sowieso nur für wenige - nicht wg Partei und so, sondern wegen der benötigten Zahl Akademiker.
Es herrschte uch ein anderes Menschenbild im Hinblick aufs Lernen und auf Begabungen: Lernen ist wie Singen, oder sprinten … es ist eine Begabung, eine Fähigkeit, die Leute in unterschiedlichem Maße beherrschen. Manche schaffen das mit dem schnell lernen und abstrakt denken und selbständig theoretisch arbeiten eben nicht so gut, und manche können es richtig gut. Letztere machen das Abi, erstere nicht. Ich habe manchmal dasGefühl, dass man im Westen an den Nürnberger Trichter glaubt: man könne Schüler einfach mit Wissen befüllen - wenn ich aufs Gymmi gehe, sitze ich drin rum und dann kann ich alles, und weil ich das Abi habe, kann ich dann auch studieren und auch das Arzt / Ingenieur ( REchtsanwalt-sein kann ich einfach lernen, wenn ich nur fleißig genug bin. Es kommt doch niemand auf die Idee, er könnte Deutscher Meister über 100m Freistil werden, wenn er nur genug trainiert … aber mit dem Lernen soll das funktionieren? Wir sind verschieden, auch in der Fähigkeit, zu lernen und abstrakt zu denken. Wir unterscheiden uns vor allem in der Geschwindigkeit, und das alleine reicht aus, um ein Studium zu verhindern. Ich habe genug solcher Schüler vor mir, die glauben, sie müßten sich nur intensiv genug hinsetzen, dann klappt das schon. … :frowning: es klappt nicht, und ich weiß nicht, warum man Kindern solche Rosinen in den kopf setzt - warum quälen sich einige so mit dem Fachabi, lauter Vierer auf dem Zeugnis, aber auf dem Weg in die 13. zum allgemeinen Abitur, und die 13. wird noch schwerer… dabei haben sie eine solide Berufsausbildung und leben in dem Teil DEutschlands mit der niedrigsten Arbeitslosenquote. Traumhafte Zustände. Ich verstehe es wirklich nciht, und die Schüler tun mir tatsächlich leid. :frowning:

Nochmal zurück zum einfluss der Eltern auf das schulische Fortkommen der schüler: Ich wiederhole nochmal, ich habe später (nach der Wende) gelernt, dass es sowas gab, bei mir und in meinem Umfeld (Mitschüler an beiden Schulen) war das nicht so, und du musst mir das bitte glauben. Hier aber erlebe ich es … da nahmen Eltern Einfluss auf die Gestaltung meines Unterrichts - ich, der Fachbetreuer, der Direktor wissen, dass die Eltern methodischen Unsinn von mir verlangen, aber ich muss mich beugen, „weil die Eltern immer viel spenden“. Ist das jetzt besser? Ich sollte ein brves Kind sein und sagen, ja, es ist besser, denn die Wirtschaft ist heutzutage wichtig. Ich kann genug Kreide fressen, ich hab sie ja täglich vor mir.
Ich kann nur ein Viertel der Bitterkeit in diese Zeilen legen, die ich tatsächlich fühle. Warum muss ich mir immer von Leuten, die niicht inder DDR gelebt haben, erklären lassen, wie es dort funktionierte? Warum muss ich mich dafürrechtfertigen, dass ich ebenzumindest manchmal nicht dem Klischee entspreche? WErner, ich weiß, du machst dsa nicht mit absicht, zumindest hoffe ich das sehr. Aber es macht mich trotzdem so … ich weiß nicht.

die Franzi

Hallo!

Was passiert denn schreckliches in Niedersachsen?

