Hallo Uwe,
Du meinst das, was heute als Dissoziative Identitätsstörung (DIS) bekannt ist. Zu dieser Störung habe ich ein Skriptum angefertigt, in dem ich viele Informationen aus der Literatur zusammengefaßt habe und das ich Dir im folgenden zur Verfügung stelle (5 Seiten).
Gruß,
Oliver Walter
Die Dissoziative Identitätsstörung
Klinisches Erscheinungsbild
Die Dissoziative Identitätsstörung zeichnet sich durch die Existenz von zwei oder mehreren Subpersönlichkeiten mit eigenen Erinnerungen, Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühlen aus. Zu einer bestimmten Zeit dominiert eine Subpersönlichkeit das Verhalten des Betroffenen. Gewöhnlich zeigt sich eine der Subpersönlichkeiten, die primäre oder Gastgeberpersönlichkeit, häufiger als die anderen. Die primäre Identität, die den Namen der Person trägt, ist oft passiv, abhängig, schuldig oder depressiv. Andere Identitäten sind oft gegensätzlich (z.B. feindselig). Sie werden so erlebt, als ob sie auf Kosten der anderen die Kontrolle übernehmen (die Identitäten haben Beziehungen untereinander, gelegentlich teilt eine mächtige Identität die aktive Zeit ein). Der Zeitverlust ist gewöhnlich das Symptom, aufgrund dessen sich die Patienten in Therapie begeben. Die Anzahl der Subpersönlichkeiten kann von 2 bis mehr als 100 reichen. Die Hälfte der berichteten Fälle beziehen sich auf Personen mit 10 oder weniger Identitäten. Die Subpersönlichkeiten können auch jeweils in Zweier- oder Dreiergruppen auftreten.
Der Übergang von einer Subpersönlichkeit zu anderen erfolgt gewöhnlich plötzlich und ist oft dramatisch (meist nach belastendem Ereignis oder künstlich induziert, z.B. durch Hypnose).
Drei Arten von Beziehungen der Subpersönlichkeiten
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wechselseitige Amnesie : keine Kenntnis der einzelnen Subpersönlichkeiten voneinander
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wechselseitiges Wissen : Kenntnis der einzelnen Subpersönlichkeiten voneinander (Gegenseitiges Hören, Miteinander Sprechen etc.)
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einseitig amnestische Beziehung : Dies ist das häufigste Muster. Es existitieren einige Subpersönlichkeiten mit Kenntnisen über die anderen (ko-bewußte Subpersönlichkeiten), die als „stille Beobachter“ die Handlungen und Gedanken der anderen Supersönlichkeiten beobachten, aber nicht mit diesen interagieren. Sie können sich manchmal, während eine andere Subpersönlichkeit dominiert, durch indirekte Mittel bemerkbar machen, z.B. durch akustische Halluzinationen (Stimme spricht) oder „automatisches Schreiben“.
Die Subpersönlichkeiten haben üblicherweise ihren eigenen Namen, was der „Tatsache“ gerecht wird, daß sich die Subpersönlichkeiten in verschiedenen Merkmalen voneinander unterscheiden.
Vier Bereiche, in denen sich Subpersönlichkeiten voneinander unterscheiden:
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Persönlichkeitsmerkmale (brav, tugendhaft, religiös, witzig, frech)
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Sozialdaten (Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Familiengeschichte)
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Fähigkeiten und Vorlieben (Autofahren, Instrumente, Fremdsprachen, Handschriften)
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Physiologische Aktivität (Aktivität des vegetativen Nervensystems, Blutdruck, Menstruationszyklus, Hirnströme gemessen durch EEG)
Häufigkeit der Störung
Die Störung wird meistens zum ersten Mal in der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter diagnostiziert. Allerdings wird angenommen, daß die Symptome sich bereits in der frühen Kindheit nach Mißbrauchserlebnissen ausbilden (üblicherweise vor einem Alter von 5 Jahren). Studien zufolge wurden 97% der Betroffenen in ihren ersten Lebensjahren körperlich, oft sexuell mißhandelt. Bei Frauen wird die Störung drei- bis neunmal so häufig diagnostiziert wie bei Männern. Die durchschnittliche Anzahl der Subpersönlichkeiten beträgt bei Frauen 15, bei Männern 8.
Die Störung ist selten, doch wird sie in neuerer Zeit v.a. in den USA häufiger als früher diagnostiziert (bis 1970: 100 Fälle publiziert; bis Mitte der 70er Jahre: 200 Fälle; Anfang der 80er Jahre: 400 Fälle). Man nimmt als Grund der häufigeren Diagnose an, daß die Störung für authentischer gehalten wird, während sie früher vielleicht häufiger als Schizophrenie diagnostiziert wurde (die Diagnose der Schizophrenie war früher eine übliche Restkategorie, wenn das Verhalten irgendwie seltsam war, man aber nicht so genau wußte, was man damit anfangen sollte).
