Man darf durchaus unterstellen, daß sich Eltern mitunter Gedanken über ihre Sprößlinge machen und darüber, wie sie sie zu etwas bewegen können. Das große Kind ist pflichtbewußt, versteht aber derzeit noch nicht, daß Aufgaben von bzw. in der Schule nicht etwas sind, das man einfach erledigt und abhakt, sondern daß man dort bzw. damit in der Regel etwas lernen soll. Sie ist ein Turnierkind, das bei Turnieren, Klassenarbeiten usw. seine Leistung in der Regel abrufen kann. Sie hat das Glück, daß ihr vieles zufliegt und genau dann bzw. so lange kann sie sich für Dinge begeistern.
Geht’s ans Üben, läßt die Begeisterung schlagartig nach. Deswegen steht hier auch ein seit knapp zwei Jahren ungenutztes Klavier, deswegen hat sie das Tanzen drangegeben und deswegen haben wir eine Woche lang jeden Abend eine halbe Stunde üben müssen, bis die Sache mit der Addition und Subtraktion in unterschiedlichen Längeneinheiten zumindest für die Arbeit saß. Gestern Abend (also ein knappes halbes Jahr später): 15 km + 15 Meter=15,15 Meter.
Will sagen: das Kind erreicht ohne großes Lernen ein ziemlich gutes Niveau, wenn sie die Sachen sofort versteht. Nun kann man natürlich als Eltern darauf setzen, daß der Lerneifer schlagartig mit Beginn der fünften Klasse einsetzt oder aber, man kann versuchen, das Kind schon etwas früher darauf vorzubereiten, daß Lernen und Hausaufgaben einen Sinn erfüllen und man die auch mit etwas mehr Aufmerksamkeit und Sorgfalt erledigen kann.
Als Eltern ist man da in der Regel doch eher der Ansicht, daß man es vielleicht nicht darauf ankommen lassen sollte. Und für den Fall, daß es nicht funktioniert, werden wir hier auch einiges an den Abläufen ändern, damit wir in der Regel mittags zu Hause sind und sie die Hausaufgaben in der - viel zu lauten und unruhigen - Ganztagsbetreuung machen muß und hier auch jemand ist, der ihr etwas erklären kann.
Jedenfalls: bei ihr kommt man weiter, indem man dem Bedürfnis nach Beurteilung und Benotung nachkommt. Sie ist in der Hinsicht eine kleine Lisa Simpson (Notenentzug in den Ferien „benote mich, benote mich!“) und wünscht sich von sich aus, daß man ihr Bewertungen gibt: für Handstände, für erfundene Hüpfspiele usw. usf. Das kann man für die Hausaufgaben bzw. andere Lernaktivitäten nutzen.
So, kommen wir zum zweiten Kind. Die hat letztes Jahr (also mit dreieinhalb) verkündet, daß sie mit Deutsch durch ist und jetzt andere Sprachen lernen möchte. Das führte zu einem leidlich guten Wortschatz in Englisch und auf Französisch vorgelesenen Büchern. Im Gegensatz zum großen Kind kann sich das kleine schon teilweise bis zu einer Stunde allein beschäftigen bzw. sich Geschichten ausdenken, die es dann vorspielt (ggfs. mit Puppen) und zwischendurch wird mal ein bißchen getanzt. Wenn man ihr allerdings sagt, was sie zu tun und zu lassen hat, wird in der Regel das Gegenteil gemacht, was inzwischen auch im Kindergarten gelegentlich der Fall ist. Wenn man ihr Konsequenzen androht, werden die auch eingefordert.
Bei dem Kind in zwei Jahren über das Pflichtbewußtsein erreichen zu können, daß die Hausaufgaben erledigt werden, ist nicht zu erwarten. Viel eher wird es bei ihr darum gehen, Begeisterung für Zahlen, Worte und andere Lerninhalte zu wecken. Mit Zwang und Druck kommt man bei der höchstens so weit, daß sie vor Wut unter der Decke schwebt und Kuscheltieren dabei den Kopf abbeißt.
Der langen Rede kurzer Sinn: manche Eltern machen schon so ihre Gedanken, was für das jeweilige Kind paßt und was man eher nicht machen sollte und liegen dabei oft richtig, weil sie die einzigen sind, die ihr Kind wirklich kennen. Jeder Außenstehende bekommt nur einen Teil zu sehen und das ist der Teil, der für das jeweilige Umfeld angepaßt ist. Es gibt Lehrer und Erzieher, die durchschauen Kinder etwas besser und können erkennen, wie das Kind tatsächlich ist, aber das würde ich mal nicht als Regel betrachten wollen.
Auch wenn man versucht ist, aus dem eigenen Leben etwas allgemeingültiges abzuleiten, funktioniert das in der Regel übrigens nicht. Ich für meinen Teil bin praktisch nie wirklich so richtig ans Lernen gekommen, weil ich nie mußte. Die Quittung gab’s dann in der 9. Klasse, als ich damals zwei Fünfen in Französisch schrieb.
Also lernte ich zu unterscheiden zwischen den Sachen, die gelernt werden müssen (Konjugationen im Französischen z.B.), denen, die sich mir ungewollt detailliert einprägen und denen, bei denen der grobe Zusammenhang reicht, um sich die Dinge herleiten zu können (der größte Teil). Auch wenn sie mich über Schule und Ausbildung bis zum Diplom getragen hat, ist das aber keine Technik, die ich meinen Kindern nahelegen möchte. Wenn sie sich später für diese Methode entscheiden (können), sollen sie das machen. Aber bis dahin versuchen wir hier, den regulären Weg zu beschreiten und für jedes Kind die adäquaten Anreize bzw. Lernumgebungen zu schaffen, damit es den Schulstoff gescheit lernt.
Gruß
C.