Hallo Michael,
ich darf Yseults Antwort hoffentlich auch etwas vorgreifen…
Erbsünde hat
weder etwas mit Verantwortlichkeit, noch mit meinen Eltern
oder Vorfahren zu tun. Und ich mache schon grad gar niemanden
für gar nichts verantwortlich.
Da scheint es aber unter den Theologen keine einheitliche
Meinung zu geben.
In all diesen Diskussionen hier ist das eine der wichtigsten Erkenntnisse! Theologen müssen wie alle anderen Geisteswissenschaftler auch gar keine einheitliche Meinung haben!
Das Thema „Erbsünde“ gehört dabei in den Bereich der Dogmatik, deren Aussagen letztlich auf Interpretation der Bibel und der Bekenntnisse beruhen und innerhalb dieses Berzugssysstems rational und kohärent zu argumentieren sind.
Der Begriff der Erbsünde wird dummerweise in
den verschiedenen Lehren unterschiedlich ausgelegt. Wenn ich
mich recht erinnere, hat sogar Luther behauptet, alle Kinder
wären von Geburt an voller Sünde.
Grundsätzlich (!) gibt es zwischen der rk und der ev Konfession keinen Unterschied, was diese Behauptung angeht. Der Mensch findet sich immer als Sünder vor.
Mit der Taufe soll es nach
der christlichen Lehre dann aber zum Glück wieder gut sein.
Ganz so einfach ist es dann wieder doch nicht. Allerdings ist das Sakrament der Taufe das entscheidende.
In diesem Zusammenhang viel wichtiger (und konfessionell kontroverser)ist die Frage, wie der Mensch angesichts seines gegebenen SünderSeins zur Erlösung kommt. Kann er irgendetwas dazu selbst beitragen oder nicht.
In dieser Frage gibt es eine der größten Differenzen zwischen rk und ev (und das ist auch der Streitpunkt zwischen Erasmus und Luther gewesen). Luther übrigens selbst hat Erasmus gratuliert zu dieser Fragestellung (der Beitrag des Menschen zu seiner Erlösung), denn dies sei die einzig entscheidende Frage).
Ich will hier nicht zuviel über die rk Lehre schreiben, aber bei all der Aufregung hier ist es schon lustig, dass sich alle so sehr über die rk Kirche aufregen, wo doch die lutherische Position, dass der Mensch absolut nichts zu seiner Erlösung beitragen kann, die provokantere sein dürfte (aber vielleicht auch unbekanntere:wink:.
Dabei geht es hier ja nun erst einmal um die Frage, was bedeutet Erbsüunde bzw. was bedeutet die Aussage, dass der Mensch immer Sünder ist.
Hier ist schon zur genüge betont worden, dass es nicht um Tatsünden geht. Hier liegt aber auch das entscheidende Verstehenshindernis, denn die Begriffe „Sünde“ und „Schuld“ provoszieren insofern, als sich nun mal keiner schuldig fühlen will.
Christlich-theologisch (lutherisch) geht es jedoch um die schlichte Feststellung, dass der Mensch nicht Gott ist, insofern ist „Sünder“ ein synonym für „Mensch“. Die Diskussionen in diesem Forum um NÄchstenliebe und die Frage, ob man wirklich Altruist sein kann, zeigen eigentlich deutlich das gemeinte: Der Mensch wäre vielleicht gerne absolut selbstlos, aber er kann es nicht sein. Der Mensch würde vielleicht wirklich gerne jeden seiner Nächsten lieben, aber - allzu menschlicher - Ekel, Abscheu, Egoismus (!) hindern ihn daran, auf einen Obdachlosen ebenso freundlich zuzugehen wie auf einen guten Freund. Die Rechtfertigungsversuche und Uminterpretationen des NÄchstenliebegebotes nach dem Motto, erst sich selbst lieben, zeigen dabei deutlich, wie sehr der Mensch unfähig ist, zu lieben, was er spontan hässlich findet.
Augustin und Luther in seiner Tradition haben daher den Menschen als homo incurvatus in se ipsum bezeichnet, d.h. der Mensch ist in sich selbst verkrümmt, und als solcher wird er geboren.
Deswegen greift hier ein neuzeitliches und verkürztes Verständnis des Sündenbegriffs nicht.
Hierin liegt nun die christliche Hoffnung: Dass Gott das, was - hier auf dieser Welt - hässlich ist, so sehr liebt, dass es schön wird. Und vor Gott ist aber auch unsere UNfähigkeit selbstlos zu lieben, hässlich, das macht den Menschen zu einem Sünder, der sich aber auf die Hoffnung stützen kann, dass Gott ihm diese Sünde vergibt, ihn, theologisch gesprochen, gerecht spricht.
Bei diesem Verständnis hat dann auch der Erbsündenbegriff etwas befreiendes: Ich erkenne, dass ich nicht so (gut) handle, wie ich will. Aber ich darf darauf hoffen, dass es jemand anders für andere und für mich tut.
Gut, es ging im Ausgangsposting um die katholische Lehre. Aber
dann sag mir doch bitte, welche Religion denn nun die korrekte
Interpretation des Begriffs hat?