Dennoch gibt es erhebliche Zweifel an der Validität der Kategorie der Dissoziativen Identitätsstörung. Man nimmt zum einen eine unabsichtliche Verursachung der Störung durch den Therapeuten (Iatrogenität) an. Dabei soll der Therapeut unterschwellig von der Existenz verschiedener Persönlichkeiten ausgehen oder sie im Zustand der Hypnose sogar erzeugen. Eine dritte Möglichkeit besteht in der Verstärkung des Verhaltens gemäß der Störungsdefinition durch erhöhte Aufmerksamkeit beim Zeigen von entsprechenden Symptomen. Weitere Hinweisw auf eine mangelnde Validität der Kategorie sind die häufigen Zusatzdiagnosen (z.B. Schizophrenie, Depression) und der häufig anzutreffende längere Kontakt (7 Jahre) der Betroffenen zu Gesundheitsdiensten vor der Diagnosestellung.
Erklärungsansätze für die dissoziativen Störungen
- Psychodynamische Ansicht
- Lerntheoretische Ansicht
- Zustandsabhängiges Lernen (state dependent learning)
- Selbsthypnose
- Autosuggestion
1. Psychodynamischer Erklärungsansatz
Dissoziative Störungen sind das Resultat extremer und dysfunktionaler Verdrängungsprozesse, die der Abwehr von Angst dienen.
Bei der Dissoziativen Identitätsstörung soll es sich um eine lebenslange, übermäßige Verdrängung handeln, die durch extrem traumatische Kindheitserfahrungen (insbesondere Mißhandlungen durch die Eltern) ausgelöst werden. Dabei findet eine symbolische Flucht in „andere Personen“ statt, die dem Geschehen aus sicherer Entfernung zusehen können. Dazu kommt die Furcht vor den Impulsen, die angeblich zu ihrer Mißhandlung führen, so daß sie sich bemühen immer „brav“ und „anständig“ zu sein. Immer wenn die verdrängten Impulse durchzubrechen drohen, werden sie anderen Persönlichkeiten zugeordnet. Dadurch soll es zu einer gehemmten, freudlosen Primärpersönlichkeit kommen, während die anderen Subpersönlichkeiten dreist und triebgesteuert sind.
Der psychodynamische Ansatz bezieht seine Bestätigung aus Fallgeschichten, in denen sich meistens brutale Kindheitserfahrungen finden. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen der Hintergrund nicht eindeutig auffällig zu sein scheint. Außerdem ist die Häufigkeit von Kindesmißhandlung viel größer als die der Dissoziativen Störungen. Es bleibt die Frage offen, warum nur ein kleiner Teil der mißhandelten Kinder dissoziative Symptome entwickeln.
2. Lerntheoretischer Erklärungsansatz
Bei diesem Ansatz wird die Dissoziation als eine durch operante Konditionierung erworbene Reaktion auf schmerzliche Erlebnisse angesehen, durch die Erleichterung aufgrund der Zuwendung zu anderen Dingen gefunden wurde (negative Verstärkung).
Der lerntheoretische Ansatz weist Ähnlichkeiten und Unterschiede zum psychodynamischen Erklärungsansatz auf:
Zum einen wird wie beim psychodynamischen Ansatz ein traumatisches Erlebnis als Ausgangspunkt angenommen und das Verhalten als Versuch der Angstreduzierung gesehen. Nach beiden Ansätzen besteht bei den Betroffenen keine Einsicht darin, daß die Reaktion der Angstreduzierung dient. Zum anderen sieht der lerntheoretische Ansatz das erste Auftreten der dissoziativen Symptome eher als zufällig an, während die Psychodynamiker sie bereits für zielgerichtete Versuche halten. Zudem ist der zugrundeliegende Prozeß für die Lerntheoretiker der der negativen Verstärkung und nicht der eines unbewußten Abwehrmechanismus.
Der lerntheoretische Ansatz mußte sich ebenfalls stark auf Fallgeschichten beziehen, die zwar mit den lerntheoretischen Hypothesen übereinstimmen, aber auch mit anderen Erklärungsmöglichkeiten. Die lerntheoretische Erklärung beinhaltet auch keine Aussagen, wie genau der Prozeß der zeitweisen Ablenkung von schmerzlichen Erinnerungen geschehen soll und wie er zu einer erworbenen Reakion wird. Außerdem ist nicht klar, warum nicht mehr Menschen dissoziative Störungen entwickeln, wenn doch temporäres Vergessen im Leben oft verstärkt wird. Die komplizierten Wechselwirkungen der Subpersönlichkeiten kann der Ansatz ebenfalls nicht erklären.
