Hunter-Typus und/oder ähnliches

Hallo!

Generell würde mich interessieren, ob der Begriff Hunter-Typus
bzw. Farmer nur ein Erklärungsmodell eines Wissentschaftlers
ist, oder ob es mittlerweile eine gängige Erklärung in der
Psychologie geworden ist ?

Nein, es ist nur ein weiterer Ansatz, um ADHD zu verstehen.

Gibt es vielleicht andere Erklärungen für dieses Verhalten ?

Es gibt eine Menge alternativer Sichtweisen.

Wie geht man am besten damit um ? (Die wichtigste Frage
überhaupt denke ich ! Nicht das ich mich ändern möchte, aber
ich möchte doch gerne die Vorteile optimieren und die
Nachteile vermeiden)

Wer ist „man“? Derjenige, von dem man sagt, er habe ADHD, oder diejenigen, die mit demjenigen konfrontiert sind, von denen gesagt wird, er habe ADHD?

Gibt es vielleicht einen Bezug zur Intelligenz ?

Aufmerksamkeit ist eine sogenannte Stützfunktion der Intelligenz. Wer Aufmerksamkeitsdefizite aufweist, schneidet im Intelligenztest durchschnittlich schlechter ab als derjenige, der sie nicht aufweist.

Woher kommt diese Verhalten ? Erziehung, Umfeld während der
Kindheit oder evtl. genetisch bedingt ?

ADHD ist eine Störung, die eine starke genetische Grundlage aufweist. Allerdings entwickeln sich um viele Symptome um ADHD herum erst deshalb, weil das ADHD-Kind aufgrund seines für die Umwelt (Eltern, Lehrer, Gleichaltrige) ungewöhnlichen Verhaltens Schwierigkeiten mit der Umwelt bekommt. Das ist die gängige Sichtweise. Die Farmer-/Hunter-Sichtweise hat den Charme, daß sie diesen zweiten Aspekt sehr stark hervorhebt, sie birgt jedoch auch die Gefahr, daß sie den ersten Aspekt verharmlost.

Gruß,

Oliver Walter

Hallo!

Ergänzend zum meinem vorherigen Posting möchte ich zwei Links angeben.

Der erste Link führt zu Internationalen Konsensus-Erklärung von Experten auf dem Gebiet der ADHD, in der sie erläutern, wie nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand in Medizin und Psychologie die ADHD angesehen wird.

Internationale Konsensus-Erklärung von führenden Wissenschaftlern zur ADS/ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
http://www.opti-mind.de/news/konsensus_09_12_02.html

Der zweite Link führt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Farmer-/Hunter-Modell. Das Fazit lautet:

"ADHD-Betroffene machen mehr Fehler in einer Aufgabe, indem sie irrtümlich zu impulsiv reagieren oder sich durch Störreize ablenken lassen. Außerdem brauchen sie länger, um aus gemachten Fehlern zu lernen und diese in Zukunft zu vermeiden(Sergeant & van der Meere,1988). Diese Eigenschaften scheinen sie in unseren Augen eben nicht für die Aufgabe eines „Jägers oder Kriegers“ zu qualifizieren. Zusammengefaßt entspringen deshalb diese Theorien einer regen Phantasie und sind nichts anderes als „nette Stories“. Sie suggerieren den angenehmen Gedanken, daß ADHD etwas ganz besonderes von einer anderen Dimension oder Qualität darstellt. Ernsthafte Untersuchungen zeigen jedoch, daß ADHD nichts anderes als eine extreme Position an den Grenzen einer Normalverteilung der Fähigkeiten von Inhibition und Selbstmanagement einer Bevölkerung darstellt. Die Einnahme dieser Position ist zudem eher unvorteilhaft. Wenn wir also die einfach-gestrickte populäre Vorgehensweise zur Erklärung von ernstzunehmenden Störungen und Krankheiten so annehmen, sind dann demnächst auch „Lernschwierigkeiten, Depression, Autismus und geistige Behinderung“ nichts anderes als die Folge einer Selektion oder Anpassung an die Natur, weil sie in der früheren menschlicher Entwicklungsgeschichte erfolgreich waren und jetzt leider hinderlich sind? Behauptungen wie diese von Hartmann und Shelley-Tremblay/Rosen sind gefährlich (ADHD, Jäger und Evolution: „Nette Stories zu ADS“).
http://www.opti-mind.de/news/barkley_12_07_99.html

Gruß,

Oliver Walter

Normierungszwang
Moin Walter

extreme Position an den Grenzen einer Normalverteilung der
Fähigkeiten von Inhibition und Selbstmanagement einer
Bevölkerung darstellt. Die Einnahme dieser Position ist zudem
eher unvorteilhaft. Wenn wir also die einfach-gestrickte
populäre Vorgehensweise zur Erklärung von ernstzunehmenden
Störungen und Krankheiten so annehmen, sind dann demnächst
auch „Lernschwierigkeiten, Depression, Autismus und geistige
Behinderung“ nichts anderes als die Folge einer Selektion oder
Anpassung an die Natur, weil sie in der früheren menschlicher
Entwicklungsgeschichte erfolgreich waren und jetzt leider
hinderlich sind? Behauptungen wie diese von Hartmann und
Shelley-Tremblay/Rosen sind gefährlich (ADHD, Jäger und
Evolution: „Nette Stories zu ADS“).

Das ist ja der Brüller schlechthin. Ich warte darauf, dass Hochmusikalität und ähnliches endlich zur psychischen Störung und Krankheit erklärt wird, weil einer Disko-Lala nicht erträgt. So ganz nach dem Motto: Muss doch mit dem Deubel zugehen, wenn wir nicht jeden auf die Couch (und seine Kohle in unsere Geldsäckel) kriegen.

*kopfschüttelnden Gruss*
Marion, wider den künstlich/psychischen Einheitsbrei

Hallo!

Da hast Du offensichtlich etwas mißverstanden. Wenn Du die Texte, auf die die Links verweisen, aufmerksam liest, wirst Du feststellen, daß Verhaltensweisen, die bei ADHD auftreten, als zum „normalen“ Verhaltensrepertoire gehörend angesehen werden, daß sie bloß bei ADHD als zu stark ausgeprägt angesehen werden und daß das zu Beeinträchtigungen im Leben der Betroffenen führt. Du wirst weiter feststellen, daß das u.a. der Grund dafür ist, warum ADHD als Krankheit/Störung eingestuft wird und daß das auch der Grund ist, warum z.B. Hochmusikalität selbstverständlich nicht als Krankheit/Störung eingestuft wird.

Gruß,

Oliver Walter

2 Like

Moin Oliver,
(sorry, ich glaub ich hab im letzten Posting deinen Vor- und Nachnamen verwechselt)

Da hast Du offensichtlich etwas mißverstanden.

Ich denke nicht, aber das können wir ja vielleicht klären :smile:

daß Verhaltensweisen, die bei ADHD auftreten, als

zum „normalen“ Verhaltensrepertoire gehörend angesehen werden,
daß sie bloß bei ADHD als zu stark ausgeprägt angesehen werden und daß das zu Beeinträchtigungen im Leben der Betroffenen
führt.

Wer entscheidet denn, ob etwas zu stark ausgeprägt ist ? Wie sieht denn die Norm aus und wer setzt diese fest ?
Was dient als Vergleich?

Wie entsteht dann des weiteren die Beeinträchtigung? Ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass dies umgebungsabhängig ist?

Du wirst weiter feststellen, daß das u.a. der Grund

dafür ist, warum ADHD als Krankheit/Störung eingestuft wird

was jetzt genau? Die Abweichung von der Norm in bestimmten Bereichen, das Gefühl der Beeinträchtigung oder beides zusammen? Kann also jemand, der zwar diese Abweichung hat, aber sie nicht als Beeinträchtigung empfindet, gar keine ADHD haben ?

und daß das auch der Grund ist, warum z.B. Hochmusikalität
selbstverständlich nicht als Krankheit/Störung eingestuft
wird.