Das würde lang werden. Es ist aber mit wenigen Ausnahmen ein Cocktail aus nicht exklusiven Zutaten, wie sparen, sparen, sparen.
Aus Lehrersicht würde ich aber als Kernproblem die Reformeritis nennen und eine daraus folgende erhebliche außerunterrichtliche Belastung.
Für die Schüler stehen m. E. als Problem im Vordergrund die Rückkehr zum steinzeit-dreigliedrigen Schulsystem mit geschwächten Grundschulen, Schulzuweisung nach der vierten Klasse, die de Facto Abschaffung von integrierten Gesamtschulen und für die Gymnasien natürlich das allseits beliebte G8 mit seinem Rattenschwanz an Problemen.

Gruß
Werner

Hallo,

kurzum: Lebe in Sachsen, Abitur in Sachsen, mit dieser schulischen Situation mehr als zufrieden, hätte es mir nicht besser wünschen können, auch in der Zeit des Umbruches die noch mitbekommen habe. Nicht zuletzt auf Grund jüngerer Geschwister.

Ich rede von allem, aber nicht von Grundschulen. Die Sondergenehmigungen meines RSA bezogen sich auf Unterzügigkeit, es wurden also vollgestopfte Klassen genehmigt auch wenn die Anzahl dieser Klassen für das aufmachen einer Klassenstufe nicht gereicht hätte, darum waren die Klassen der geburtenschwachen Jahrgänge bei uns voller als vorher. Mein „Gymi“ war auch in einem Dorfkaff (bzw. Dorf-Stadt-Kaff). Diese Erfahrungen werden auch von anderen Familien in anderen ländlichen Gegenden aus Sachsen gedeckt - jedoch nichts in der Nähe von Chemnitz. Ich kann mich nicht im entferntesten erinnern, jemals auch nur von einer 14-Schüler-Klasse gehört zu haben. Die Schüler aus meinem Bezirk hatten also alles andere als flexible Individualförderung.

Ich finde meine Anspielungen eigentlich nicht schwierig. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass ich mit der schulischen Situation wesentlich besser klar kam als mit der Einsparhaltung der sächsischen Universitäten. Wenn eine Uni keine private Stiftung an der Backe hat (wie FG) ist es im Gegensatz zur Schule mehr als drastisch zu merken wo gespart wurde/wird. Meine Schule hat in den letzten 30 Jahren in keinem Fachbereich 60% des Personals abgebaut, von den Geräten ganz zu schweigen. Für mich fällt das auch unter Bildung, auch wenn sich das etwas vom PISA-Test entfernt. Ich finde es nicht verkehrt dies anzusprechen, gerade weil ich denke, dass es im vgl. dazu einigen Schulen noch sehr gut geht - natürlich gibt es auch das Gegenteil. Auch sind die Situationen für Lehrer sicherlich nicht die Besten, jedoch ist es auch nicht so, dass alle anderen Berufsstände gerade in einer riesigen Polonaise durch die Straßen ziehen.

Grüße

Hallo!

Was passiert denn schreckliches in Niedersachsen?

Das würde lang werden. Es ist aber mit wenigen Ausnahmen ein
Cocktail aus nicht exklusiven Zutaten, wie sparen, sparen,
sparen.

Hm. Ich glaub, das gibts überall…

Aus Lehrersicht würde ich aber als Kernproblem die
Reformeritis nennen und eine daraus folgende erhebliche
außerunterrichtliche Belastung.

Dazu kann ich jetzt nichts sagen, ich unterrichte ja noch nicht selbst… Stimmt es, dass man mehr mit Bürokratie zu tun hat als mit dem eigentlichen Job?

Für die Schüler stehen m. E. als Problem im Vordergrund die
Rückkehr zum steinzeit-dreigliedrigen Schulsystem mit
geschwächten Grundschulen, Schulzuweisung nach der vierten
Klasse,

Also ich hab irgendwo, weiß aber leider nicht mehr wo, gelesen, dass es in Bundesländern mit verbindlicher „Empfehlung“ Migrantenkindern eher gelingt, aufs Gymnasium zu gehen als in solchen, wo die Eltern selbst aussuchen dürfen. Das hängt damit zusammen, dass in der Türkei und noch ein paar anderen Ländern das Wort des Lehrers Gesetz ist und sich auch viele Eltern, obwohl sie schon sehr lange in Deutschland leben, noch nicht mit dem deutschen Schulsystem auskennen…

die de Facto Abschaffung von integrierten
Gesamtschulen und für die Gymnasien natürlich das allseits
beliebte G8 mit seinem Rattenschwanz an Problemen.