3. Erklärungsansatz durch das Konzept des Zustandsabhängigen Lernens
Beim Konzept des Zustandsabhängigen Lernens (state dependent learning) wird auf die Befunde eingegangen, daß die beste Erinnerung an Lerninhalte in einer Situation stattfindet, die der Lernsituation stark ähnelt.
Ausgangspunkt der Forschung zum Zustandsabhängigen Lernen waren Lernaufgaben von Tieren unter Einfluß von Drogen, wobei die beste Reproduktionsleistung dann gemessen wurde, wenn die Tiere unter Drogen waren (z.B. Pusakulich & Nielson, 1976). Forschungsarbeiten an Menschen zeigten später, daß das zustandsabhängige Lernen sowohl auf psychische als auch auf physiologische Zustände bezogen ist. Bei Menschen fand man z.B., daß die Stimmung auf das Lernen und die Reproduktion einen Einfluß hatte: Wenn unter fröhlicher Stimmung gelernt wurde, wurde unter fröhlicher Stimmung am besten reproduziert (Bower, 1981).
Das Zustandsabhängige Lernen wurde als Erklärung für die Dissoziative Identitätsstörung herangezogen: Unterschiedliche Erregungsniveaus rufen möglicherweise unterschiedliche Gruppen von Erinnerungen, Gedanken und Fertigkeiten hervor - also unterschiedliche Subpersönlichkeiten. Wenn die Erregungsniveaus sich stark ändern, können die während eines ähnlichen Zustands erworbenen Fähigkeiten hervortreten, während die unter einem anderen Zustand erworbenen verschwinden. Die abrupten Wechsel zwischen den Subpersönlichkeiten sprechen für diesen Ansatz.
4. Erklärungsanstz durch das Konzept der Selbsthypnose
Hypnose ist ein schlafähnlicher Zustad mit hohem Grad an Suggestibilität und verändertem Wahrnehmen, Denken und Handeln. Unter Hypnose ist es bei manchen Personen manchmal möglich, daß sie sich an scheinbar vergessene Ereignisse erinnern. Andererseits kann die Hypnose auch zum Vergessen von Tatsachen, Ereignissen und der persönlichen Identität führen, etwas, was als hypnotische Amnesie bezeichnet wird.
Das Untersuchungsparadigma zur hypnotischen Amnesie besteht aus dem Lernen einer Wortliste und der hypnotischen Instruktion zum Vergessen des Gelernten bis zum Aufhebungssignal (z.B. Fingerschnalzen). Die Experimente nach diesem Schema zeigen eine starke Beeinträchtigung der Reproduktionsleistung bis zum Aufhebungssignal. Außerdem ist das episode Gedächtnis stärker hypnotisch beeinflußbar als das semantische.
Die Parallele zu den dissoziativen Störungen ist leicht erkennbar: Es findet sich bei beiden ein vorübergehendes Vergessen mit späterer Erinnerung, ein Vergessen, das den Personen nicht bewußt ist, und ein leichteres Vergessen episodischer als semantischer Inhalte. Aufgrund dieser Parallelen wurde vermutet, daß Dissoziative Störungen durch Selbsthypnose zustande kommen: Die Betroffenen bringen sich unter Selbsthypnose dazu, negative Erinnerungen zu vergessen. Bei der dissoziativen Fugue soll sich das Vergessen durch Selbsthypnose auf die gesamte Vergangenheit und die Identität beziehen.
Manche Formen der Dissoziativen Identitätsstörung lassen sich ebenfalls mit Selbsthypnose erklären: Nach einem Bericht von Bliss (1980) von 14 Frauen, die unter Dissoziativer Identitätsstörung litten, waren alle Frauen leicht empfänglich für Hypnose und hatten eine lange Vorgeschichte möglicher Selbsthypnosen, die bis ins 5. bis 7. Lebensjahr zurückreichte. Dieser Bericht wurde durch weitere Studien bestätigt. Aufgrund dieser Untersuchungen gehen viele Theoretiker heute davon aus, daß die Störung in der Regel mit 4 bis 6 Jahren beginnt, da die Kinder in diesem Lebensalter sehr suggestibel sind und gute Hypnoseprobanden abgeben. Danach gelingt es manchen traumatisierten oder mißbrauchten Kindern, ihrer bedrohlichen Welt durch Selbsthypnose zu entfliehen, sich psychisch von ihrem Körper und dessen Umgebung zu trennen und sich ihren Wunsch, eine oder mehrere andere Personen zu sein, zu erfüllen.