Das musst du mir nochmal erklären. Hochmusikalität ist ohne Zweifel eine Abweichung von der Norm und unter bestimmten Bedingungen kann sie sogar als Beeinträchtigung empfunden werden. Das gilt aber prinzipiell für jede Abweichung von der Norm. (Wobei die Norm ja wiederum nichts „naturgegebenes“ ist, sondern durch das Umfeld definiert wird und das wiederum ist nicht statisch oder allgemeingültig).

Und genau das war der Aufhänger für meine Kritik. Vermutlich gibt es bei jedem Menschen irgendwelche Verhaltensweisen, in denen er nicht der Norm entspricht, und die für ihn in einem bestimmten Umfeld zu einer Beeinträchtigung führen. Also sind wir alle krank und gestört. Na bravo, welche eine Goldgrube für die Psychs :smile:

Mir scheint jedoch eher, hier ist die Rede von bestimmten Menschentypen mit bestimmten Verhaltensmerkmalen die aufgrund dieser Verhaltensmerkmale in bestimmten Situationen eben versagen oder Erfolg haben. That’s it. Im Grunde eine Binsenweisheit, der instinktiv bereits die meisten Menschen bei ihrer Berufswahl folgen, oder der sie bspw. ihre Arbeitsweise anpassen, sofern sie ihre Verhaltensmerkmale denn erkannt haben. Probleme dürfte es vorrangig dann geben, wenn Leute einen Beruf ausüben sollen/müssen, oder ihnen eine Arbeitsweise aufgezwungen wird, der/die nicht ihrem Typ entspricht.

Gruss
Marion

2 Like

ADD, Hunter … once again
Hi Ingo

zu dem Themenkomplex ADS & Hunter-Typus habe ich mich hier schon in zahlreichen Postings geäußert. Das Spektrum ist sehr weit gefächert und berührt viele spezielle Erscheinungsformen. Hier einige Beispiele:

Aggression Frustrationstoleranz
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Durchhaltevermögen:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Ungeduld:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Motivation:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Messi:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Generell würde mich interessieren ob der Begriff Hunter-Typus
bzw. Farmer nur ein Erklärungsmodell eines Wissentschaftlers
ist, oder ob es mittlerweile eine gängige Erklärung in der
Psychologie geworden ist ?

Ob es eine Erklärung ist, hängt unbedingt davon ab, was man in der Psychologie unter einer Erklärung verstehen will. Ich würde eher sagen, daß das, was Thom Hartmann gemacht hat, eine Deutung der Erscheinungsformen ist. Er hat einfach beobachtet, daß Personen, denen zunächst ADD zugeschrieben wurde - und dies unter dem Gesichtpunkt einer „Störung“ des Selbstmanagements - unter bestimmten Bedingungen hervorragend effizient zu handeln imstande sind, während andere, die nicht unter dieser Störung leiden, unter denselben Bedingungen eher versagen. Die Charakteristik dieser Bedingungen gab ihm dann Anlaß, den Persönlichkeitstyp des Jägers von dem des Farmers zu unterscheiden. Diese Bezeichnungen sind zunächst nur ein pars pro toto für die Art der Handlungs- und Arbeitsweisen sowie für die Arbeitsbedingungen und Aufgabenstellungen.

Er sieht das Problem des Hunters eben darin, daß unsere Lebensbedingungen vielmehr auf die Fähigkeiten des langfristig handelnden und denkenden Farmers abgestimmt sind, und daß das - sofern es um Jugendliche geht - gerade auch auf die Lernbedingungen in unseren Schulsystemen zutrifft (darüber steht in den o.g. Artikeln das eine oder andere Datail).

Seine Darstellungen, vor allem:

Thom Hartmann: Eine andere Art, die Welt zu sehen.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3795007356/o/q…
Thom Hartmann: ADD: Veränderungen selbst bewirken. Einfache Übungen, die Ihr tägliches Leben verändern werden.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3795007623/qid…
hatten vor allem die Absicht, davon wegzukommen, ADD als eine Krankheit zu interpretieren … woraus sich ganz andere Methoden ergeben, mit diesen Phänomenen umzugehen. Ich kann aus langjährigen Beobachtungen auch seine Auffassung bestätigen, daß ADD eine schlicht irreführende Bezeichnung ist: Alle Klienten, die ich mit dieser Diagnose kennenlernte (im Alter hinunter bis zum 11. Lebensjahr), hatten ganz im Gegenteil eine hervorragende Konzentrations- und Lernfähigkeit, besonders auffallend die Fähigkeit der Bewältigung multipler Aufgaben. Bei den Jugendlichen und Kindern, die ich bisher kennenlernte, hatte übrigens mindestens ein Elternteil dieselben Eigenschaften … aber das ist selbstverständlich keine statistisch relevante Aussage :smile:

Versagen gab es aber genau dann, wenn bei den Anforderungen Durststrecken zu bewältigen waren: Enorm schnell fühlten sie sich gelangweilt - mit unterschiedlichen Reaktionen entweder in Form der Ermüdung oder in Form des blitzschnellen Übersprungs zu attraktiveren, mehr herausfordernden Tätigkeiten (oder Themen, sofern es sich um reine Gespräche handelte).

Eine Hilfe besteht daher nicht in der Beseitigung dieser Eigenschaften, sondern im Erlernen von Tricks oder Taktiken, die Langeweilereaktion zu umgehen und die unumgänglichen Durststreckenszenarien geeigent in Teilaufgaben zu zerlegen, die wiederum für diese Personen eine Faszinationsvalenz haben. Der Hunter kann nur arbeiten resp. lernen, wenn er begeistert ist. Aufgaben, die er als entfremdet empfindet, sind tödlich für ihn und führen wegen seiner Vermeidungsstrategien und Fluchtreaktionen zu abstrusen Konflikten im sozialen Kontext.

Das war auch das, was Hartmann beobachtete: Er fand unter Kindern, die in der Schule versagten, sehr viele mit sogar überdurchschnittlicher Intelligenz und Kreativität, die unter veränderten Bedingungen auch sofort aktivierbar war …

ADDler mit hoher Konzentrationsfähigkeit (aber geringem Durchhaltevermögen), Messies mit hervorragendem Ordnungssinn, Personen mit geringer Frustrationstoleranz, die sich tagelang unstörbar mit hochkomplizierten Problemen befassen können, das alles war hinreichend Anlaß für einen Vorschlkag zum Umdenken - daher ist Hartmann mit diesem Konzept Mitte der 90er in den Staaten auch sehr schnell bekannt geworden.

Empfehlenswert für „Betroffene“ sind diese Bücher:

Lynn Weiss: Eins nach dem anderen. Das ADD-Praxisbuch für Erwachsene.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/387067833X/ref…
Edward M. Hallowell, John J. Ratey: Zwanghaft zerstreut. Die Unfähigkeit aufmerksam zu sein.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499607735/ref…

Sie enthalten vor allem auch interessante Fallbeispiele und man findet auch Hinweise zum Umgang mit diesen Eigenschaften. Diese Autoren tendieren allerdings dazu, wie viele andere auch, die Eigenschaften hirnorganisch zu interpretieren …

Gruß

Metapher

Hallo!

Wer entscheidet denn, ob etwas zu stark ausgeprägt ist
? Wie sieht denn die Norm aus und wer setzt diese fest ?
Was dient als Vergleich?

In dem ersten Posting stand bereits etwas von einer „Normalverteilung“. Das ist eine mathematisch definierte Verteilungsform („Gaußsche Glockenkurve“) von Merkmalen und hat nichts mit „normal“ / „anomal“ zu tun. Viele der in Experimenten erhobenen Daten der Gesamtbevölkerung, die für ADHD relevant sind, folgen in etwa einer Normalverteilung. Die Personen, bei denen ADHD nach einem der gängigen Klassifikationssystemen (ICD-10, DSM-IV) diagnostiziert wird, liegen an den Extremen dieser Verteilung. Es gibt also empirische Daten, die die Diagnose ADHD rechtfertigen. Davon abgesehen besteht kein Zweifel, daß eine Diagnose von Menschen gestellt wird. Aber nicht im luftleeren Raum, sondern aufgrund von Daten, die in Hunderten von wissenschaftlichen Untersuchungen gewonnen wurden.

