Lukas und die Dämonen

Dämonenaustreibung im NT

Teufelsaustreibungen

Um das vorauszuschicken: Die in den Evangelien teils beschriebenen, teils angedeuteten Exorzismen Jesu sind keine Teufelsaustreibungen sondern Dämonenaustreibungen. Das ist bei weitem nicht dasselbe.

Auch wenn sich seit dem Henochbuch allmählich auch in der jüdischen Dämonologie nach und nach ein Teufelsbegriff herauskristallisiert, so nimmt der in der christlichen Dämonologie doch erst im Verlauf des 2. und 3. Jhdts konkretere Gestalt an.

Ferner: Unter den Evangelisten ist es Markus, der - im Gegensatz(!) zu Lukas und Matthäus - offenbar mit denjenigen exorzistischen Ritualen vertraut ist, die in dieser Zeit sehr wohl praktiziert wurden: Es waren vor allem Heiler in assyrischer und babylonischer Tradition (letztere auch synkretistisch mit zurvanistischen und zarathustristischen Zeremonialen), die dort tätig wurden, wo man eine Krankheit als „Besessenheit“ diagnostizierte.

Hier im Archiv gibt es eine kleine Abhandlung von mir über /t/exorzismus-kontra-psychologie/2962318/53

Dabei war es entscheidend für die Prozedur, den Typus des Dämons zu erfassen, und das heißt primär, seinen Namen zu kennen. Der Exorzismus selbst bestand dann, wie aus zahlreiche Zeugnisse assyrischer und babylonischer Provenienz recht gut bekannt, aus Zeremonien mit Ölen, Räucherwerk, magischen Texten, Gebeten und Gesängen, mit Hilfe derer man die Dämonen bewegte, aus dem Körper auszufahren und stattdessen anderswo Platz zu nehmen, wo sie keinen Schaden anrichteten. Sehr verbreitet war dabei das Einfahren in Wasser, sei es in ein mit Wasser gefülltes Gefäß, das danach zerbrochen wird, oder in ein stehendes Gewässer.

Neben Öl und Rauchwerk spielte gerade in babylonischen Rezepturen die Spucke des Exorzisten eine Rolle. So ist die Blindenheilung in Joh. 9.1ff (mit Vogelkot, Spucke und Waschung im Teich Siloah) in Wirklichkeit ein Exorzismus in babylonischer Tradition.

Die erwähnten Schweine in Markus 5.1ff sind ebenfalls rezeptkonform. Dämonen zu bewegen, in Tiere zu fahren, war Standard, und aus irgendeinem nicht weiter bekannten Grund waren besonders Schweine dafür geeignet, sie werden in babylonischen Texten explizit erwähnt. Und warum sie in den See stürzen ist oben bereits erwähnt.

Das Weitere ist kleines Einmaleins antiker Dämonologie: Wie in FAQ:1518 erwähnt, stehen Namen von Dämonen entweder für einen einzelnen, oder für eine große Vielfalt, oder für den Anführer einer solchen Vielfalt (siehe hierzu auch: Math. 9.34). Der spätere „Teufel“ (Diabolos, Satan, Luzifer usw. usw., alles Umformungen ursprünglich keineswegs „teuflischer“ Gestalten) dessen Kontur eine Legierung aus ägyptischen und awestischen Mythologien zeigte, wurde dann ebenfalls als Anführer eines Haufens von „Satanen“ (so bereits im Henoch benannt) aufgefaßt. In der späteren christlichen Tradition war dann, wenn von einem Dämon zu Rede war, nach und nach nur noch ein solcher Unter-Teufel gemeint.

Daß Jesus laut Evangelien also exerzieren konnte, war zeitgenössisch zwar ein Zeichen, daß er eine Kunst beherrschte, die nicht selbstverständlich war, aber dennoch nicht ungewöhnlich. Das Ungewöhnliche war vielmehr die Form seiner Zeremonie: Er befahl dem Dämon schlicht, auszufahren, oder zu schweigen.

Und das, ihnen einfach zu befehlen und sie gehorchten, war innerhalb der Exorzismustradition bis dato absolut undenkbar. Der verwunderte Ruf der Menge „Er befiehlt sogar den Dämonen!“ gilt also nicht der Tatsache, daß er überhaupt Dämonen austreiben kann, sondern daß er es per schlichtem Befehl tun kann.

Gruß
Metapher