Auflösung und Abgrenzung
Und was genau wäre in diesem Fall die Intention (oder genauer
gesagt sogar die Motivation) ? Kannst du das nochmal
beispielhaft anhand der alternativen Auslebung von dom und dev
etwas ausführen bitte ?
Also mal vorausgesetzt, daß wir diesen Zugang zum D/s über den Narzißmus versuchen, und dies aber nicht primär im pathologischen Sinne (Zusammenbruch der sozialen Interaktionsfähigkeit), sondern im Sinne einer bestimmten Struktur des Subjektiven überhaupt (das wäre ein allgemeinerer philosophischer Zugang) oder meinetwegen auch, so wie es Freud verstand, als Entwicklungsphase des Subjekts:
Dann zeigt sich die allgemeine Struktur der Sehnsucht nach Auflösung der Ich-Abgrenzung gegen andere (oder sogar gegen die Gesamtheit anderer) Subjekte. Dies ist aber nur die eine „Seite“. Die andere muß man gerade durch das Gegenteil ausdrücken: Die Sehnsucht nach stabiler, konstanter, lückenloser Abgrenzung gegen das andere Subjekt.
Diese beiden Sehnsüchte sind die entgegengesetzten Extreme zu einer „Mittellage“ (sorry, ich drück das mal metaphorisch aus, damits sprachlich nicht zu kompliziert wird und zu umfangreich), die um die Gleichgewichtlage „pendelt“ zwischen Attraktion (Verschmelzung) und Repulsion (endgültiger Ablösung) mit/von dem anderen Subjekt, und so eine „gesunden“ stabile Bindungs- oder Beziehungsfähigkeit ermöglicht.
Diese beiden Extreme können in der aus dem normalen sozialen Kontext ausgegrenzten Bereichen vorübergehend in ihrer Reinform erlebbar gemacht werden. Ein Beispiel dafür ist eben das SM- oder D/s-Spiel - daher die Notwendigkeit, diese „Spiele“ mit eindeutigen Start- und Stop-Signalen zu versehen. In der Literatur und auch in der Realität finden sie daher auch in „geschlossenen Gesellschaften“ oder sogar, wie z.B. bei de Sade, in geschlossenen Räumlichkeiten statt. Auch die zeitliche Begrenzbarkeit ist dabei wichtig.
Das eigenartige an diesen beiden Extremen ist aber eben, daß sie, wie schon angedeutet, in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen, d.h. sie sind genaugenommen nicht wirklich verschieden. Soll heißen:
- Verschmelzungsphantasien ( mit dem/den anderen)
- Allmachtsphantasien ( über den/die anderen)
- Auflösungsphantasien ( in dem/den anderen)
- Abgrenzungsphantasien ( gegen den/die anderen)
sind alles nur verschiedene Ausdrücke für dieselbe „innere“ Subjektstruktur: Es sind keine „Komponenten“, die man wirklich getrennt, isoliert voneinander betrachten kann.
Bei der vorübergehenden „Realisierung“ aber in einem (quasi virtuellen, in einem definierten Rahmen ablaufenden) „Spiel“ fallen diese Extrem wieder auseinander und stellen eine Alternative dar:
-
entweder Allmacht über den anderen
-
oder Selbstauflösung
Das entspräche ungefähr 1. der dom- und 2. der sub-Rolle)
Aber beide Seiten der Alternative können wieder in zweierlei Weisen oder zweierlei Bewegungen „realisiert“ werden (entschuldige auch hier wieder die Bildsprache):
- Meine Allmacht über dich entweder indem ich dich „vernichte“ (bzw. dich zur Selbstauflösung zwinge → z.B. humiliation) oder indem ich dich in mir (bzw. in meinem Willen) „auflöse“ (bzw. dich meinem Willen unterwerfe → z.B. slavery)
- Meine Selbstauflösung ebenfalls in einem entweder/oder, wofür du das 1. nur passiv auszudrücken brauchst.
Auch die anderen Varianten im BDSM (einige wurden ja oben aufgelistet) kann man in diesem dialektischen „Modell“ repräsentieren.
Beide Seiten, die dominante und die submissive, haben demnach sowohl Verschmelzungs- als auch Abgrenzungscharakter, sowohl Selbstauflösungs- als auch Selbstgewinnungscharakter. Das spiegelt sich ja auch in den sehr unterschiedlichen Erlebnisdarstellungen wieder von Leuten, die das praktizieren…
hier wäre es halt nur theoretisch (bzw. dialektisch-logisch) begründet. Das beziehungsfähige autonome Subjekt lebt aber jedenfalls genau zwischen diesen Extremen, oder, was ebenfalls dialektisch betrachtet dasselbe ist, in ihrer Summe.
*gg* ich bin sicher: jede Menge Fragen offen…
liebe Grüße
Metapher