Treudeutsche Weingesetze
Hi Tinchen,
das wurde bis vor ungefähr dreißig Jahren überall gepredigt, als sei es eine Regel mit Verfassungsrang. Der erste populäre Koch, der mit diesem schematischen Muster aufgeräumt hat, war Paul Bocuse.
Die Farbe allein sagt nicht gar zu viel über einen Wein aus. Gerade derzeit, wo man vielerorts à la mode wieder zum halbtrockenen bis lieblichen Ausbau von Weißen übergegangen ist, gibt es haufenweise Weiße, die sich mit einer Fischsuppe oder generell Seefisch furchtbar beißen.
Wenn Du Dich in die Heimat der Bouillabaisse begibst, wirst Du dort nicht bloß insgesamt sehr wenig Weiße finden, sondern auch bei den wenigen, die es gibt, kaum welche, die man gut zu einer Fischsuppe trinken kann; andererseits wunderhübsche frische, trockene Rote, die prima dazu passen - wenig Syrah-Anteil, ganz wenig bis kein Merlot-Anteil, Schwerpunkt Grenache und bissel Carignan, et voilà!
Die Aïoli z.B. (für Mitleser: das ist keine Sauce, die aus Knoblauch und Öl aufgeschlagen ist, sondern ein Gericht mit Pellkartoffeln, Blumenkohl, Karotten, Bacalau und grauen Weinbergschnecken, dessen Mittelpunkt eine Sauce bildet, die in einem Mörser aus Knoblauch und Öl aufgeschlagen ist) enthält lauter Elemente, die nach dem von Dir benannten „Gesetz“ einen Weißen verlangten. Sie benötigt aber, um vollständig genießbar zu sein, einen Roten aus Gigondas, Nyons, Valréas, Valvignères oder vom Lubéron. Man darf dabei halt nicht der Legende erliegen, Rotwein müsse warm getrunken werden, die damit zu tun hat, dass Zimmertemperatur um 1860 in den meisten Gegenden und zu den meisten Jahreszeiten 16-18° C war.
Wenn man „regional“ = deutsch trinken will, kann man sich zur Bouillabaisse oder ähnlichen Fischsuppen an einen ausreichend trockenen Spätburgunder oder einen nicht zu extraktreichen Schwarzriesling halten, das geht prima.
Schöne Grüße
Dä Blumepeder