Wie entsteht dann des weiteren die Beeinträchtigung? Ist es
nicht sehr wahrscheinlich, dass dies umgebungsabhängig ist?

Wenn Du die Texte liest, stellst Du fest:

  1. Die Primärsymptome der Störung (das, was die Störung definiert), sind zu einem erheblichen Teil genetisch bedingt.

Aus der Konsensus-Erklärung:
„Bei keiner psychiatrischen Erkrankung ist der genetische Anteil mit 70–95 % so hoch wie bei den charakteristischen ADS/ADS-Symptomen. Er entspricht etwa den Bedingungen wie diese für die Körpergrösse des Menschen beschrieben wird.“

  1. Die Primärsymptome werden kaum durch das Umfeld verursacht.

Aus der Konsensus-Erklärung:
„Zahlreiche Zwillingsstudien haben zudem gezeigt, dass das familiäre Umfeld nur wenig zur Ausprägung der ADS/ADHS-Symptome beiträgt.“

  1. Personen mit ADHD bilden meistens weitere, sogenannte Sekundärsymptome aus. Einige werden durch das Umfeld verursacht.

Aus der Konsensus-Erklärung:
"Zudem weisen ADS/ADHS-Betroffene öfters weitere Störungen und Probleme auf, von denen einige klar durch das soziale Umfeld geprägt sind. "

Du wirst weiter feststellen, daß das u.a. der Grund

dafür ist, warum ADHD als Krankheit/Störung eingestuft wird

was jetzt genau? Die Abweichung von der Norm in bestimmten
Bereichen, das Gefühl der Beeinträchtigung oder beides
zusammen? Kann also jemand, der zwar diese Abweichung hat,
aber sie nicht als Beeinträchtigung empfindet, gar keine ADHD
haben ?

Ja, ein Kind, das die Primärsymptome von ADHD aufweist, aber nicht darunter leidet bzw. in wichtigen Bereichen wie z.B. in der Schule beeinträchtigt ist, bekommt regelgemäß NICHT die Diagnose ADHD (DSM-IV Kriterium C).

Das musst du mir nochmal erklären. Hochmusikalität ist ohne
Zweifel eine Abweichung von der Norm und unter bestimmten
Bedingungen kann sie sogar als Beeinträchtigung empfunden
werden.
Das gilt aber prinzipiell für jede Abweichung
von der Norm.

Meistens führt Hochmusikalität nicht zu Beeinträchtigung in den oben genannten Bereichen bzw. zu Leiden, Symptome wie bei ADHD führen regelmäßig zu Beeinträchtigungen und Leiden.

(Wobei die Norm ja wiederum nichts
„naturgegebenes“ ist, sondern durch das Umfeld definiert wird
und das wiederum ist nicht statisch oder allgemeingültig).

Nicht ganz. Wie gesagt, folgen empirische Gegebenheiten häufig einer Verteilung. Daten, die an den Rändern der Verteilung liegen, sind zum einen recht selten (ADHD tritt zu ca. 3-5% auf) und rechtfertigen zum anderen dadurch die Aussage einer Abweichung von der Norm. Ob das gleich Störung ist, das ist eine andere Frage, auf die man folgende Antwort geben kann:

Aus der Konsensus-Erklärung:
„Es gibt verschiedene Möglichkeiten festzustellen, ob eine Störung den fundierten Kriterien einer medizinischen oder psychiatrischen Krankheit entspricht. Ein häufig dazu benützter Ansatz besagt, dass gemäss allgemeiner Einschätzung eine Störung dazu führen muss, dass davon Betroffene entweder in physischen oder psychischen Bereichen, die zum menschlichen Leben gehören, erheblich beeinträchtigt sind oder dass solche sogar völlig fehlen. Das bedeutet, dass alle Menschen unabhängig ihrer Kultur erwarten können, ihre geistigen Fähigkeiten zu entwickeln.
Zusätzlich muss auch die klare wissenschaftliche Erkenntnis vorliegen, dass eine ernsthafte Störung dem betroffenen Individuum Schaden zufügt. Eine solche Schädigung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie im Laufe des Lebens zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität oder zu einer Beeinträchtigung wichtiger Lebensaktivitäten führt. Hauptsächliche Lebensaktivitäten umfassen unter anderen auch die Bereiche von Erziehung, sozialen Beziehungen, des Familienlebens, der persönlichen Unabhängigkeit, der Selbstverwirklichung, sowie der beruflichen Verwirklichung, wie sie im Rahmen der individuell unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten erwartet werden können.“

Mir scheint jedoch eher, hier ist die Rede von bestimmten
Menschentypen mit bestimmten Verhaltensmerkmalen die aufgrund
dieser Verhaltensmerkmale in bestimmten Situationen eben
versagen oder Erfolg haben. That’s it. Im Grunde eine
Binsenweisheit, der instinktiv bereits die meisten Menschen
bei ihrer Berufswahl folgen, oder der sie bspw. ihre
Arbeitsweise anpassen, sofern sie ihre Verhaltensmerkmale
denn erkannt haben
. Probleme dürfte es vorrangig dann
geben, wenn Leute einen Beruf ausüben sollen/müssen, oder
ihnen eine Arbeitsweise aufgezwungen wird, der/die nicht ihrem
Typ entspricht.

Das ist auch o.k. so, sofern das, was bei diesen Menschen anders ist, nicht verharmlost wird. Unter zahlreichen meiner psychologischen Kollegen sowie unter Medizinern und Anthropologen besteht Einigkeit darüber, daß die Farmer-/Hunter-Metapher extrem vereinfacht, ihre entwicklungsgeschichtlichen Aussagen sachlich falsch sind und die Gefahr der Verharmlosung der Schwierigkeiten von Menschen, die ADHD-Symptome aufweisen, groß ist. Die von mir verlinkten Texte umreißen diese Position und vervollständigen IMHO das Bild zu Hartmanns Ansatz. Wir wollen uns in w-w-w doch nicht vorwerfen lassen, daß wir zu einseitig wären, oder? :wink:

Gruß,

Oliver Walter

1 Like

Hallo Oliver,

danke dir erstmal für die Infos. Allerdings bin ich jetzt ein wenig verwirrt. Also die Frage ob das Verhaltensmuster ADHD nun als „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten ist, kann ich wohl definitiv nicht beantworten (Wie auch :smile: ). Allerdings stellt sich mir jetzt die Frage wie alles zusammenpasst, wie kann es sein das ich mein Verhaltensmuster in den vergangenen Threads in diesem Forum wiedererkenne, aber die in den Artikeln beschriebenen Eigenschaften kaum besitze ?

Gibt es da vielleicht noch was anderes ?

Danke und Gruß, Ingo

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo!

Wie geht man am besten damit um ? (Die wichtigste Frage
überhaupt denke ich ! Nicht das ich mich ändern möchte, aber
ich möchte doch gerne die Vorteile optimieren und die
Nachteile vermeiden)

Wer ist „man“? Derjenige, von dem man sagt, er habe ADHD, oder
diejenigen, die mit demjenigen konfrontiert sind, von denen
gesagt wird, er habe ADHD?

ersterer ! ich glaube das man erstmal selbst wissen sollte wie man damit umzugehen hat, danach kann man sein Umfeld dementsprechend darauf einstellen.

Gibt es vielleicht einen Bezug zur Intelligenz ?

Aufmerksamkeit ist eine sogenannte Stützfunktion der
Intelligenz. Wer Aufmerksamkeitsdefizite aufweist, schneidet
im Intelligenztest durchschnittlich schlechter ab als
derjenige, der sie nicht aufweist.

Als Mensa-Mitglied wundere ich mich nun doppelt, vgl auch meine andere Antwort auf deine 2. Nachricht !

Woher kommt diese Verhalten ? Erziehung, Umfeld während der
Kindheit oder evtl. genetisch bedingt ?