Da müssen wir alle auf’s Eschaton warten:wink:
Aber hier in dieser Diskussion geht es doch eigentlich nicht darum, welche christliche Konfession (!) die korrekte Erbsündenvorstellung lehrt, sondern es geht hier doch darum, die konfessionellen Definitionen derselben korrekt darzustellen.
Da beispielsweise der Begriff der Erbsünde nicht
allgemeingültig definiert ist, tut man sich nunmal ein bischen
schwer damit, etwas zu verstehen, dass jede religiöse Lehre
etwas anders auslegt.
Aber deswegen kann man dem ja auch nicht einfach ein „Ich stelle mir das so und so vor“ dagegenstellen. Gerade diese Diskussion zeigt ja, dass jeder eine andere Vorstellung von „Erbsünde“ hat. Wodis z.B. stimmt in keiner WEise mit der rk überein - der würde nun auch nicht wollen, dass ich ihm, sobal er eingesehen hat, dass die rk Vorstellung anders als seine ist, trotzdem unterstelle, seine sei rk…
- sie ist offtopic, da eine persönliche Meinung zu einer
Glaubensposition
Oh, in einem öffentlichen Forum darf man keine persönliche
Meinung haben. Ist das inzwischen generell so, oder gehört das
nur zur Netiquette des Religions-Brettes?
Darf man, würde ich sagen. Aber man sollte nicht eine Behauptung über eine Lehrmeinung aufstellen, die nachweislich falsch ist, und dann denen, die diese Lehrmeinung ja gar nicht haben, dies auch noch vorwerfen.
Meine persönliche Meinung (wie böse, eigentlich darf ich das
ja jetzt gar nicht sagen) wird mir doch wohl gegönnt sein. So
ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke doch nicht, wenn
der Mensch von allen nur erdenklichen Möglichkeiten zum
Verständnis der Welt die Unwahrscheinlichste gewählt hat.
Aber ein Zirkelschluss wird draus, wenn man, weil man etwas für grundsätzlich unwahrscheinlich hält, dies falsch darstellt.
- ihr fehlt das ‚priciple of charity‘ welches für ein
Verständnis der kritisierten Position unabdingbar ist
Aaaaaahhhja. Dunkel ist deiner Worte Sinn.
Das bedeutet das Prinzip der „wohlwollenden Interpretation“. Soll heißen: Man verlässt seinen eigenen Standpunkt und versucht, einen anderen Standpunkt zu verstehen, indem man ihm Rationalität und Nachvollziehbarkeit positiv unterstellt.
Diese Prinzip wird hier nicht nur nicht angewandt, sondern es mangelt ja schon daran, die Existenz des anderen Standpunkts überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
- sie bezieht sich vornehmlich (so wie ich es wahrnehmen kann)
auf alte Vorurteile, alte inquisitorische Bilder und hat mit
dem faktischen Ist-Zustand des katholischen Glaubens nichts zu
tun
Die Annahme einer Erbsünde betrachtest du doch nicht etwa als
zeitgemäß? Ach, was frage ich eigentlich. Ich erwarte sowieso
keine differenzierte Antwort.
Deine Frage lässt allerdings auch nicht auf Differenzierungsfähigkeit schließen. Allerdings: Wodis Definition von „Erbsünde“ ist tatsächlich insofern zeitgemäß, als es sie ja zu dieser Zeit gibt (eben von wodi). Sie ist allerdings historisch für keine Epoche des Christentums nachweisbar. Insofern ist wodi und seine Argumentationslinie hoffentlich nicht mehr zeitgemäß, sollten wir doch die Zeiten der Demagogie hinter uns gelassen haben und uns, z.B. mit Hilfe des Prinzips der wohlwollenden Interpretation, zu differenzierteren Formen des Dialogs vorgearbeitet haben.
Das von mir oben dargelegte Verständnis von Erbsünde halte ich persönlich(!) jedoch sogar für zeitlos, auch wenn sie sicherlich nicht für jeden plausibel sein muss.
Von dir hätte ich eigentlich etwas mehr Niveau erwartet,
zumindest, dass die Diskussion um ein Sachthema nicht sofort
auf eine persönliche Ebene abgleitet. Ging schneller als ich
gedacht habe, bestätigt aber leider mal wieder meine
Vorurteile gegenüber Gläubigen.
Vorurteile dürften per definitionem nicht bestätigbar sein.
Yseult hat hier auch ganz sicher nicht als Gläubige argumentiert. Sie hat versucht, Vorurteile gegen die rk Lehre aufzudecken und korrekt darzustellen.
Nähmen wir mal an, es ginge hier um Physik. Ich würde nun die Behauptung aufstellen, dass Physiker alles irre Weltzerstörer sind, weil sie die Quantenphysik erfunden haben. Nun würde sich jemand die Mühe machen und mir erklären, was Quantenphysik überhaupt ist.
Und ich sage dann: Du bist auch ein irrer Physiker, denn Du behauptest etwas, was meiner Vorstellung von Quantenphysik widerspricht! Damit ist mein Vorurteil gegen Physiker bestätigt!
Sorry für die Länge,
taju