Hallo Viktor,
ohne die speziellen Umstände nun näher zu kennen, vermute ich, dass es Herrn Zapp nicht um die paar Kröten Kirchensteuer ging, sondern um einen Musterprozess zur Klärung einer unklaren Rechtssituation. Möglicherweise wurde da sogar von beiden Parteien einvernehmlich und in Absprache eine Posse vor den Verwaltungsgerichten aufgeführt, um innerkirchliche Fragen zu klären.
Bekanntlich hat nach katholischer Lehrmeinung hat die Taufe einen „character indelebilis“ (unauslöschbaren Charakter); die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche kann somit aus Sicht der Kirche weder durch eine kirchenrechtliche Sanktion noch durch den bekundeten Willensakt eines Mitglieds aufgehoben werden. Durch die Erklärung des Kirchenaustritts wird jedoch die Grundpflicht des Kirchenangehörigen, die communio (Gemeinschaft) mit der Kirche zu wahren (c. 209 § 1 CIC) verletzt - der Ausgetretene stellt sich damit selbst außerhalb der plena communio (vollständigen Gemeinschaft). Dies hat kirchenrechtlich die Folge, dass damit die aktiven Mitgliedsrechte suspendiert sind. Konkret bedeutet dies die Enthebung aus allen Kirchenämtern, sowohl für Kleriker wie für Laien (Pfarrer, Pastoralassistent, Lektor, Mitgliedschaft in Pastoralräten, Offizialaten usw. …). Auch darf kein kirchliches Wahlrecht nach kanonischem Recht mehr ausgeübt werden (betrifft praktisch nur Kleriker). Automatisch beendet ist auch die Mitgliedschaft in kirchlichen Vereinen sowie Orden und Laienkommunitäten. Der Ausgetretene darf weder Taufpatendienst noch Firmpatendienst ausüben. So weit ist die Situation innerhalb der katholischen Kirche unstrittig.
Nun gibt es jedoch darüber hinaus schon seit ein paar Jahrzehnten die von Teilen der katholischen Kirche (und zwar insbesondere in Deutschland und Österreich) vertretene Auffassung, der Austritt aus der Körperschaft sei überdies auch als schismatisches Verhalten im Sinne von c. 751 CIC zu werten bzw. als Apostasie (Abfall) von der katholischen Lehre oder Häresie (Ketzertum). Es geht hier um eine speziell kirchenrechtliche Frage - nämlich ob der Austritt eine sog. ‚defectio ab Ecclesia catholica actu formali‘ ist. Mit ‚Ecclesia catholica‘ ist selbstredend nicht die Körperschaft des öffentlichen Rechts gemeint (die es so auch nur in Deutschland gibt), sondern die geistliche Gemeinschaft. In diesem Fall zöge der Austritt automatisch die Exkommunikation (c. 1364 § 1 CIC) nach sich. Dazu wiederum bedarf es nicht notwendig eines kirchenrechtlichen Verfahrens; diese Rechtsfolge der Exkommunikation kann automatisch, „durch Begehen“ (c. 1314 CIC) eintreten. Gem. c. 1331 § 1 CIC handelt es sich bei dieser Rechtsfolge im Einzelnen um die tätige Mitwirkung bei gottesdienstlichen Feiern (insbesondere der Eucharistie) sowie Empfang und Spendung der Sakramente. Anders gesagt, die katholische Kirche im soteriologischen und im kirchenrechtlichen Sinn (geistliche Gemeinschaft) darf jemanden, der aus der Kirche im verwaltungsrechtlichen Sinn (also der Körperschaft des öffentlichen Rechts) ausgetreten ist, vom sog. Gnadenhandeln der Kirche ausschließen. Diese Exkommunikation ist übrigens nicht tatsächlich ein Ausschluss aus der geistlichen Gemeinschaft Kirche (wie schon geschrieben sind Taufe und damit Zugehörigkeit zur Kirche nicht aufhebbar), sondern lediglich eine sog. „Beugestrafe“.