ADHD ist eine Störung, die eine starke genetische Grundlage
aufweist. Allerdings entwickeln sich um viele Symptome um ADHD
herum erst deshalb, weil das ADHD-Kind aufgrund seines für die
Umwelt (Eltern, Lehrer, Gleichaltrige) ungewöhnlichen
Verhaltens Schwierigkeiten mit der Umwelt bekommt. Das ist die
gängige Sichtweise. Die Farmer-/Hunter-Sichtweise hat den
Charme, daß sie diesen zweiten Aspekt sehr stark hervorhebt,
sie birgt jedoch auch die Gefahr, daß sie den ersten Aspekt
verharmlost.

Ich merk schon, alles Ansichtssache ! :smile:

Gruß,

Oliver Walter

Danke und Gruß, Ingo

Hallo Metapher,

Hi Ingo

zu dem Themenkomplex ADS & Hunter-Typus habe ich mich hier
schon in zahlreichen Postings geäußert. Das Spektrum ist sehr
weit gefächert und berührt viele spezielle Erscheinungsformen.
Hier einige Beispiele:

Aggression Frustrationstoleranz
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Kommt mir bekannt vor ! (aber kaum Aggression, vielmehr Frustration)

Durchhaltevermögen:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Auch !

Ungeduld:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Auch !

Motivation:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Auch !

Messi:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Eher nicht !

Die Artikel kenn ich ja schon durchs Archiv, genau diese Artikel haben ja die Fragen aufgeworfen.

Trotzdem danke für die Infos und auch die Buchtipps. Werd mich wohl mal weiter schlau machen !

Gruß

Metapher

Nochmals danke und Gruß, Ingo

Hallo!

Aufmerksamkeit ist eine sogenannte Stützfunktion der
Intelligenz. Wer Aufmerksamkeitsdefizite aufweist, schneidet
im Intelligenztest durchschnittlich schlechter ab als
derjenige, der sie nicht aufweist.

Als Mensa-Mitglied wundere ich mich nun doppelt, vgl auch
meine andere Antwort auf deine 2. Nachricht !

Sorry, ich habe mich falsch ausgedrückt. Es muß heißen: Im Durchschnitt schneiden diejenigen, die Aufmerksamkeitsdefizite aufweisen, in Intelligenztests schlechter ab als diejenigen, die sie nicht aufweisen.

Gruß,

Oliver Walter

Hallo Ingo!

Also die Frage ob das Verhaltensmuster ADHD
nun als „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten ist, kann ich wohl
definitiv nicht beantworten (Wie auch :smile: ).

Ich denke, daß ADHD weder „gut“ noch „schlecht“ ist. Es ist eine Störung / Krankheit.

Allerdings stellt
sich mir jetzt die Frage wie alles zusammenpasst, wie kann es
sein das ich mein Verhaltensmuster in den vergangenen Threads
in diesem Forum wiedererkenne, aber die in den Artikeln
beschriebenen Eigenschaften kaum besitze ?

Möglicherweise haben „Hunter“ gar kein ADHD? Wäre doch eine gute Nachricht, oder?

Gibt es da vielleicht noch was anderes ?

Es gibt nach einer Zählung 395 psychische Störungen und unendliche viele Varianten „normalen“ Verhaltens.

Gruß,

Oliver Walter

1 Like

Moin Oliver

In dem ersten Posting stand bereits etwas von einer
„Normalverteilung“. Das ist eine mathematisch definierte
Verteilungsform („Gaußsche Glockenkurve“) von Merkmalen.

Ja, das klingt ja sehr schön wissenschaftlich :smile:
Ich hoffe, den Psychologen sind die Mängel und Unzulänglichkeiten solcher mathematischen Modelle, um menschliches Verhalten zu beschreiben, genau so bewusst wie den BWLern. Wenn solche Modelle jedoch aufgrund solcher Fragebögen zustande kommen, wie sie weiter unten von Bettina Wiese gepostet wurden, dann wundert mich allerdings nichts mehr *g*.

Es gibt also

empirische Daten, die die Diagnose ADHD rechtfertigen.

Ich hoffe, du bezeichnest jetzt aber nicht Ergebnisse, die aufgrund von besagten Fragebögen erhalten werden, als „empirische Daten“ *g*.

Aber das nur am Rande, darum geht es mir gar nicht, auch wenn ich über diese „empirische Wissenschaft“ der Psychologie etwas schmunzeln muss. Vielleicht solltet ihr Psychologen euch mal Modelle der BWLer anschauen, wenn es z.B. um Analyse von Käuferverhalten geht. Ich denke, da könntet ihr noch einiges lernen :smile:

Wie entsteht dann des weiteren die Beeinträchtigung? Ist es
nicht sehr wahrscheinlich, dass dies umgebungsabhängig ist?

Wenn Du die Texte liest, stellst Du fest:

  1. Die Primärsymptome der Störung (das, was die Störung
    definiert), sind zu einem erheblichen Teil genetisch bedingt.

Aus der Konsensus-Erklärung:
„Bei keiner psychiatrischen Erkrankung ist der genetische
Anteil mit 70?95 % so hoch wie bei den
charakteristischen ADS/ADS-Symptomen. Er entspricht etwa den
Bedingungen wie diese für die Körpergrösse des Menschen
beschrieben wird.“

Ahja, womit bewiesen wäre, dass Körpergröße auch eine psychiatrische Erkrankung ist ? *g*.

Ja, ein Kind, das die Primärsymptome von ADHD aufweist, aber
nicht darunter leidet bzw. in wichtigen Bereichen wie z.B. in
der Schule beeinträchtigt ist, bekommt regelgemäß NICHT die
Diagnose ADHD (DSM-IV Kriterium C).

Und ganz genau hier kippt meiner Meinung nach auch die „Wissenschaftlichkeit“. Nur zum Vergleich: Ich kann ein gebrochenes Bein völlig unabhängig davon diagnostizieren, wie sehr der Betroffene darunter leidet.

Wenn aber das „Darunter Leiden“ das Entscheidende ist, dann brauchst du diesen ganzen Hokuspokus mit AHDH nicht mehr und irgend einen Symptomkomplex, dem du den Stemple AHDH und krank/Störung als Verursacher dieses Leidens aufdrücken kannst.

Nur mal zum Vergleich: Wenn ein junges Mädchen sehr darunter leidet, dass sie bspw. eine sehr große Nase hat, dann kann es durchaus sein, dass sie deshalb psychologische Hilfe braucht. Aber kein Mensch käme auf die Idee, deshalb „große Nasen“ als Krankheit oder Störung zu bezeichnen, nicht mal Nasen, die sich mit ihrer Größe am Rande der Gauschen Verteilungskurve befinden.

Meistens führt Hochmusikalität nicht zu Beeinträchtigung in
den oben genannten Bereichen bzw. zu Leiden, Symptome wie bei
ADHD führen regelmäßig zu Beeinträchtigungen und Leiden.

Das Leiden bezweifelt hier ja auch niemand, wenn jemand leidet, dann leidet er. Offensichtlich sind wir uns jedoch nicht einig, was dieses Leiden verursacht und wie es behoben werden kann. Du hast prinzipiell immer die Möglichkeiten, bei Störungen zwischen einem Menschen und seiner Umgebung mehrere Variabeln (sowohl beim Menschen, als auch seiner Umgebung, als auch der Interaktion zwischen den beiden) zu verändern, um hier ein halbwegs harmonisches Miteinander zu bewirken.

Nur mal als Beispiel: Wenn einer eher empfindlich gegenüber lauten Geräuschen ist und sich dadurch bei seiner Arbeit z.B. beeinträchtigt fühlt, wenn im Büro immer laute Musik läuft, dann kannst du dem Betreffenden Ohrenstöpsel in die Ohren pulen, kannst mit ihm Meditationsübungen machen, um irgendwann zu erreichen, dass er sich über den Knach nicht mehr aufregt, du kannst das Radio ausmachen oder du kannst versuchen zwischen dem Besitzer des Radios und dem Geräuschempfindlichen zu vermitteln. Der Ansatz, der hier bei AHDH von den von dir genannten Quellen hier scheinbar vermittelt wird, läuft IMHO auf das „Ohren zupulen“ hinaus (und endet auch da). Oder seh ich das jetzt verkürtzt ? Beinhaltet eine ADHD-Behandlung in deinem Sinne auch das Einwirken auf Umgebung und Interaktion, also Beispielsweise die Veränderung von Verhaltensweisen von Lehrern oder Unterricht auf Kinder mit der von dir genannten AHDH-Diagnose ?

