Lebens- und Liebessymbol
Hi Hannes,
mit „folgender These“ meinst du doch sicher nicht
Dass die Frucht vom Baum der Erkenntnis, die Eva dem Adam
reicht, ein Apfel ist, findet man nicht in der Bibel, sondern
(nur) auf Darstellungen, die im Bereich der lateinischen
Christenheit entstanden sind.
Denn das mit dem Apfel ist eine ebenso außerbiblische Erfindung, wie die, daß Paulus vom Pferd gestürzt sei.
Dem liegt ein nur im
Lateinischen mögliches Wortspiel zugrunde: Der Apfel heißt
„malum”, ein zweites Wort „malum” (von malus,a,um) heißt „das
Böse”. Bei der Dechiffrierung des Bildes kann deshalb der
Betrachter den Apfel als das Böse lesen.
Ich bezweifle, ob das eine These ist, die von einer bestimmten Person zuerst aufgestellt wurde. Nicht erst mit Luthers Übersetzung taucht ja der Apfel auf. Der Apfel - insbesondere als rituelles Brautgeschenk und als Signal der (weiblichen) Verführung - war nicht nur im ganzen Mittelmeerraum und Vorderen Orient seit Urzeiten in Gebrauch, sondern auch im ferneren Indien, China, Japan usw. usw.
Speziell und genauer dann aber auch in der Gestalt des Granatapfels (malum granatum, maul punicum).
Man erinnere sich auch an den Granatapfel Idumas, den Apfel der Hesperiden, den Apfel des Paris, die Frucht der Freyja …
Es ist also naheliegend gewesen, nachdem man die Frucht des zentralen Baums im Garten der Lust (gan eden) als sexuelles Verführungssymbol interpretierte, die in Genesis ungenannte Frucht als Apfel zu deuten. Wobei es im „internationalen“ mythologischen Kontext sich eigentlich um die Frucht des Lebensbaumes handelt, die Unsterblickeit vermittelt (zumindest unerschütterliche Liebe).
Daß in der gan-eden-Erzählung zwei Bäume auftauchen, ist ein etwas kompliziertes mythenhistorisches Problem.
Wann die volksetymologische Analogie „malum Apfel - malum das Böse“ aufkam, läßt sich nach meiner Kenntnis nicht mehr rekonstruieren, es wird dem lateinisch Sprechenden aber äußerst naheliegend gewesen sein. Als Erklärung für den Gebrauch des Apfelsymbols ist es jedenfalls falsch.
Gruß
Metapher