Da bedingt doch das eine (also das G8) das andere, oder? bei meiner Tante an der Gesamtschule (Hessen) war das zumindest so.

LG, Sarah

Hallo,

anscheinend habe ich da irgendwelche negatriven Erinnerungen aufgerührt. Das wollte ich nicht und nach nochmaligem Lesen kann ich auch nicht erkennen wo ich dich unbewusst in eine „Ostschablone“ gezwängt haben könnte. Dafür lieferst du m. E. auch keinen Ansatzpunkt.

Allerdings lieferst du mir nun in gewisser weise selbst ein Systemübergreifendes-Klischee. Wie du schilderst warst du eine hervorragende Schülerin und bist darum wahrscheinlich mit minimalen Frustrationen durch deine Schullaufbahn gekommen.
Da fällt es natürlich leicht Schule gut zu finden. Egal in welchem System.
Ich bin zwar etwas krumm, aber letztlich auch mit Erfolg durch das klassische dreigliedrige System gelaufen und kann darum aus eigenem Erleben auch nur sagen: „Wieso, geht doch und hat sogar (auch mal) Spass gemacht.“
Das ist nur nicht repräsentativ.

Das weist auf ein weiteres Problem. Da Lehrer in der Regel selbst erfolgreiche Schüler waren, ist ihnen die Problemlage schwacher Schüler oft innerlich fremd. Eine Folge ist ja auch das ausgeprägte Begabungskonzept, dass vor allem bei Gymnasiallehrern vorherrscht.

Die Gründe dafür, dass ein Bildungssystem mit nur 10% Hochschulabsolventen nicht (mehr) funktionieren kann, sind dir aber sicher bekannt, oder?

Gruß
Werner

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Hi,

ich nehme Dir Deine entschuldigung ab, du hast mich zwar nicht verstanden, aber ich glaube Dir, dass es dir leid tut, und darum geht es ja.

Die Gründe dafür, dass ein Bildungssystem mit nur 10% Hochschulabsolventen nicht (mehr) funktionieren kann, sind dir aber sicher bekannt, oder?

Weil es dann nicht genug Akademiker gibt für die vielen Jobs, in denen man Akademiker braucht?
Du hast nicht gelesen, was ich geschrieben habe, und du weißt nicht genug über die DDR. Man brauchte für wahnsinnig viele Tätigkeiten, für die man jetzt ein studium braucht, in der DDR kein Studium. Daher brauchte man auch wesentlich weniger Abiturienten. Außerdem bedeutet Planwirtschaft nicht nur, dass vorherbestimmt wird, wovon wieviel produziert wird - damit wird auch die Anzahl der Arbeitskräfte, die man in einem bestimmten Bereich braucht, zumindest berechenbarer (ein Teilaspekt der Arbeitsplatzgarantie, die es gab, wie ich schon mal schrieb).
Außerdem gab es die Möglichkeit einer Berufsausbildung mit Abitur - 1 Jahr länger, mehr Schule, dafür Fachabitur. Aus meiner Klasse gingen 2 zum Abitur und mind 1 zum Fachabitur.
Diese Berufsausbildung mit Abitur wird gerade in Bayern unter dem Namen DBFH (Duale Berufsausbildung mit Abitur) als DIE Neuerfindung gefeiert. DEr Wahnsinn, sowas großartiges, mich haut es aus den Socken. Ist ja völlig neu!

So, ich hör jetzt auf, ich hab zu Deinen Fragen alles geschrieben, was ich sagen kann, und kann Dich jetzt erst mal lesen lassen.

die Franzi

Hallo!