Aus der Konsensus-Erklärung:
„Es gibt verschiedene Möglichkeiten festzustellen, ob eine
Störung den fundierten Kriterien einer medizinischen oder
psychiatrischen Krankheit entspricht. Ein häufig dazu
benützter Ansatz besagt, dass gemäss allgemeiner Einschätzung
eine Störung dazu führen muss, dass davon Betroffene entweder
in physischen oder psychischen Bereichen, die zum menschlichen
Leben gehören, erheblich beeinträchtigt sind oder dass solche
sogar völlig fehlen. Das bedeutet, dass alle Menschen
unabhängig ihrer Kultur erwarten können, ihre geistigen
Fähigkeiten zu entwickeln.
Zusätzlich muss auch die klare wissenschaftliche Erkenntnis
vorliegen, dass eine ernsthafte Störung dem betroffenen
Individuum Schaden zufügt. Eine solche Schädigung ist dadurch
gekennzeichnet, dass sie im Laufe des Lebens zu einer erhöhten
Morbidität und Mortalität oder zu einer Beeinträchtigung
wichtiger Lebensaktivitäten führt. Hauptsächliche
Lebensaktivitäten umfassen unter anderen auch die Bereiche von
Erziehung, sozialen Beziehungen, des Familienlebens, der
persönlichen Unabhängigkeit, der Selbstverwirklichung, sowie
der beruflichen Verwirklichung, wie sie im Rahmen der
individuell unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten
erwartet werden können.“

Vielleicht ein besseres Gegenbeispiel:
Lange Zeit galt Homosexualität ebenfalls als wie du so schön sagtest „Abweichung von der Norm“ und wurde als Krankheit/Störung aufgefasst. Die mit der Homosexualität verbundenen Leiden, wurden aber durch diese Bewertung häufig grade erst verursacht.

Das ist auch o.k. so, sofern das, was bei diesen Menschen
anders ist, nicht verharmlost wird. Unter zahlreichen meiner
psychologischen Kollegen sowie unter Medizinern und
Anthropologen besteht Einigkeit darüber, daß die
Farmer-/Hunter-Metapher extrem vereinfacht, ihre
entwicklungsgeschichtlichen Aussagen sachlich falsch sind und
die Gefahr der Verharmlosung der Schwierigkeiten von Menschen,
die ADHD-Symptome aufweisen, groß ist. Die von mir verlinkten
Texte umreißen diese Position und vervollständigen IMHO das
Bild zu Hartmanns Ansatz. Wir wollen uns in w-w-w doch nicht
vorwerfen lassen, daß wir zu einseitig wären, oder? :wink:

Nein, das sicher nicht. Ganz im Gegenteil sogar. Ich finde es wichtig, dass unterschiedliche Ansätze hier auch öffentlich diskutiert werden. Als Laie ist man doch häufig sehr schnell bereit, den Ansatz, der grade von der Person vertreten wird, auf die man zufällig trifft, als gegeben hinzunehmen, ohne von den Kontroversen, die auch in Fachkreisen zu bestimmten Themen bestehen, überhaupt etwas zu ahnen.

Und ehrlich gesagt, die von dir angeführten Texte erscheinen mir dann doch etwas sehr polemisch. Ich hätte mir eine etwas sachlicherer Auseinandersetzung mit diesem Hunter/Farmer Ansatz gewünscht. Ich bin der Meinung, wenn es sachliche Argumente für oder gegen etwas gibt, dann kann man diese auch entsprechend präsentieren.

Gruss
Marion

1 Like

mich ´mal kurz einmisch
Moin Marion,

da Du mich in diesem Posting an Oliver erwähnt hast, möchte ich Dich an dieser Stelle auf mein eben verfasstes Posting an Dich weiter unten hinweisen.

Außerdem schrieb ich mitnichten, dass die von mir aufgezeigten „Tests“ zur Erfassung von (allgemeingültigen) ADS-/+H Kriterien dienen. Sie dienen eher zur Orientierung, dass eine Verhaltensauffälligkeit (noch nicht einmal „Störung“) vorliegen kann.

Desweiteren verwies ich schon im ersten Posting auf die sicher absolut notwendigen Besuche der unterschiedlichsten Experten, die sich (auch das erwähnte ich!) möglichst auf das Störungsbild ADS bei Erwachsenen spezialisiert haben. Denn solche Experten - sind es auch nur wenige - existieren tatsächlich.

Ich persönlich vertrete den Standpunkt, den ich im besagten Posting an Dich unten fett markiert habe.

Viele Grüße
Bettina

1 Like

hallo marion,

was du ansprichst, ist die tatsache, dass medizin (und psychologie) nicht unfehlbar sind. es wird wohl so ein drittel unseres derzeitigen wissens über krankheiten und deren behandlung (jetzt egal ob physisch oder psychisch) in ein paar jahren grundlegend überholt sein (das beispiel „homosexualität“ zeigt das ja ganz gut). leider wissen wir heute aber nicht, welches drittel nicht ganz oder gar nicht richtig ist.
was ist die alternative? gar keine forschung, behandlung mehr zu betreiben, weil wir eh einen fehler drin haben und sich das wissen vielleicht überholt?
das kann es doch nicht sein. die wissenschaft muss immer wieder versuchen, so nah wie möglich an den kern der sache heranzukommen. und das geht leider nur mit vielen fehlschlägen, falschen hypothesen usw. und irgendwann setzt jemand viele kleine steine zusammen und hat die lösung tatsächlich vor sich (wenn wir glück haben). aber der weg dahin ist eben sehr steinig.
das brisante ist natürlich, dass es hier um die gesundheit des menschen geht, und nicht um die entscheidung, ob ein produkt weiter verkauft wird oder nicht.

natürlich ist es ganz wichtig, sich nicht auf EINE experten-meinung zu versteifen (wenn denn überhaupt genügend zeit und geld da ist, noch eine second oppinion einzuholen).

zum wissenschaftlichen arbeiten von psychologen: psychologen (und vor allem die kieler, wo auch oliver herkommt) werden umfangreich in methodenlehre und statistik unterrichtet und wissen normalerweise sehr genau, was eine gute studie ist und was eine schlechte. wenn sie N=20 lesen oder über die korrelation zwischen schuhgröße und intelligenz aufgeklärt werden, stehen denen genauso die haare zu berge wie einem waschechten statistiker.
und: einige der bwl-modelle stammen mit sicherheit aus psychologen-federn…

Und ganz genau hier kippt meiner Meinung nach auch die
„Wissenschaftlichkeit“. Nur zum Vergleich: Ich kann ein
gebrochenes Bein völlig unabhängig davon diagnostizieren, wie
sehr der Betroffene darunter leidet.

Wenn aber das „Darunter Leiden“ das Entscheidende ist, dann
brauchst du diesen ganzen Hokuspokus mit AHDH nicht mehr und
irgend einen Symptomkomplex, dem du den Stemple AHDH und
krank/Störung als Verursacher dieses Leidens aufdrücken
kannst.

was hat denn die wissenschaftlichkeit damit zu tun? es geht doch gar nicht um die leute, die mit dem gebrochenen bein (oder ahdh) glücklich bis ans lebensende sind. modelle und erklärungen brauchen wir doch für die menschen, die in behandlung kommen, WEIL sie darunter leiden. und dafür wird ein erkennungsinstrumentarium benötigt. so wie du „poor dogs“ von „stars“ oder „cash cows“ nur über irgendein vereinbartes system unterscheiden kannst.

aber von dem ideologischen nochmal ab: unser krankensystem beruht grundlegend auf symptomen. ohne diagnose gibt die kasse kein geld. das solltest du auch noch berücksichtigen. um hier eine andere betrachtungsweise zu installieren, muss das krankensystem umgestrickt werden. und dann sind wir schon in einer politischen diskussion…

gruß
tobias

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Hallo Tobias!

Ich stimme mit dem, was Du schreibst, überein.

natürlich ist es ganz wichtig, sich nicht auf EINE
experten-meinung zu versteifen (wenn denn überhaupt genügend
zeit und geld da ist, noch eine second oppinion einzuholen).

