Hunter-Typus und/oder ähnliches

ADD, Hunter … once again
Hi Ingo

zu dem Themenkomplex ADS & Hunter-Typus habe ich mich hier schon in zahlreichen Postings geäußert. Das Spektrum ist sehr weit gefächert und berührt viele spezielle Erscheinungsformen. Hier einige Beispiele:

Aggression Frustrationstoleranz
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Durchhaltevermögen:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Ungeduld:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Motivation:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Messi:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Generell würde mich interessieren ob der Begriff Hunter-Typus
bzw. Farmer nur ein Erklärungsmodell eines Wissentschaftlers
ist, oder ob es mittlerweile eine gängige Erklärung in der
Psychologie geworden ist ?

Ob es eine Erklärung ist, hängt unbedingt davon ab, was man in der Psychologie unter einer Erklärung verstehen will. Ich würde eher sagen, daß das, was Thom Hartmann gemacht hat, eine Deutung der Erscheinungsformen ist. Er hat einfach beobachtet, daß Personen, denen zunächst ADD zugeschrieben wurde - und dies unter dem Gesichtpunkt einer „Störung“ des Selbstmanagements - unter bestimmten Bedingungen hervorragend effizient zu handeln imstande sind, während andere, die nicht unter dieser Störung leiden, unter denselben Bedingungen eher versagen. Die Charakteristik dieser Bedingungen gab ihm dann Anlaß, den Persönlichkeitstyp des Jägers von dem des Farmers zu unterscheiden. Diese Bezeichnungen sind zunächst nur ein pars pro toto für die Art der Handlungs- und Arbeitsweisen sowie für die Arbeitsbedingungen und Aufgabenstellungen.

Er sieht das Problem des Hunters eben darin, daß unsere Lebensbedingungen vielmehr auf die Fähigkeiten des langfristig handelnden und denkenden Farmers abgestimmt sind, und daß das - sofern es um Jugendliche geht - gerade auch auf die Lernbedingungen in unseren Schulsystemen zutrifft (darüber steht in den o.g. Artikeln das eine oder andere Datail).

Seine Darstellungen, vor allem:

Thom Hartmann: Eine andere Art, die Welt zu sehen.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3795007356/o/q…
Thom Hartmann: ADD: Veränderungen selbst bewirken. Einfache Übungen, die Ihr tägliches Leben verändern werden.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3795007623/qid…
hatten vor allem die Absicht, davon wegzukommen, ADD als eine Krankheit zu interpretieren … woraus sich ganz andere Methoden ergeben, mit diesen Phänomenen umzugehen. Ich kann aus langjährigen Beobachtungen auch seine Auffassung bestätigen, daß ADD eine schlicht irreführende Bezeichnung ist: Alle Klienten, die ich mit dieser Diagnose kennenlernte (im Alter hinunter bis zum 11. Lebensjahr), hatten ganz im Gegenteil eine hervorragende Konzentrations- und Lernfähigkeit, besonders auffallend die Fähigkeit der Bewältigung multipler Aufgaben. Bei den Jugendlichen und Kindern, die ich bisher kennenlernte, hatte übrigens mindestens ein Elternteil dieselben Eigenschaften … aber das ist selbstverständlich keine statistisch relevante Aussage :smile:

Versagen gab es aber genau dann, wenn bei den Anforderungen Durststrecken zu bewältigen waren: Enorm schnell fühlten sie sich gelangweilt - mit unterschiedlichen Reaktionen entweder in Form der Ermüdung oder in Form des blitzschnellen Übersprungs zu attraktiveren, mehr herausfordernden Tätigkeiten (oder Themen, sofern es sich um reine Gespräche handelte).

Eine Hilfe besteht daher nicht in der Beseitigung dieser Eigenschaften, sondern im Erlernen von Tricks oder Taktiken, die Langeweilereaktion zu umgehen und die unumgänglichen Durststreckenszenarien geeigent in Teilaufgaben zu zerlegen, die wiederum für diese Personen eine Faszinationsvalenz haben. Der Hunter kann nur arbeiten resp. lernen, wenn er begeistert ist. Aufgaben, die er als entfremdet empfindet, sind tödlich für ihn und führen wegen seiner Vermeidungsstrategien und Fluchtreaktionen zu abstrusen Konflikten im sozialen Kontext.

Das war auch das, was Hartmann beobachtete: Er fand unter Kindern, die in der Schule versagten, sehr viele mit sogar überdurchschnittlicher Intelligenz und Kreativität, die unter veränderten Bedingungen auch sofort aktivierbar war …

ADDler mit hoher Konzentrationsfähigkeit (aber geringem Durchhaltevermögen), Messies mit hervorragendem Ordnungssinn, Personen mit geringer Frustrationstoleranz, die sich tagelang unstörbar mit hochkomplizierten Problemen befassen können, das alles war hinreichend Anlaß für einen Vorschlkag zum Umdenken - daher ist Hartmann mit diesem Konzept Mitte der 90er in den Staaten auch sehr schnell bekannt geworden.

Empfehlenswert für „Betroffene“ sind diese Bücher:

Lynn Weiss: Eins nach dem anderen. Das ADD-Praxisbuch für Erwachsene.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/387067833X/ref…
Edward M. Hallowell, John J. Ratey: Zwanghaft zerstreut. Die Unfähigkeit aufmerksam zu sein.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499607735/ref…

Sie enthalten vor allem auch interessante Fallbeispiele und man findet auch Hinweise zum Umgang mit diesen Eigenschaften. Diese Autoren tendieren allerdings dazu, wie viele andere auch, die Eigenschaften hirnorganisch zu interpretieren …

Gruß

Metapher