Road Map und Genfer Initiative

Hallo liebe WWW-User!

Ich hätte da mal eine Frage:
Was hat der Roadmap eigentlich mit der Genfer Initiative zu tun? Wurde eines der Pläne überhaupt angenommen?

LG
Nathalie

Hallo Nathalie,

Ich hätte da mal eine Frage:

Aber bitte sehr.

Was hat der Roadmap eigentlich mit der Genfer Initiative zu
tun?

Im Grunde genommen, außer dem Thema Nahost, nichts.

Die Roadmap ist ein Ergebnis eines Vermittlungsversuchs des Nahostquartetts aus dem Jahre 2002. Dort wurden die sofortigen, die nächsten und die übernächsten Schritte zu einer Zweistaatenlösung mit einem ungefähren Zeitablauf skizziert. Die Roadmap beginnt in der Phase 1 mit relativ konkreten Maßnahmen von beiden Seiten (Anerkennung der Zweistaatenlösung, Ende der Gewalt, Aufbau und Reform der Autonomiebehördestrukturen, Ende des Siedlungsbaus), wird aber, je weiter sie in die Zukunft reicht, recht schwammig (Phase 3: „gerechte, faire und realistische Lösung der Flüchtlingsfrage“, „Status von Jerusalem, der die politischen und religiösen Bedenken beider Seiten berücksichtigt“).

Die Genfer Initiative ist ein privates, nichtstaatliches Engagement, vor allem getragen von zwei Persönlichkeiten, auf israelischer Seite Jossi Beilin und auf palästinensischer Jassir Rabbo. Hier ein Modell eines friedlichen Nebeneinanders von Israel und Palästina, sprich, das Endergebnis einer Zweistaatenlösung skizziert. Der Weg dorthin ist aber weniger beleuchtet. Da die weder Radikale auf israelischer, noch auf palästinensischer Seite beteiligt waren, ist das Ergebnis sehr vernünftig, allerdings sind die Extremisten auch in den Vorstellungen des Endergebnisses ausgespart.

Wurde eines der Pläne überhaupt angenommen?

Die Roadmap wurde von beiden Seiten anerkannt. (Wer könnte auch der geballten Macht des Quartetts widersprechen?) Doch ist man schon in den ersten Schritten der Phase 1 stecken geblieben. Israel moniert, dass die Autonomiebehörde nicht genug gegen die Terrorstrukturen und zur Steigerung der Effizienz der Sicherheitskräfte unternimmt. Die Palästinenser beschweren sich über die ungenügende Verbesserung der israelischen Restriktionen. Beide Seiten nehmen ihre Beschwerden zum Anlass, eigene Anstrengungen zunächst zurück zu stellen. Mit der Hamasregierung ist die Roadmap de facto gestorben.

Die Genfer Initiative wurde von beiden Regierungen abgelehnt und als „nicht hilfreich“ entschieden bekämpft. Die Lösungsansätze sind zwar intelligent und, rational besehen, sicherlich eine mögliche Form für eine Einigung, man muss sich allerdings vor Augen führen, dass es im Nahen Osten nicht selten irrational zugeht. Denn was bedeutet der schönste Kompromiss einem, der glaubt, vor der Wiederkunft des Messias müsse jeder Fußbreit von Eretz Israel rechtgläubig besiedelt sein oder einem anderen, der der Überzeugung ist, es sei der Wille Allahs, dass über jedem Flecken Palästinas das Banner des Propheten weht? Wie kann dort die Vernunft regieren?

Beide Vorschläge sind derzeit mehr oder weniger gestorben. Die Überreste sind zu besichtigen etwa unter http://www.geneva-accord.org bzw. http://www.genfer-initiative.de und http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Nahost…, bzw. zusammengefasst: http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/artikel/8…
Aber wir sind ja im Lande mit der statistisch höchsten Wiederauferstehungsrate. Also die Hoffnung nicht fahren lassen.

Gruß
Hardey

Hallo Hardey =)
danke für deine ausführliche Erklärung ^^
Aber mir sind zunächst neue Fragen aufgetaucht xD :
Warum haben die Israelis den Libanon angegriffen (2. Libanonkrieg), und wie hat er eigentlich geendet? Beim ersten Libanonkrieg war es ja so, dass die Israelis fürchteten die PLO würde in Libanon immer stärker werden, und so haben sie sich eine Ausrede gesucht und den Libanon angegriffen…aber war ihre Absicht beim zweiten Libanonkrieg immer noch die gleiche?
Danke schööön =)
LG Nathalie

Hallo Hardey =)
danke für deine ausführliche Erklärung ^^

Immer gern.