So ist es. So wurde die von mir zitierte Konsensus-Erklärung zur ADHD von über 50 Medizinern und Psychologen aus 8 Staaten unterzeichnet. Eine Diskussion darüber, ob es sich um die Meinung eines einzelnen handelt, ist überflüssig.

zum wissenschaftlichen arbeiten von psychologen: psychologen
(und vor allem die kieler, wo auch oliver herkommt) werden
umfangreich in methodenlehre und statistik unterrichtet und
wissen normalerweise sehr genau, was eine gute studie ist und
was eine schlechte. wenn sie N=20 lesen oder über die
korrelation zwischen schuhgröße und intelligenz aufgeklärt
werden, stehen denen genauso die haare zu berge wie einem
waschechten statistiker.

Zumal ich wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Pädagogisch-Psychologische Methodenlehre des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und ab dem nächsten Semester Lehrbeauftragter für Testtheorie am Institut für Psychologie der CAU Kiel bin, schmunzle ich bei dem von Marion Pendragon erhobenen Vorwürfen nur so vor mich hin.

und: einige der bwl-modelle stammen mit sicherheit aus
psychologen-federn…

Zumal die des Käuferverhaltens.

Gruß,

Oliver Walter

Hallo!

In dem ersten Posting stand bereits etwas von einer
„Normalverteilung“. Das ist eine mathematisch definierte
Verteilungsform („Gaußsche Glockenkurve“) von Merkmalen.

Ja, das klingt ja sehr schön wissenschaftlich :smile:
Ich hoffe, den Psychologen sind die Mängel und
Unzulänglichkeiten solcher mathematischen Modelle, um
menschliches Verhalten zu beschreiben, genau so bewusst wie
den BWLern.

Die Normalverteilung ist kein Modell, um menschliches Verhalten zu beschreiben, sondern man kann sie benutzen, um die (Häufigkeits-)verteilung von Merkmalen zu modellieren.

Wenn solche Modelle jedoch aufgrund solcher
Fragebögen zustande kommen, wie sie weiter unten von Bettina
Wiese gepostet wurden, dann wundert mich allerdings nichts
mehr.

Die Normalverteilung kommt „nicht zustande“, auch nicht durch Fragebögen. Sie ist ein Modell.

Es gibt also
empirische Daten, die die Diagnose ADHD rechtfertigen.

Ich hoffe, du bezeichnest jetzt aber nicht Ergebnisse, die
aufgrund von besagten Fragebögen erhalten werden, als
„empirische Daten“ *g*.

Ich weiß nicht, von welchen Fragebögen Du sprichst.

Aber das nur am Rande, darum geht es mir gar nicht, auch wenn
ich über diese „empirische Wissenschaft“ der Psychologie etwas
schmunzeln muss. Vielleicht solltet ihr Psychologen euch mal
Modelle der BWLer anschauen, wenn es z.B. um Analyse von
Käuferverhalten geht. Ich denke, da könntet ihr noch einiges
lernen :smile:

Die Modelle zum Käuferverhalten stammen z.T. von Psychologen oder sind aus psychologischen Modellen entwickelt worden.

Wenn Du die Texte liest, stellst Du fest:

  1. Die Primärsymptome der Störung (das, was die Störung
    definiert), sind zu einem erheblichen Teil genetisch bedingt.

Aus der Konsensus-Erklärung:
„Bei keiner psychiatrischen Erkrankung ist der genetische
Anteil mit 70?95 % so hoch wie bei den
charakteristischen ADS/ADS-Symptomen. Er entspricht etwa den
Bedingungen wie diese für die Körpergrösse des Menschen
beschrieben wird.“

Ahja, womit bewiesen wäre, dass Körpergröße auch eine
psychiatrische Erkrankung ist ? *g*.

Damit ist nachgewiesen, daß ADHD eine fast genauso starke genetische Grundlage hat wie die Körpergröße.

Ja, ein Kind, das die Primärsymptome von ADHD aufweist, aber
nicht darunter leidet bzw. in wichtigen Bereichen wie z.B. in
der Schule beeinträchtigt ist, bekommt regelgemäß NICHT die
Diagnose ADHD (DSM-IV Kriterium C).

Und ganz genau hier kippt meiner Meinung nach auch die
„Wissenschaftlichkeit“. Nur zum Vergleich: Ich kann ein
gebrochenes Bein völlig unabhängig davon diagnostizieren, wie
sehr der Betroffene darunter leidet.

Stimmt, das kannst Du. Bei psychischen Störungen geht es aber nicht, denn psychische Störungen sind etwas anderes als gebrochene Beine.

Wenn aber das „Darunter Leiden“ das Entscheidende ist, dann
brauchst du diesen ganzen Hokuspokus mit AHDH nicht mehr und
irgend einen Symptomkomplex, dem du den Stemple AHDH und
krank/Störung als Verursacher dieses Leidens aufdrücken
kannst.

Das Leiden ist nicht das Entscheidende, es ist eine notwendige Ursache, keine hinreichende!!

ADHD ist außerdem nicht die Ursache für den Symptomkomplex, ADHD ist nur die zusammenfassende Beschreibung dieses Symptomkomplexes. Die Ursache ist größtenteils genetisch. Das bestreitet Hartmann in seiner Farmer-/Hunter-Geschichte auch nicht. Im Gegenteil: Er sagt, daß die Hunter im evolutionären „Kampf“ „verloren“ haben und nun darunter leiden, daß sie die Minderheit sind. Nach Ansicht vieler Kulturanthropologen ist das erste falsch, nach meiner vieler Mediziner und Psychologen das zweite.

Nur mal zum Vergleich: Wenn ein junges Mädchen sehr darunter
leidet, dass sie bspw. eine sehr große Nase hat, dann kann es
durchaus sein, dass sie deshalb psychologische Hilfe braucht.

Oder eine plastische Operation.

Aber kein Mensch käme auf die Idee, deshalb „große Nasen“ als
Krankheit oder Störung zu bezeichnen, nicht mal Nasen, die
sich mit ihrer Größe am Rande der Gauschen Verteilungskurve
befinden.

Doch: Es gibt Nasen, die so dysfunktional geformt sind, daß sie eine plastische Operation notwendig machen, um Lebensfunktionen nicht zu gefährden.

Du hast prinzipiell immer die Möglichkeiten, bei
Störungen zwischen einem Menschen und seiner Umgebung
mehrere Variabeln (sowohl beim Menschen, als auch
seiner Umgebung, als auch der Interaktion zwischen den beiden)
zu verändern, um hier ein halbwegs harmonisches Miteinander zu
bewirken.

Nein, ich habe prinzipiell nicht immer die Möglichkeiten, an allen Rädern zu drehen, weil es sich z.B. bei ADHD um eine genetisch weitgehend determinierte Störung handelt. Ich befürworte keine Eugenik.

Der Ansatz, der hier bei AHDH von den von dir
genannten Quellen hier scheinbar vermittelt wird, läuft IMHO
auf das „Ohren zupulen“ hinaus (und endet auch da). Oder seh
ich das jetzt verkürtzt ? Beinhaltet eine ADHD-Behandlung in
deinem Sinne auch das Einwirken auf Umgebung und Interaktion,
also Beispielsweise die Veränderung von Verhaltensweisen von
Lehrern oder Unterricht auf Kinder mit der von dir genannten
AHDH-Diagnose ?

Klar, denn so gehört es sich für eine angemessene Therapie von ADHD. „Diese umfasst eine medikamentöse Therapie kombiniert mit pädagogischen und sozialen Unterstützungen“ (aus der von mir zitierten Konsensus-Erklärung). Die medikamentöse Therapie besteht aus der Gabe von Ritalin, die pädagogisch-sozialen-psychologischen „Unterstützungen“ finden im Rahmen von Therapieprogrammen wie z.B. THOP von Döpfner und Kollegen statt. Dabei wenden Eltern, Lehrer usw. bestimmte Verhaltensweisen an, die eine günstigere Interaktion zwischen den Betroffenen ermöglichen sollen.