Die Auffassung von der Exkommunikation als automatischer Rechtsfolge des Austritts aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft hatte sich die deutsche Bischofskonferenz explizit zu eigen gemacht (Erklärung vom 24.04.2006). Und das pikanterweise in Widerspruch zur Auffassung Papst Benedikt XVI. (päpstlich approbiertes Schreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vom 13.03.2006), wonach eine defectio ab Ecclesia catholica actu formali erst dann vorliegt, wenn der Akt von der betreffenden Person in schriftlicher Form der zuständigen kirchlichen Autorität (Pfarrer oder Ordinarius) bekannt gemacht wird. Eine Erklärung vor einer staatlichen Stelle (in Deutschland: Amtsgericht) reicht nach dieser Auffassung nicht aus.
Hier knüpfte nun wohl Herr Zapf an, indem er vor der zuständigen staatlichen Stelle ausdrücklich eine lediglich auf Austritt aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft und dami implizit nicht auf ‚defectio ab Ecclesia catholica‘ gerichtete Willenserklärung abgab. Das Bistum Freiburg wiederum sprach dem Staat das Recht ab, eine solche Willenserklärung anzunehmen, wobei es sich auf das baden-württembergische Kirchensteuergesetz stützte (selbstverständlich ein staatliches Gesetz; Kirchenrecht kann vor einem staatlichen Gericht nicht zur Anwendung kommen). Man beachte das Datum des päpstlichen Schreibens und der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz, wodurch ein Dissens zwischen Vatikan und Deutscher Bischofskonferenz in dieser Frage öffentlich gemacht wurde und das Datum des Kirchenaustritts von Herrn Zapp (2007), der bezeichnenderweise Professor für Kirchenrecht war. Die Vermutung liegt nahe, dass damit bewusst eine Lösung der zwischen Vatikan und Bischofskonferenz strittigen Frage forciert werden bzw. vor allem eine mögliche ‚Hintertür‘ geschlossen werden sollte.
Was das Bundesverwaltungsgericht nun in seinem am Mittwoch verkündeten und vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch ausdrücklich begrüßten Urteil entschieden hat, bestätigt im Ergebnis die Auffassung der Deutschen Bischofskonferenz, dass die katholischen Bistümer als Körperschaften des öffentlichen Rechts berechtigt sind, dem aus der Körperschaft Ausgetretenen die Wahrnehmung kirchlicher Rechte zu untersagen, weil eine nur auf Austritt aus der Körperschaft, nicht jedoch der geistlichen Gemeinschaft gerichtete Willenserklärung von staatlichen Stellen nicht angenommen werden kann. Ein entsprechender Zusatz (wie ihn Herr Zapf bei seiner Erklärung gemacht hatte) ist zwar nicht schädlich, macht also die Austrittserklärung nicht ungültig, ist aber unerheblich, weil sich die Erklärung objektiv nicht auf eine von der Glaubensgemeinschaft getrennte Körperschaft des öffentlichen Rechts beziehen kann. So zumindest die Auffassung des Gerichts.
Kirchenrechtlich ist damit freilich immer noch nicht geklärt, ob der aus der Kirche als öffentlich-rechtliche Körperschaft Ausgetretene damit auch als Exkommunizierter zu gelten hat - kirchenrechtliche Fragen gehen staatliche Gerichte selbstredend nichts an. Hier hat man sich jedoch mittlerweile offensichtlich mit dem Vatikan auf einen Kompromiss geeinigt, der bereits letzte Woche als Beschluss der Bischofskonferenz bekannt gegeben wurde und seit diesem Montag in Kraft ist. Den päpstlichen Bedenken trägt man nun in soweit Rechnung, als künftig die Exkommunikation nicht mehr automatisch auf den Kirchenaustritt folgen soll. Ausgetretene sollen künftig zunächst per Post über die kirchenrechtlichen Konsequenzen aufgeklärt und zu einem persönlichen Gespräch eingeladen werden. Selbstverständlich ist der Sinn des Gespräches vorrangig der, dazu aufzufordern, den Austritt rückgängig zu machen. Nicht, dass man sich davon nun viel versprechen würde - aber die Ablehnung eines solchen Gespräches (auch durch Ignorieren des Anschreibens) oder (bei Annahme des Gesprächsangebotes) die Weigerung, den Austritt rückgängig zu machen, würde die darauf folgende Exkommunikation zur Folge einer vor dem zuständigen Ordinarius abgegebenen Willenserklärung (bei Nichterscheinen ersetzt durch konkludentes Handeln) machen und nicht mehr zu einer automatischen Folge des Austritts aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft.
Freundliche Grüße,
Ralf