Es gibt 2 Lehrmeinungen zur Hypnose, die jeweils unterschiedliche Implikationen für die dissoziativen Störungen haben.
Annahme I besagt, daß die Hypnose ein besonderer Prozeß oder Trance mit veränderter psychischer und physiologischer Reaktionslage ist. Es wird behauptet, daß
- Menschen mit dissoziativen Störungen sich selbst in innere Trance versetzen, während der sich ihr bewußtes Erleben und Verhalten signifikant ändert,
- ihr Vergessen während der Selbsthypnose automatisch und vollständig ist,
- ihre Bereitschaft zur Entwicklung neuer Identitäten (Fugue) oder verschiedener Persönlichkeiten (dissoziative Identitätsstörung) durch die erhöhte Fähigkeit zu unlogischem Denken, wie sie unter Hypnose auftritt, gefördert wird.
Einige Forscher behaupten auch, daß Menschen mit hoher, stabiler Suggestibilität Vorzugskandidaten für dissoziative Störungen sind.
Annahme II besagt, daß die Hypnose mit gewöhnlichen sozialpsychologischen Prozessen wie hoher Motivation, Aufmerksamkeit und Erwartung erklärt werden kann. Die Personen bemühen sich aktiv, die Anweisungen des Hypnotiseurs wörtlich auszuführen. Aufgrunf ihres Glaubens an die Hypnose erkennen sie ihren eigenen Beitrag nicht und geben statt dessen an, daß sie sich automatisch und ohne zielgerichtete Anstrengung verhielten. Danach sollen dissoziative Störungen darauf zurückgehen, daß sich die Betroffenen sehr wirkungsvoll selbst suggerieren, daß sie vergessen, phantasieren und diese Suggestionen ausführen müßten.
Unter Annahme II wird z.B. vermutet, daß sich leicht hypnotisierbare Menschen in entscheidenden Augenblicken eines Tests selbst ablenken und später ihre Aufmerksamkeit wieder bündeln können. Dies wurde in mehreren Studien überprüft: Bei diesen lernten Probanden einer Gruppe Wortlisten, wurden dann hypnotisiert und angewiesen, die Liste zu vergessen. Eine zweite Gruppe von Probanden lernte ebenfalls die Wortliste, wurde dann aufgefordert, die Wörter wiederzugeben, während sie eine ablenkende Aufgabe ausführte (in Dreierschritten rückwärts zählen). Das Ergebnis war, daß die nichthypnotisierten Probanden dieselben Gedächtnisprobleme im gleichen Ausmaß wie die hypnotisierten hatte. Andere Studien ergaben, daß sich bei unterschiedlichen Experimenten mit Schmerzreduktion, Halluzinationen und Zeitverzerrung nichthypnotisierte, aufgabenmotivierte Probanden ebenfalls dazu bringen ließen, sich wie hypnotisierte Probanden zu verhalten.
5. Autosuggestion
Hierunter fällt die Neodissoziationstheorie nach HILGARD (1974). Sie nimmt an, daß durch eine starke Identifizierung mit einer anderer Person eine stark verankerte Gedächtnisspur entsteht. Suggestive Prozesse und Wünsche führen zur Annahme dieser Person als eine Subpersönlichkeit. Die parallele Verarbeitungsform des Gehirns könnte voneinander unabhängige Bewußtseinsströme möglich machen.
Die Therapie der Dissoziativen Identitätsstörung
Spontanremissionen sind bei der Dissoziativen Identitätsstörung selten. Daher ist eine Therapie in fast jedem Fall notwendig. Das Therapiekonzept besteht darin, den Betroffenen zu helfen,
- die volle Tragweite ihrer Störung zu erkennen und zu verstehen,
- ihre Gedächtnislücken aufzufüllen,
- ihre Subpersönlichkeiten zu einer zu integrieren.
Therapieelement I - Störung erkennen
Zu Beginn wird ein therapeutisches Bündnis zwischen dem Therapeuten und jeder der Subpersönlichkeiten angestrebt. Es können auch Verträge geschlossen werden, um einem Abbruch der Therapie, Selbstschädigungen oder Suizid vorzubeugen. Oft sind diese Bündnisse nicht leicht herzustellen, was auf das durch den Mißbrauch zurückzuführende Mißtrauen der Subpersönlichkeiten gegenüber anderen zurückzuführen ist.