Vielleicht ein besseres Gegenbeispiel:
Lange Zeit galt Homosexualität ebenfalls als wie du so schön
sagtest „Abweichung von der Norm“ und wurde als
Krankheit/Störung aufgefasst. Die mit der Homosexualität
verbundenen Leiden, wurden aber durch diese Bewertung häufig
grade erst verursacht.

Das ist ein Beispiel, das paßt. Es gibt aber auch Beispiele, die nicht passen: Schizophrenie, Autismus, Anorexia und eben ADHD. Bei Schizophrenie, Autismus und Anorexia wurden die Mütter als „Verursacherinnen“ der Störung ihrer Kinder angesehen - mit der Folge, daß die Mütter öffentlich an den Pranger gestellt wurden, weil sie angeblich ihre Kinder zu Schizophrenen, Autisten oder Anorektikerinnen gemacht hatten. Geholfen hat das den Kindern auch nicht.

Nach der Hunter-Fabel sind die Farmer am Leiden der Hunter Schuld - also die meisten von uns. Wieder entstehen künstliche Gräben, auf deren Seiten sich Leute unversöhnlich Schuldzuweisungen an den Kopf werfen. An ADHD ist aber niemand Schuld, weil ADHD eine genetisch determinierte Störung ist.

Unter zahlreichen meiner
psychologischen Kollegen sowie unter Medizinern und
Anthropologen besteht Einigkeit darüber, daß die
Farmer-/Hunter-Metapher extrem vereinfacht, ihre
entwicklungsgeschichtlichen Aussagen sachlich falsch sind und
die Gefahr der Verharmlosung der Schwierigkeiten von Menschen,
die ADHD-Symptome aufweisen, groß ist. Die von mir verlinkten
Texte umreißen diese Position und vervollständigen IMHO das
Bild zu Hartmanns Ansatz. Wir wollen uns in w-w-w doch nicht
vorwerfen lassen, daß wir zu einseitig wären, oder? :wink:

Nein, das sicher nicht. Ganz im Gegenteil sogar. Ich finde es
wichtig, dass unterschiedliche Ansätze hier auch öffentlich
diskutiert werden. Als Laie ist man doch häufig sehr schnell
bereit, den Ansatz, der grade von der Person vertreten wird,
auf die man zufällig trifft, als gegeben hinzunehmen, ohne von
den Kontroversen, die auch in Fachkreisen zu bestimmten Themen
bestehen, überhaupt etwas zu ahnen.

So ist es. Deshalb fand ich es wichtig, daß wir neben einer Pro-Hartmann-Position, die hier in den letzten Wochen vertreten wurde, auch die Contra-Hartmann-Position zu Wort kommen lassen.

Und ehrlich gesagt, die von dir angeführten Texte erscheinen
mir dann doch etwas sehr polemisch.

Der zweite Text ist polemisch, ja. Der erste nicht. Aber ich sehe nicht ein, warum keine polemischen Texte zitiert werden können, wenn es nicht ausschließlich passiert. Hartmanns Ansatz ist selbst polemisch - nur halt gegen die andere Position.

Ich hätte mir eine etwas
sachlicherer Auseinandersetzung mit diesem Hunter/Farmer
Ansatz gewünscht. Ich bin der Meinung, wenn es sachliche
Argumente für oder gegen etwas gibt, dann kann man diese auch
entsprechend präsentieren.

Das gebe ich an Dich zurück.

Gruß,

Oliver Walter

hochbegabung
hallo,

Meistens führt Hochmusikalität nicht zu Beeinträchtigung in
den oben genannten Bereichen bzw. zu Leiden,

dem kann man widersprechen. hochbegabung ist immer „abnormal“ und insofern sogar eine „störung“. es ist einfach nicht normal, daß jemand ein absolutes gehör hat und mit 10 jahren komplexe tonwerke komponiert!

und *natürlich* beeinträchtigt hochbegabung das leben und führt zu leiden. das kind ist in der schule ständig unterfordert, was ein enormer leidensdruck ist und zu weiteren störungen erst führt. das kind hat keine gleichaltrigen freunde, weil es allen geistig überlegen ist. es lebt in einer anderen welt. vielleicht wird das kind noch als wunderkind mißbraucht und seiner kindheit beraubt.

das anderssein setzt sich im erwachsenenalter weiter fort. genies sind meistens soziale krüppel, aber mindestens „spinner“ und „eigenbrötler“. die biografien von großen genies bestätigen dies, von komponisten bis wissenschaftern. sie werden als eigenartig empfunden und kommen mit der normalen welt nicht zurecht, nicht mehr oder weniger als andere „behinderte“ (sorry ich will nicht beleidigen. die wortwahl ist absicht.).

daß die hochbegabung nicht „geheilt“ wird, liegt an der wertschätzung, die man solchen menschen entgegenbringt - aber nur in diffuser weise. mal ehrlich: wer würde mozart oder einstein heiraten wollen :smile:

gruß datafox

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Moin Oliver,

natürlich ist es ganz wichtig, sich nicht auf EINE
experten-meinung zu versteifen (wenn denn überhaupt genügend
zeit und geld da ist, noch eine second oppinion einzuholen).

So ist es. So wurde die von mir zitierte Konsensus-Erklärung
zur ADHD von über 50 Medizinern und Psychologen aus 8 Staaten
unterzeichnet. Eine Diskussion darüber, ob es sich um die
Meinung eines einzelnen handelt, ist überflüssig.

Ich will dich ja nicht in deinem festen Glauben an den Wahrheitsgehalt dieser Konsensus-Erklärung erschüttern, aber vielleicht interessiert den ein oder anderen Leser hier die wissenschaftliche Kritik an dieser Erklärung (übrings in diesem Fall z.B. mit Verweis auf Quellen, die IMHO in einem Artikel, der einen gewissen wisschenschaftlichen Anspruch erhebe nmöchte, nicht fehlen sollten):

http://www.critpsynet.freeuk.com/replyconsensus.htm

Ich zitiere:

What the critical perspective seeks to establish is an understanding and social discourse about mental disorders such as ADHD. There is a consensus about ADHD being a cultural construct as much as there is a consensus for the so-called „scientific“ worldview of ADHD (Timimi, 2002). People have devoted years, if not entire careers, to this cultural perspective, as much as the natural scientists who have signed the consensus statement. The implications for practice of taking the step of faith in believing the biomedical model of ADHD need to be acknowledged (Double, 2003).

Zumal ich wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für
Pädagogisch-Psychologische Methodenlehre des Leibniz-Instituts
für die Pädagogik der Naturwissenschaften an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und ab dem nächsten
Semester Lehrbeauftragter für Testtheorie am Institut für
Psychologie der CAU Kiel bin, schmunzle ich bei dem von Marion
Pendragon erhobenen Vorwürfen nur so vor mich hin.

Du schmunzelst an der falschen Stelle. Ich schmunzel, wenn mir jemand etwas anhand von Statistiken „beweisen“ will, indem er mir z.B. nur die Ergebnisse präsentiert.

und: einige der bwl-modelle stammen mit sicherheit aus
psychologen-federn…

Zumal die des Käuferverhaltens.

Jep, und diese statistisch/mathematische Herangehensweise hat sich in den meisten Bereichen als völlig untauglich erwiesen.

Gruss
Marion

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Moin Oliver,

In dem ersten Posting stand bereits etwas von einer
„Normalverteilung“. Das ist eine mathematisch definierte
Verteilungsform („Gaußsche Glockenkurve“) von Merkmalen.

Ja, das klingt ja sehr schön wissenschaftlich :smile:
Ich hoffe, den Psychologen sind die Mängel und
Unzulänglichkeiten solcher mathematischen Modelle, um
menschliches Verhalten zu beschreiben, genau so bewusst wie
den BWLern.

Die Normalverteilung ist kein Modell, um menschliches
Verhalten zu beschreiben, sondern man kann sie benutzen, um
die (Häufigkeits-)verteilung von Merkmalen zu modellieren.

Findst du obigen Satz nich etwas albern angesichts der Tatsache, dass es sich in diesem Fall bei dem was du so schön mit „Merkmalen“ oder „Daten“ beschreist um menschliche Verhaltensweisen handelt ?

