Rechtskraftwirkung eines Urteils LG Dortmund

Die Verbraucherzentrale Bayern hat vor dem LG Dortmund erreicht, dass Abzockeranwälten untersagt wurde

im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern
künftig zu unterlassen, Forderungsschreiben zu versenden bzw. versenden zu
lassen, in denen für das erste Mahnschreiben eine Geschäftsgebühr angesetzt
wird, die der im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelten Geschäftsgebühr (Nr.
2300 VV RVG) von 1,5 entspricht oder diese übersteigt, wenn dies geschieht, wie
in der dem Urteil beigefügten Anlage K 1 wiedergegeben.

Jetzt frage ich mich, ob sich alle Verbraucher auf das Urteil berufen können und die bereits gezahlten Gelder von den Anwälten zurückverlangen können?

Was heißt „es künftig zu unterlassen“? Bedeutet dass, das alle Fälle vor dem Urteil nicht unter die Unterlassungsverfügung des Gerichts fallen?

Die Verbraucherzentrale Bayern hat das Urteil laut der Pressemitteilung https://www.verbraucherzentrale-bayern.de/pressemeldungen/vertraege-reklamation/klage-wegen-ueberhoehter-inkassogebuehren-33054 für alle Verbraucher im Rahmen der Verbandsklage erwirkt. Kann sich jetzt jeder Verbraucher mit seinem individuellen Fall auf das Urteil berufen?

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IdR sind erst Urteile der Bundesgerichte in gleichen oder ähnlichen Fällen anzuwenden. Trotzdem kann es nicht schaden zu wissen wie ein Gerichtsstand bei der jeweiligen Rechtsfrage „tickt“. Im konkreten Fall könnte man das Urteil als Basis versuchen zu verwenden, aber eine Verpflichtung dieselbe Argumentation und Rechtsprechung zu übernehmen besteht nicht.

mfg M.L.

  1. In der Pressemitteilung lese ich nichts von „Abzockernanwälten“, sondern nur etwas von einem Inkasso-Dienst, der sich lediglich bzgl. der geltend gemachten Gebühren auf Grundsätze beruft, wie sie für Anwälte nach dem RVG gelten. Das ist so, als wenn Du als Mauerer deine Tätigkeit analog der HOAI (die für Architekten gilt), abrechnen würdest, oder ein Pflegedienst auf die Idee käme nach GOÄ abzurechnen. Liegt alles „irgendwie in der Nähe“, und kann sicherlich bei der Frage der Angemessenheit einer Vergütung mehr oder weniger brauchbare Anhaltspunkte liefern, mehr aber auch nicht. Und genau die fehlende Vergleichbarkeit ist hier ja auch gerügt worden, indem man dem Inkasso-Dienst vorgeworfen hat, gerade keine individuelle Einzelfallprüfung vorzunehmen, wie diese Grundlage der Geschäftsgebühr nach RVG ist, bei der man aber eben auch durchschnittliche von einfachen und schwierigen Fällen unterscheiden muss.

  2. Eine Unterlassung kann man immer nur für die Zukunft verlangen. Wie wolltest Du denn rückwirkend ein Unterlassen verlangen und durchsetzen?

  3. Die Unterlassung hat nichts damit zu tun, was andere Leute bislang bezahlt haben, oder zahlen sollen. Die können jetzt natürlich auf der Basis nun die Zahlung insoweit verweigern, wie die Forderung übersetzt ist/können auf entsprechende Rückerstattung klagen. Und solange wie von Klagen gegen genau diesen Inkasso-Dienst sprechen, die demnach dann auch in Dortmund zu entscheiden wären, dürften die Erfolgsaussichten nach diesem Urteil ganz gut aussehen.

  4. Aber schon aus dem Ausgang der Unterlassungsklage kann man nicht zwingend auf den Erfolg einer Klage gegen konkrete Forderungen schließen, und wenn man mit einem anderen Inkasso-Dienst am anderen Ende der Republik Ärger hat, dann kann man dieses Urteil natürlich anführen, Bindungswirkung haben Urteile in Deutschland aber grundsätzlich keine! Rein faktisch ist es nur so, dass Richter sich an der Rechtsprechung der ihnen zugeordneten Obergerichte orientieren, weil sie davon ausgehen, dass ihre Urteile sonst in der Berufung/Revision kassiert werden, wenn sie nicht sehr genau belegen können, warum ihr Fall nun nicht zu dem vorentschiedenen Fall hinreichend vergleichbar ist. Auch freuen sich Richter natürlich immer, wenn es überhaupt schon Urteile in ähnlichen Dingen gibt, weil man sich dadurch natürlich inspirieren lassen kann, und ggf. Arbeit spart. Mehr aber auch nicht. D.h. erwarte dir aus einem Urteil des LG Dortmund nicht viel, wenn du in München vor Gericht gehst.