Für die Patienten ist es meistens schwierig, die volle Tragweite ihrer Störung zu erkennen, weil sie sich oft niemals dem Umstand gestellt haben, daß sie in mehrere Subpersönlichkeiten zerfallen. Dies wird z.T. durch die gegenseitigen Amnesien der Subpersönlichkeiten untereinander zurückgeführt. Daher ist es wichtig, daß sich die Patienten bewußt werden, daß sie mehrere Subpersönlichkeiten beherbergen. Dies kann z.B. durch Vorstellen der Subpersönlichkeiten untereinander in der Hypnose oder auch durch Videovorführungen der Subpersönlichkeiten geschehen. Die Erkenntnisprozeß ist meistens mit starken emotionalen Belastungen für die Patienten verbunden.
Viele Therapeuten meinen, daß eine Gruppentherapie in diesem Fall sinnvoll ist, weil die Betroffenen merken, daß sie nicht allein mit ihrer Störung sind. Außerdem wird häufig eine Familientherapie durchgeführt, um die Ehepartner, Kinder und Angehörigen über die Störung zu informieren. Die Angehörigen können außerdem oft wertvolle Informationen über die Subpersönlichkeiten beisteuern.
Therapieelement II - Erinnerungen wiederfinden
In diesem Therapieabschnitt werden viele der Techniken eingesetzt, die auch bei anderen dissoziativen Störungen angewendet werden (psychodynamische Therapie, Hypnotherapie und Barbiturate). Das besondere Problem bei der Dissoziativen Identitätsstörung besteht darin, daß die Erinnerungen nicht nur durch die eine Subpersönlichkeit vergessen wurden, sondern daß sie zu anderen Identitäten gehören. Es gibt oft „Beschützer“-Subpersönlichkeiten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Primärpersönlichkeit vor den traumatischen Erfahrungen zu bewahren. Wenn sich die Primärpersönlichkeit an diese Erfahrungen erinnern soll, dann setzen besonders diese „Beschützer“-Subpersönlichkeiten dem therapeutischen Bemühen Widerstand entgegen. Es kommt manchmal vor, daß die Patienten selbstdestruktiv und gewalttätig werden, wenn in der Therapie Erinnerungen aufgedeckt werden, so daß eine stationäre Aufnahme notwendig wird.
Therapieelement III - Integration der Subpersönlichkeiten
Das endgültige Therapieziel besteht in der Integration der Subpersönlichkeiten in eine. Die Integration ist ein kontinuierlicher Prozeß, der sich während der Therapie nur dann vollzieht, wenn die Grenzen zwischen Subpersönlichkeiten durchlässig werden, so daß der Betroffene schließlich ständig die Kontrolle über seine Verhaltensweisen, Gefühle und Gedanken hat. Die letztendliche Verschmelzung aller Subpersönlichkeiten zu einer wird als Fusion bezeichnet (feindliche Übernahme?). Der Integration begegnen die Subpersönlichkeiten meistens mit Mißtrauen oder vollständiger Ablehnung, weil sie die Integration mit ihrem Tod gleichsetzen.
Für die Integration wurden eine Reihe von Ansätzen vorgeschlagen, u.a. psychodynamische, unterstützende, kognitive und medikamentöse Therapie. Auch Selbstsicherheitstraining kann angewendet werden, so daß der Betroffene lernt, seine Wut auf eine funktionalere und befriedigendere Weise auszudrücken, was manchmal zu einem Verschwinden der aggressiven und feindseligen Subpersönlichkeiten führen kann. Manche Therapeuten nutzen aber auch Diskussionen und Interaktionen zwischen den Subpersönlichkeiten, so ähnlich wie in einer Gruppentherapie.
Nach einer Fusion der Subpersönlichkeiten muß die Therapie fortgesetzt werden, um die integrierte Persönlichkeit zu festigen und die sozialen und Bewältigungsmechanismen zu entwickeln, damit keine weiteren Dissoziationen auftreten. Ohne die fortgesetzte Therapie besteht die Gefahr eine erneuten dissoziativen Reaktion auf zukünftige akute Belastungen.
Evaluation der Therapie
Die Therapie ist meistens langwierig, ihre Wirksamkeit umstritten. So berichten einige Therapeuten von hohen Erfolgsraten, während andere von Widerstand gegen eine vollständige Integration bei den meisten Betroffenen sprechen. Einige Therapeuten stellen die vollständige Integration der Subpersönlichkeiten zu einer Identität auch in Frage, weil sie meinen, daß die Patienten eine zufriedenstellende Anpassung erreichen, wenn nur die schwerer gestörten Subpersönlichkeiten integriert werden.