Im Gegensatz beispielsweise zur Körpergröße dürfte es schon schwierig sein, überhaupt einen Maßstab für menschliche Verhaltensweisen zu schaffen, der eine Vergleichbarkeit (und somit eine „Modellierung“ mit Hilfe einer Verteilungskurve) überhaupt erst ermöglicht. Also erneut meine Frage: Wo ist die Norm für Verhaltensweisen, die bei ADHD eine Rolle spielen ?

Es gibt also
empirische Daten, die die Diagnose ADHD rechtfertigen.

Ich hoffe, du bezeichnest jetzt aber nicht Ergebnisse, die
aufgrund von besagten Fragebögen erhalten werden, als
„empirische Daten“ *g*.

Ich weiß nicht, von welchen Fragebögen Du sprichst.

Die besagten Fragebögen, die Bettina in einem Posting weiter unten verlinkte: http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Ansonten verweise ich bezüglich fundierter Kritk an dieser Konsensus-Erklärung auf mein Posting weiter unten:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Im Gegenteil: Er sagt, daß die Hunter im evolutionären

„Kampf“ „verloren“ haben und nun darunter leiden, daß sie die
Minderheit sind. Nach Ansicht vieler Kulturanthropologen ist
das erste falsch, nach meiner vieler Mediziner und Psychologen
das zweite.

Und nach Meinung der anderen Kulturanthropologen und der anderen Mediziern und Psychologen ist es genau umgekehrt ? *g*.

Nur mal zum Vergleich: Wenn ein junges Mädchen sehr darunter
leidet, dass sie bspw. eine sehr große Nase hat, dann kann es
durchaus sein, dass sie deshalb psychologische Hilfe braucht.

Oder eine plastische Operation.

Bist du sicher, dass das das Problem behebt ? Vielleicht findet sie anschließend ihre Ohren zu groß.
Ich will sagen: Man sollte vielleicht mehr Augenmerk darauf richten, was eigentlich das Problem ist, als dem guten Mädchen zu erklären, dass ihre große Nase vermutlich größtenteils genetisch bedingt ist „na bravo“. Allerdings hätte ich jetzt erwartet, dass du sagst, man könne das Mädchen ja so medikamentös behandeln, dass ihr die große Nase nichts mehr ausmacht. Ich bin mir sicher, dass solche Medikamente zur Verfügung stehen.

Aber kein Mensch käme auf die Idee, deshalb „große Nasen“ als
Krankheit oder Störung zu bezeichnen, nicht mal Nasen, die
sich mit ihrer Größe am Rande der Gauschen Verteilungskurve
befinden.

Doch: Es gibt Nasen, die so dysfunktional geformt sind, daß
sie eine plastische Operation notwendig machen, um
Lebensfunktionen nicht zu gefährden.

Doch ?? Die Rede war von großen Nasen , nicht von dysfunktional geformten Nasen. Soll ich entsprechende Abblidungen für dich im www suchen ? *fg*

Du hast prinzipiell immer die Möglichkeiten, bei
Störungen zwischen einem Menschen und seiner Umgebung
mehrere Variabeln (sowohl beim Menschen, als auch
seiner Umgebung, als auch der Interaktion zwischen den beiden)
zu verändern, um hier ein halbwegs harmonisches Miteinander zu
bewirken.

Nein, ich habe prinzipiell nicht immer die Möglichkeiten, an
allen Rädern zu drehen, weil es sich z.B. bei ADHD um eine
genetisch weitgehend determinierte Störung handelt. Ich
befürworte keine Eugenik.

Mit deinen „gentisch determinierten Störungen“ bereitest du aber der Eugenik eine prächtige Grundlage. Insofern sollte man mit dererlei Behauptungen vielleicht etwas vorsichtiger sein, als du es hier bist.

Klar, denn so gehört es sich für eine angemessene Therapie von
ADHD. „Diese umfasst eine medikamentöse Therapie kombiniert
mit pädagogischen und sozialen Unterstützungen“ (aus der von
mir zitierten Konsensus-Erklärung). Die medikamentöse Therapie
besteht aus der Gabe von Ritalin, die
pädagogisch-sozialen-psychologischen „Unterstützungen“ finden
im Rahmen von Therapieprogrammen wie z.B. THOP von Döpfner und
Kollegen statt. Dabei wenden Eltern, Lehrer usw. bestimmte
Verhaltensweisen an, die eine günstigere Interaktion zwischen
den Betroffenen ermöglichen sollen.

Ich glaube, du hast mich nicht ganz verstanden. Ich meinte, ob es z.B. Beschulungsmodelle gibt, die den Bedürfnissen von ADHD-Kindern entgegenkommen und somit z.B. eine Medikamentenabgabe völlig unnötig machen. Meiner Meinung nach kann man nämlich erst dann behaupten, dass dieser Versuch allein nichts fruchtet, wenn man ihn gemacht hat.

Vielleicht ein besseres Gegenbeispiel:
Lange Zeit galt Homosexualität ebenfalls als wie du so schön
sagtest „Abweichung von der Norm“ und wurde als
Krankheit/Störung aufgefasst. Die mit der Homosexualität
verbundenen Leiden, wurden aber durch diese Bewertung häufig
grade erst verursacht.

Das ist ein Beispiel, das paßt. Es gibt aber auch Beispiele,
die nicht passen: Schizophrenie, Autismus, Anorexia und eben
ADHD. Bei Schizophrenie, Autismus und Anorexia wurden die
Mütter als „Verursacherinnen“ der Störung ihrer Kinder
angesehen - mit der Folge, daß die Mütter öffentlich an den
Pranger gestellt wurden, weil sie angeblich ihre Kinder zu
Schizophrenen, Autisten oder Anorektikerinnen gemacht hatten.
Geholfen hat das den Kindern auch nicht.

Ok, wir haben jetzt also Beispiele die passen und Beispiele die nicht passen. Aber wir haben noch nicht geklärt, zu welchen Beispielen AHDH zählen wird. Wie Tobias schon sagte, werden wir diesbezüglich wohl noch etwas abwarten müssen.

Nach der Hunter-Fabel sind die Farmer am Leiden der Hunter
Schuld - also die meisten von uns. Wieder entstehen künstliche
Gräben, auf deren Seiten sich Leute unversöhnlich
Schuldzuweisungen an den Kopf werfen.

Nanana, was hast du denn für ein Interaktionsverhalten mit Leuten die „anders“ sind ? *g*

So ist es. Deshalb fand ich es wichtig, daß wir neben einer
Pro-Hartmann-Position, die hier in den letzten Wochen
vertreten wurde, auch die Contra-Hartmann-Position zu Wort
kommen lassen.

Und jetzt die Contra-Konsensus-Position :smile:
Ich bin nur etwas überrascht, dass du trotz dieser offensichtlich doch recht dünnen Beweislage so überzeugt von einer genetischen Ursache für ADHD bist. Sollte man da als Fachmann wie du einer bist nicht im Sinne der Wissenschaft wenigstens die Option offenlassen, dass es auch anders sein könnte? Schließlich geht es hier ja nicht um religiöse Dogmen, oder ?

Ich hätte mir eine etwas
sachlicherer Auseinandersetzung mit diesem Hunter/Farmer
Ansatz gewünscht. Ich bin der Meinung, wenn es sachliche
Argumente für oder gegen etwas gibt, dann kann man diese auch
entsprechend präsentieren.

Das gebe ich an Dich zurück.

Ich werde mich daran erinnern, wenn ich mal den Auftrag erhalte, als psychologische Fachkraft einen Artikel in einem wissenschaftlichen Fachblatt zu schreiben, der den Anspruch erheben soll, über rein Populärwissenschaftliche Plattitüden hinauszugehen, so wie es bei den von dir genannten Artikeln ja wohl eigentlich der Fall sein sollte.

Solange ich aber hier nur als Laie ohne große Sachkenntnis schreibe, ist ein gewisser Abstand zwischen meinen Postings und die eines Fachmanns was Sachlichkeit anbelangt doch erlaubt denke ich mal :smile:

Gruss
Marion