Hallo!
Einen Konflikt zwischen den Naturwissenschaften und der Philosophie kann es natürlich nur dort geben, wo die eine Seite ihren Zuständigkeitsbereich verlässt und Aussagen über etwas macht, was in den Zuständigkeitsbereich des anderen fällt.
Es gibt Dinge, die historisch der Philosophie zugeordnet wurden, weil man sie sich noch nicht kausal aufgrund beobachtbarer Ursachen erklären konnte. Bei vielen dieser Dinge ist das noch heute so, wahrscheinlich weil es eine solche physische Ursache nicht gibt. Du hast zum Beispiel den „Sinn“ erwähnt. Natürlich kann die Naturwissenschaft darüber nicht sprechen, weil das keine Kategorie in der physischen Welt ist.
Es gibt jedoch auch Dinge, bei denen man erkennen musste, dass sie, wenn man genauer hinschaut, doch physische Ursachen haben und dass sie sich erklären konnten. Aristoteles hat versucht, die Welt mit philosophischen Methoden zu ergründen. Galilei setzte anstelle seiner Naturphilosophie die Physik. Später wurde erkannt, dass es keinen chemischen Unterschied zwischen der belebten und der unbelebten Natur gibt. Es wurde erkannt, dass das, was in der Biologie „Leben“ heißt, ein kompliziertes Netzwerk von biochemischen Prozessen ist - und von keiner unergründlichen „Lebenskraft“ bewirkt wird. Schließlich erkannte man, dass das Universum eine Geschichte hat, dass sie mit einem Ereignis namens „Urknall“ begann und dass sich das Leben aus der unbelebten Materie durch Evolution entwickelt hat.
All diese Erkenntnisse haben dazu geführt, dass die Grenze zwischen Philosophie und Naturwissenschaft klarer gezogen werden konnte. Auch die Philosophie hat davon profitiert, denn vieles, was früher pure Spekulation war, wurde aus ihr verbannt, so dass auch die Philosophie „wissenschaftlicher“ wurde.
Spannend sind überall Grenzbereiche. Dort wo zwei Sichtweisen aufeinanderprallen kann der Austausch zu einer gegenseitigen Befruchtung führen. Die Theoretische Physik kann man als einen Disput zwischen Physik und Mathematik verstehen. Die Neurowissenschaften befinden sich am Grenzbereich zwischen Physiologie und Psychologie. In der Bionik treffen Biologie und Ingenieurwissenschaften aufeinander. All das ist wahnsinnig spannenend. Bisweilen wird mit harten Bandagen gestritten, aber die Auseinandersetzung kann nur dann inspirierend wirken, wenn sie von gegenseitigem Respekt getragen wird.
Ich will es so ähnlich wie Uwi sagen (dem ich hiermit ausdrücklich zustimmen möchte): Wenn hier naturwissenschaftlich geprägte Menschen (wie ich), philosophische Positionen hinterfragen, dann ist das kein Ausdruck von Geringschätzung, im Gegenteil! Im Schachspiel suche ich mir auch keinen Gegner, gegen den ich leicht gewinnen kann, sondern einen, gegen den es eng wird.
Michael