Lieber Peter,
Hallo Hardey, deine Sicht ist sehr einseitig.
Sehr einseitig? Vielleicht kommt ein wenig davon, wenn man Leute kennt, auf die mit diesen Raketen gezielt wird. Dann fällt es sehr schwer, die Raketenangriffe zu verharmlosen und als das Vergehen Einzelner abzutun. Denn das behördlich geduldete Tun Einzelner kann jederzeit das Leben von Menschen kosten. Menschen, die dann sterben, Menschen, die man verliert, Menschen die dann weg sind.
Einseitig? Es gibt Diskussionskreise, wo ich mir anhören muss, ich wäre einseitig für die palästinensische Sache. Weil ich eine dezidierte Ansicht zur Siedlungspolitik und zur Frage der arabischen Minderheit in Israel habe und auch bei verschiedenen Aktionen der israelischen Armee kein Blatt vor den Mund nehme. Aber in einem bin ich rigoros: Terror, der blinde Mord unschuldiger Zivilisten, je mehr desto besser, wird durch keine Unterdrückung, keine Besatzung und kein erlittenes Unrecht gerechtfertigt. Ich gebe Israel jedes Recht, den Terroristen wirksam entgegenzutreten.
Israel hat eine sehr hohe Mitverantwortung an der Spirale der
Gewalt in Palästina.
Es greift jede Gelegenheit auf unverhältnismäßig zuzuschlagen.
Mit Bulldozern, Panzern und ihrer Luftwaffe wird zerstört, was
mit internationaler Hilfe (auch mit EU-Finanzierung) vorher
aufgebaut wurde. Der Angriff auf den Libanon war das beste
Beispiel.
Natürlich hat Israel eine Mitschuld an der heutigen Situation. Die große Mehrheit der israelischen Gesellschaft ist bei weitem nicht froh über manche Entwicklungen am Ende des letzten Jahrhunderts. Doch bei den Militäraktionen schwingt ein gewisses Maß an Hilflosigkeit mit: Wie soll dem palästinensischen Terror begegnet werden? Man hat schon alles ausprobiert: Vom Ignorieren und Weiterverhandeln bis zum harten, zerstörerischen Gegenschlag. In jedem Fall war das Ergebnis das Gleiche: Null!
Der Libanonkrieg ist übrigens wirklich ein gutes Beispiel, allerdings nicht nur für sinnlose israelische Zerstörungen (die gab es auch, wie in jedem Krieg). Nur steht außer Zweifel, dass am Beginn der militärischen Auseinandersetzungen ein unprovozierter Angriff der Hisbollah stand, nämlich gleichzeitig ein Übergriff auf israelisches Gebiet mit der Gefangennahme von 2 Soldaten und Raketenangriffe auf nordisraelisches Gebiet, nachzulesen in den Dokumenten von UNIFIL, die auch von mir hier irgendwo im Archiv zitiert sind. Israel hat es als richtig empfunden, den Angriff mit einer Gegenoffensive zu beantworten. Hier kann man fragen, war es angemessen und vernünftig, aber was ist in einem Krieg schon angemessen und vernünftig, bzw. ist es je gewesen.
Es hat keinerlei Interesse an einem palästinensischen Staat
vor seiner Haustüre. Es würde seinen Sicherheitsinteressen
entgegenlaufen. Israel hat Palästina von sich abhängig gemacht
(siehe Stromlieferungen in den Gaza), es trocknet darüber
hinaus den Gaza-Streifen und die Westbank wirtschaftlich aus
(die Arbeitslosigkeit ist schwindelerregend) und macht dadurch
gewollt die Existenz eines paläst. Staates unmöglich. Die
israelische Siedlungspolitik in Palästina, möchte ich dabei
garnicht erwähnen.
Wer heute in der Westbank von Hebron nach Nablus fährt, muss
an jüdischen Siedlungen vorbei- über unzählige israelische
Kontrollen fahren.
Ich habe mich schon manchmal gefragt, woher die gängige Ansicht stammen mag, die Israelis hätten kein Interesse an einem Staat Palästina. Ich sehe durchaus mehr Vor- als Nachteile für Israel (und es gibt Kompetentere als mich, die sehen das ebenso), wenn es einmal einen (friedlichen) palästinensischen Staat gibt. Das Hauptinteresse Israels gilt allerdings sicheren Grenzen und diese sind momentan von den Palästinensern nicht zu bekommen.
Rabin musste seine tragende Rolle bei den Friedens- und
Autonomiegesprächen mit den Palästinensern, die zu einer
Selbstverwaltung und langfristig zu einem paläst. Staat
geführt hätte, mit seinem Leben bezahlen.
Frieden wird es erst geben, befürchte ich, wenn Israel den
Staat Palästina zulässt und das wird erst am St.
Nimmerleinstag geschehen.
EIN jüdischer Extremist hat Rabin erschossen, eine Handvoll haben gefeiert, Millionen Israelis haben seinen Tod betrauert und tun es noch heute. Rabin war kein Einzelkämpfer.
Palästina wird es erst dann geben, wenn Israel es zulässt, da hast du sicherlich Recht, und Israel wird es erst dann zulassen, wenn die Palästinenser auf Gewalt und Terror verzichten. Bis dahin, auch da bin ich mit dir einig, wird noch sehr sehr viel Wasser den Jordan hinunterfließen.
Gruß
Hardey