Aber mir sind zunächst neue Fragen aufgetaucht xD :
Warum haben die Israelis den Libanon angegriffen (2.
Libanonkrieg), und wie hat er eigentlich geendet?

Streng genommen hat nicht Israel, sondern die Hisbollah den 2. Libanonkrieg begonnen. Nach Dokumenten von UNIFIL, der UN-Truppe im Libanon und eine Quelle, die ich in diesem Zusammenhang für einigermaßen glaubwürdig halte, hat die Hisbollah gleichzeitig etliche Raketen nach Israel abgeschossen und in einer Kommandoaktion 2 Soldaten, Eldad Regev und Ehud Goldwasser, von israelischem Territorium entführt.

Nun muss man wissen, dass gefangene oder gefallene Soldaten in Israel einen ganz anderen Stellenwert haben als bei uns. Israelis werden von ihrer Regierung nach Möglichkeit freigekauft, koste es was es wolle. Israel hat sogar schon einmal mehrere hundert Gefangene freigelassen, um im Gegenzug den Leichnam von einem Gefallenen zu erhalten. Also entschied man, diesen Vorfall nicht, wie etliche andere vorher, hinzunehmen, sondern militärisch zu entgegnen.

Das Ganze lief dann aber nicht ganz so, wie man sich vorstellte. Der israelische Generalstab ging im Großen und Ganzen davon aus, die Angelegenheit mit der Luftwaffe und gezielten Angriffen gegen Hisbollahstellungen abhandeln zu können. Das hat aber nicht funktioniert, die Hisbollah war über Wochen in der Lage, Raketen ungehindert abzuschießen. Also wurde umdisponiert und eine Bodenoffensive gestartet. Aber da taten sich auch arge Probleme auf. Etwa war die Planung und die Versorgung arg chaotisch und die israelischen Panzer zeigten sich verwundbarer als man sich dachte. Die hohen zivilen Opferzahlen bewirkten auch einen immer stärker werdenden öffentlichen Druck auf Israel. Immerhin konnte man die Hisbollah von der direkten Grenze vertreiben, so dass sie heute wohl eine geringere Gefahr darstellt als vor dem Krieg.

Der Krieg endete durch die beiderseitige Annahme der UN-Resolution 1701: Einstellungen aller Kampfhandlungen, Rückzug der Israelis, Vorrücken der Libanesischen Armee, unterstützt durch verstärktes Engagement der UNIFIL.

Gewonnen hat diesen Krieg eigentlich niemand. Die Israelis haben sich militärisch blamiert, wenngleich etliche Kriegsziele so einigermaßen erreicht wurden. Die Hisbollah hat den moralischen Erfolg, der israelischen Armee getrotzt zu haben, wie noch keine arabischen Streitkräfte zuvor, aber sie haben ihre Stellungen und nicht unerheblich an Material verloren. Am meisten verloren hat der Libanon: Tausende Tote und Verletzte, und die politische Lage ist so instabil wie seit dem Bürgerkrieg nicht mehr.

Beim ersten
Libanonkrieg war es ja so, dass die Israelis fürchteten die
PLO würde in Libanon immer stärker werden, und so haben sie
sich eine Ausrede gesucht und den Libanon angegriffen…aber
war ihre Absicht beim zweiten Libanonkrieg immer noch die
gleiche?

Wie dargestellt, ging es im 2. Libanonkrieg überhaupt nicht um palästinensische Angelegenheiten. Vergleichbar sind sie in der Hinsicht, dass Israel versuchte, Angriffen vom Libanon aus die Grundlage zu entziehen. Gemeinsam ist ihnen ebenfalls, dass die Ziele zwar beide Male halbwegs erreicht wurden, sie aber trotzdem als Fehlschläge gelten.

Gruß
Hardey

Hallo Hardey

Aber wir sind ja im Lande mit der statistisch höchsten
Wiederauferstehungsrate. Also die Hoffnung nicht fahren
lassen.

Indeed not, my friend:

http://www.ipcri.org/

(Falls Du es noch nicht kennst.)

Gruß
Wolf

.

Lieber Hardey,

ich möchte einige Anmerkungen aus eher israelischer Sicht anbringen.

Es widerstrebt mir etwas, obwohl ich das wortwörtlich „Naheliegende“ darein sehe…, von einem 1. und von einem 2. Libanonkrieg zu sprechen, in dem Sinne, daß beide Ereignisse in ihrer Verschiedenheit kaum miteinander in Beziehung zu setzen sind.