Hallo Wiz,

vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Zukünftig

Unterlassung gilt also nur für die Zukunft, OK. Die Anwälte machen aber gerade munter weiter. Es gibt Fälle aus dem März 2019, in denen die Geschäftsgebühr zum Faktor 1,5 nach RVG weiter gefordert wird. Das wundert mich.

Ich kann es mir nur so erklären, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist. Aber auch nicht rechtskräftige Unterlassungstitel müssten doch eine Rechtswirkung entfalten?

Rückforderung

Was ist mit den Tausenden Betroffenen, die diese rechtswidrigen Gebühren der Anwälte bereits gezahlt haben. In anderen Foren schreiben einige, dass das Urteil für alle Verbraucher gilt und jeder Betroffene sich darauf berufen kann. Daraus folgern wiederum andere, dass man bereits bezahlte Gebühren aus der Vergangenheit von den Anwälten zurückverlangen kann. Das würde mich interessieren. Du schreibst ja auch, dass Betroffene jetzt auf „entsprechende Rückerstattung klagen“ können. Das gilt aber dann doch auch für Gebühren, die vor dem Urteil des LG Dortmund (vor dem 29.01.2019) gezahlt wurden auch, oder verstehe ich das falsch?

Rechtskraftwirkung

Es geht schon konkret um Rückforderungen gegen genau die identische Anwaltskanzlei aus dem Urteil vom Landgericht Dortmund. Gibt es wirklich keine Bindungswirkung?
Bindet die Entscheidung des LG Dortmund nur die Anwälte und die Verbraucherzentrale Bayern? Ich verstehe das nicht, denn Verbandsklage jeißt doch, dass die Verbraucherzentrale im Namen aller Verbraucher tätig wurde, oder nicht? Ist das nicht eine Art Sammelklage oder Kollektivverfahren? Erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf alle dadurch abgedeckten Fälle? Leider habe ich dazu nichts gefunden.

Ich habe auch nicht ganz verstanden, weshalb Landgericht Dortmund, weil die Anwälte ihren Sitz der Kanzlei in Münster haben. Muss wohl ein Paradebeispiel eines Verbrauchers aus Dortmund genommen und das dann vor dem dort zuständigen Gericht eingeklagte worden sein, sonst kann ich es mir auch nicht erklären.

INKASSO-DIENST: Es geht nicht um einen „Inkasso-Dienst“. Es geht um Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltskanzlei. Das ist ja das Ding, solche Unterlassungsurteile gibt es laut Aussage der Verbraucherzentrale Bayern gegen Rechtsanwälte sehr selten. Übrigens haben die Anwälte auch vor Gericht versucht, so zu argumentieren, sinngemäß: Wir sind ja eine Anwaltskanzlei und das ganze ging aber über unsere „Inkasso-Abteilung“, die gar nicht zur Rechtsanwaltskanzlei gehört. Haben die Richter des LG Dortmund sofort weggewischt, weil es nach Briefkopf, Adresse, usw ganz klar von der Kanzlei aus Münster kam. Klar wollen die den Namen ihrer Anwaltskanzlei nicht beschmutzt sehen, aber da haben die wohl ein bisschen zuviel Schlamm geworfen.

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Hallo M.L,

vielen Dank für dieAntwort.

Das ist genau meine Frage: Können andere Verbraucher sich auf das Urteil berufen oder bindet es nur die beiden Parteien Rechtskraftbindung)?

Was ist mit den Tausenden Betroffenen, die diese rechtswidrigen Gebühren der Anwälte bereits gezahlt haben. In anderen Foren schreiben einige, dass das Urteil für alle Verbraucher gilt und jeder Betroffene sich darauf berufen kann. Daraus folgern wiederum andere, dass man bereits bezahlte Gebühren aus der Vergangenheit von den Anwälten zurückverlangen kann. Bindet die Entscheidung des LG Dortmund nur die Anwälte und die Verbraucherzentrale Bayern? Ich verstehe das nicht, denn Verbandsklage jeißt doch, dass die Verbraucherzentrale im Namen aller Verbraucher tätig wurde, oder nicht? Ist das nicht eine Art Sammelklage oder Kollektivverfahren? Erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf alle dadurch abgedeckten Fälle? Leider habe ich dazu nichts gefunden.

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Könntet ihr euch meine Frage hier ansehen mir antworten oder helfen? DANKE :neutral_face: