Hallo Bona,
Ich wollte darauf ursprünglich gar nicht mehr eingehen
Das wäre bedauerlich gewesen.
Ich denke einfach, die Frage der „Grundlage“ (und darum geht es ja auch in der Diskussion um die unglücklich so genannte „Postmoderne“), erfordert einfach so viel mehr Zeit und Raum, als dass sie in diesem Forum vernünftig -und das heißt: nicht bloß mit Schlagworten- diskutiert werden könnte.
Ich lehne eine Position wie: „Erst die Grundlagen, dann die
Anwendung“ dezidiert ab;
tatsächlich bin ich der Meinung, dass die „Anwendung“ basislos
geschieht, sich zwar dabei (also in ihrem Vollzug)
Grundlagen verschafft, welche aber eben darum die
Grundlagen der Anwendung sind (und zwar im doppelten
Sinne des Genitivs);
Du hast völlig Recht, das es de facto so geschieht, wir
müssten uns nur darüber streiten, ob es de jure so geschehen
solle.
… ob es de jure so geschehen kann.
Man könnte mit den genannten Franzosen davon ausgehen,
dass dieses Faktum unhintergehbar wäre, aber bist du davon
wirklich überzeugt?
Die Frage nach der „Überzeugung“ ist immer eine schwierige; ich würde mal so antworten: Ich bin weit davon entfernt, nur diese Richtung(en) zu rezipieren, dennoch kann natürlich niemand umhin, sich in seinen Überlegungen in die Fußstapfen bestimmter Richtungen zu begeben; wir philosophieren nun mal auf den Schultern von Riesen.
Das sind aus meiner Sicht ziemlich unterschiedliche
Positionen.
Jein; natürlich kann man das so sehen, genauso aber anders.
Die „Synthese“ dieser Richtungen ist übrigens nicht eine, die ich selbst vorgenommen habe, sondern sie ist expressis verbis (spätestens) im Spätwerk Althussers erfolgt, und findet sich aus meiner Sicht auch etwa bei Foucault.
Althussers Position kann ich überhaupt nicht
teilen, weil mir dieser Ansatz nur den Dogmatismus vertieft,
den er eigentlich zu bekämpfen vorgibt.
Althusser ist derjenige, den ich als meinen „Lehrer“ bezeichnen würde, das heißt: ich bin nicht sein Papagei, aber dezidiert ein Althusserianer (was übrigens nicht sehr viel besagt, weil der „normale“ Althusserianismus auf ganz anderen Arbeiten Althussers aufbaut).
Inwiefern er „bekämpften Dogmatismus vertieft“ verstehe ich nicht.
(Übrigens: Weil wir
gerade von Sloterdijk reden - Sloterdijk ist meiner Erinnerung
nach derjenige gewesen, der im deutschsprachigen Bereich die
These von Althussers angeblicher Schizophrenie als Grund für
dessen Tötung seiner Ehefrau vertrat. Ich weiß im Moment
nicht, ob das hier von Bedeutung ist, wollte aber wenigstens
kurz darauf verwiesen haben.)
Althussers -fast lebenslange- psychotische Krankheit ist zu keiner Zeit ein Geheimnis gewesen; die These (über das exakte klinische Bild weiß ich zu wenig) ist richtig, entsprechend wurde Althusser ja auch juristisch als non-lieu, als schuld-unfähig, eingestuft.
BTW: Ich halte natürlich den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und seiner Philosophie für hoch-interessant; beispielsweise würde ich die Tötung seiner Frau Helene als eine aus-agierte philosophische These betrachten, eine These, die sein Spätwerk erst möglich machte, bzw. unbedingt als philosophische These gesehen werden muss, um eine Kohärenz seiner Arbeit vor 1980 und seiner Arbeit nach 1980 erkennen zu können (ich weiß, das klingt so verkürzt gesagt ziemlich strange).
Jedenfalls würde ich für es hochgradigen Quatsch halten, seine Philosophie mittels der Psychose und des Uxorizids deskreditieren zu wollen (keine Ahnung, ob Sloterdijk das wollte).
Derrida
hingegen finde ich wiederum sehr interessant, allerdings würde
ich eher Ricoeur folgen wollen, weil er das Subjekt nicht nur
de-postuliert, sondern aus den Schwierigkeiten dieser
Entsubjektivierung gerade die aus meiner Sicht richtige
Konsequenz zieht, die Bedinungen dieses Subjekts genauer zu
untersuchen.
Die angesprochene Konsequenz ist selbstverständlich die richtige, aber sie ist eben auch genau diejenige, die Althusser, Lacan und Derrida auch ziehen, wenn halt auch nicht auf die selbe Weise wie Ricoeur, nämlich nicht -grob gesagt- auf eine hermeneutische Weise.
Heidegger scheint mir hier weniger einschlägig, aber das mag
daran liegen, dass ich nicht ganz verstehe, wie du ihn hier
integrieren möchtest.
Wann immer ich mich auf Heidegger berufe, meine ich im Grunde den späten Heidegger, den Heidegger, der sich nicht für Existenzialismus hält, seine eigene vermeintliche „Weiterführung“ bei Sartre sehr deutlich ablehnt, der „unterwegs zur Sprache“ ist, und der von Lacan und Derrida aufgenommen worden ist.
Viele Grüße
franz