Die von Dir erwähnte Entführung war mehr als nur dies. Sie war ein heftiger Militärschlag auf israelischem Territorium, ohne jeden Grund ausgeführt, sozusagen als Belohnung für die Friedlichkeit der dortigen Grenze. Bei diesem Angriff wurden nicht nur der Grenzzaun und das gepanzerte Patrouillenfahrzeug der Zahal-Soldaten zerstört, sondern auch sechs von ihnen getötet. Da sie Araber waren, was den Angreifern nicht verborgen blieb, nahmen im Chaos der allerersten Zeiten lokale untergeordnete Dienststellen der Hisbollah an, auch die zwei Entführten seien arabische Muslime. Dementsprechend wurde unter Verletzung der Funkstille gejubelt, man habe es der Zahal gezeigt und mit Gegenaktionen sei nicht zu rechnen, da Israelis nicht für Muslime sterben würden. Ich komme darauf zurück, mache aber zunächst einen Schwenk über den Zustand der Zahal, des Generalstabes und des Ministeriums.

Zu dem gegebenen Zeitpunkt war die Moral der Truppe auf dem Tiefpunkt, höchstens mit der internen Krise von 1951 vergleichbar. Gegen einen Feind zu kämpfen, der nicht nur vermittelt, sondern als Hauptteil seiner Strategie vermitteln will, daß man keinerlei Rücksichten auf menschliche Gemeinsamkeiten zu nehmen gedenke, zermürbt eine Armee, die subjektiv keine Aussichten sieht, ihn je stellen zu können, anderseits den Eindruck bekommt, den anscheinend ewigen Besatzer hergeben zu müßen, da auf der anderen Seite niemand etwas Verpflichtendes und Änderndes abschließen wolle/könne. Hiebei spielt eine große Rolle die Enttäuschung über die bitteren Folgen aus der Vorleistung des Rückzugs aus Gaza. Zwar hatte der im geringen Ausmaß an kritischen Stellen ausgebaute Anti-Terror-Zaun (in Jerusalem als beinah 9 Meter hohe Mauer), zusammen mit anderen sehr wichtigen Fahndungs-Verfeinerungen, zu einem faktischen Verschwinden der Anschläge und Beschießungen geführt, moralisch wurde jedoch paradoxerweise diese Entwicklung lediglich innerhalb der Grenzpolizei als ermutigend angesehen. Der Zahal stach etwas ganz anderes ins Auge: Die Diskrepanz zwischen den vollmündigen Erklärungen der Politik und dem realen Unwillen, den Zaun tatsächlich zu bauen. Im Gegenteil, Teile davon wurden immer wieder von neuem abgebaut, und zwar nicht nur infolge von Gerichtsbeschlüßen, wogegen niemand was gehabt hätte. Die Zahal vertraute nicht mehr der Regierung (zurecht), verachtete den Minister (noch mehr zurecht) und den neuen Generalstabschef („nöcher“ mehr zurecht). Er war der Prototyp einer neuen Welle von Offizieren mit gutem Englisch und durch nund durch inkompetent, welche auf die reale oder vermeintliche Hoffnungslosigkeit der Lage mit pathologisch projektiver Totalverachtung des Feindes reagierten, dem sie jede aber auch jede Fähigkeit absprachen.
Die Truppe nahm das wahr, reagierte mit Verwahrlosung (komme drauf zurück). Die schwache Regierung und der noch schwächere Minister protegierten die „Neuen Blender“, da sie als pflegeleicht galten.

Dem Angriff an der Libanongrenze war der Angriff auf einen Panzer an der Gazagrenze vorausgegangen. Von Gaza aus baute die Hamas einen langen Tunnel auf israelisches Territorium, bis zum Rücken des Panzers (37 Meter vom Zaun entfernt). Der Angriff führte zur Tötung eines Soldaten und Entführung eines zweiten. Dies wurde durch symptomatische Versäumnisse möglich: Der Minister hatte die Kontrollflüge mit Spezialkameras einstellen lassen. Der Generalstabschef (selbst Flieger) hatte in seiner Hybris nichts dagegen. Die Soldaten pfiffen auf die Befehle: der Panzer wurde nicht bewegt, sondern hielt sich immer an derselben Stelle (lästige Treibstoff-Nachlieferungen entfielen), die Panzerluke war verbotenerweise offen, die Soldaten unbewaffnet am Abhören lauter Musik. Der in der Nähe zum Schutze der Panzer aufgebaute Wach-Turm hatte zu der Zeit zwei eingesetzte Wach-Soldatinnen. Die eine war in Sache Liebe unterwegs, die zweite mit MP3 Kopfhörern „bewaffnet“, schaute in die Gegenrichtung zu den Lichtern von Sderot. Die darauffolgenden tagelange kopf- und sinnlosen Aktionen, um den jungen Soldaten angeblich zu „befreien“ wollema lieber gar nicht erst erzählen.