Hm. Ich glaub, das gibts überall…

Ich habe hier keine Exlkusivität in Anspruch genommen. Wirklich herausragend ist wohl nur die Rückkehr zum lupenreinen dreigliedrigen Schulsystem (übrigens einer der seltenen Fälle, wo Politiker ihre Wahlversprechen wirklich gehalten haben).

Aus Lehrersicht würde ich aber als Kernproblem die
Reformeritis nennen und eine daraus folgende erhebliche
außerunterrichtliche Belastung.

Dazu kann ich jetzt nichts sagen, ich unterrichte ja noch
nicht selbst… Stimmt es, dass man mehr mit Bürokratie zu tun
hat als mit dem eigentlichen Job?

Im Mittel sicher nicht, aber Phasenweise hat man für Schüler kaum noch den Kopf frei. Das ärgerliche ist dass vieles davon so offensichtlich Schwachsinnig ist. Neben dem auch schon ziemlich sinnfreien einpflegen aller möglicher Reförmchen, in denen die Fächer Stundetafleln usw. immer mal wieder wahllos neu zugeschnitten werden, damit man nur ja nie dazu kommt, eine Unterrichtssequenz in einem zweiten Durchlauf vielleicht noch mal verbessern zu können, sitzt dann schon mal das ganze Kollegium stundenlang, sogar TAGELANG in TQM-Schulungen, Konferenzen und Dienstbessprechungen, in dem offensichtlich zum Scheitern verurteilten Versuch QM-Mechanismen der Industrie auf Schule anzuwenden. Dazu dann noch Projekt-, Steuerungs-, Auswertungs-, Befragungs-, Bereichs- und wwi-gruppen, die analysieren, formulieren, operationalisieren, dokumentieren, priorisieren, terminieren, evaluieren und schließlich … abheften.
Da werden an einer Schule ohne Übertreibung tausende Lehrerarbeitsstunden abgefackelt damit nach drei Jahren als Bilanz das Schwarze Brett ordentlich ist und für jeden Toilettengang eine Dienstanweisung hinterlegt ist. Der Lehrer ist ja ein EHDA-Faktor, wie meine Wirtschafts-Kollegen immer sagen. Den muss man in Kostenanalysen nicht berücksichtigen.

Für die Schüler stehen m. E. als Problem im Vordergrund die
Rückkehr zum steinzeit-dreigliedrigen Schulsystem mit
geschwächten Grundschulen, Schulzuweisung nach der vierten
Klasse,

Also ich hab irgendwo, weiß aber leider nicht mehr wo,
gelesen, dass es in Bundesländern mit verbindlicher
„Empfehlung“ Migrantenkindern …

Dazu kann ich dir gar nichts sagen. Ich wollte hier auch nicht das Fass Elternwille (der gilt hier immer noch) vs. Lehrerdiktatur aufmachen. Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Das Problem ist die viel zu frühe Selektion nach der 4.

die de Facto Abschaffung von integrierten
Gesamtschulen und für die Gymnasien natürlich das allseits
beliebte G8 mit seinem Rattenschwanz an Problemen.

Da bedingt doch das eine (also das G8) das andere, oder? bei
meiner Tante an der Gesamtschule (Hessen) war das zumindest
so.

Ja, hier auch. Zuerst hatten die Gesamtschulen (wie die Beruflichen Gymnasialen Oberstufen) noch Sonderrechte und machten das Abitur weiterhin in 13 Jahren. Da die Gesamtschulen aber von der Regierung ohnehin nur als Altlasten geduldet werden, und als deutlich wurde, dass viele Eltern ihre Kinder nun gezielt dorhin schicken wollten um dem Druck des G8 zu entgehen, hat man nun zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Diesen Weg zum G9 verbaut und gleichzeitig die Gesamtschulen vernichtet, ohne es formal beschließen zu müssen.

Gruß
Werner