Die Wirkung auf die Zahal kann man sich nicht verheerend genug vorstellen (in dem kleinen Land bewirkt die Militärzensur lediglich, daß Ausländer dies oder das vielleicht doch nicht erfahren. Innerhalb der Zahal erfährt jeder alles spätestens in 14 Stunden. Geheimhaltungsbefehle werden seit Anbeginn nicht ernst genommen, wie manche andere auch (so unzackig ist nicht einmal die dänische Territorialmiliz…).

In diese Katastrophe platzt der Angriff an der Nord-Grenze.

Dort ist noch schlimmer: Der befestigte Grenzkontrollweg wird in Gesamtlänge von Kameras überwacht. An der Angriffsstelle sind seit Wochen die Kameras ausgefallen. Das interessiert anscheinend kein Schwanz, wird aber von der Hisbollah wahrgenommen. (Nach den Ereignissen erweist sich, daß 8% der Kameras , zum Teil seit Monaten, auf der Strecke ausgefallen waren). Das Fahrzeug fährt befehlswidrig ohne Begleitfahrzeug ab. Nach dem Angriff setzen erwartungsgemäß die toten Soldaten ihre in 10 Minuten Abstand zu tätigenden Kontrollfunksprüche nicht mehr ab. Das interessiert kein Schwanz. Das Debakel wird sage und schreibe nach einer Stunde entdeckt. (Was die Hisbollahstellen in ihrer Meinung bestärkt, es erfolge keine Gegenreaktion). Inzwischen aber hat die Abwehr nach Abhören der Funksprüche längst den Stab mit der Falschmeldung alarmiert, zwei muslimische Soldaten seien entführt. Der Minister bekommt einen Nervenzusammnebruch, der Stab will intervenieren, man sei es der Moral der muslimischen Soldaten schuldig. Es existieren keinerlei realistische Pläne, das logistische, taktische und strategische Debakel ist komplett und umfassend.

Meiner Meinung nach handelt es sich um einen Sieg der Hisbollah. Daß er zu Lasten Israel, auf lange Sicht gesehen, gehen wird, bezweifle ich allerdings. Eine gestärkte Hisbollah könnte unter Umständen Israel nützlich sein.

Ich bestreite die Destabilisierung in Libanon als Folge des Krieges, sehe eher die Aktivitäten der Hisbollah als schleichende - zunächst destabilisierende - Machtergreifungsstrategie an, den Angriff auf Israel als Teil dieser Gesamtstrategie.

Dazu muß man sagen, daß bei der jetzigen Proporz-Machtverteilung im Libanon die Schiiten so ziemlich mit leeren Händen da stehen, sie jedoch längst die Mehrheit stellen. Dazu kommt ihre unbarmherizge sklavereiähnliche Unterdrückung in der Vergangebheit.

Das ganze hat die Zahal wachgerüttelt. Die Disziplin wird wiederhergestellt, die Moral baut sich auf. Die „Neuen Blender“ sind entmachtet. Der Minister ist sehr gut, der Generalstabchef noch besser. Die Truppe faßt Zuversicht. Nur der MP ist weiter die ursprüngliche Nulpe.

abifiz

.

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Hallo lieber Abifiz,

herzlichen Dank für deinen Beitrag, der Licht in verschiedene wenig beleuchtete Ecken bringt.

Es widerstrebt mir etwas, obwohl ich das wortwörtlich
„Naheliegende“ darein sehe…, von einem 1. und von einem 2.
Libanonkrieg zu sprechen, in dem Sinne, daß beide Ereignisse
in ihrer Verschiedenheit kaum miteinander in Beziehung zu
setzen sind.

Warum nicht? Spricht man nicht auch vom ersten, zweiten und dritten Golfkrieg, die mindestens ebenso verschieden sind?

Die von Dir erwähnte Entführung war mehr als nur dies. Sie war
ein heftiger Militärschlag auf israelischem Territorium, ohne
jeden Grund ausgeführt, sozusagen als Belohnung für die
Friedlichkeit der dortigen Grenze. Bei diesem Angriff wurden
nicht nur der Grenzzaun und das gepanzerte Patrouillenfahrzeug
der Zahal-Soldaten zerstört, sondern auch sechs von ihnen
getötet.…

Natürlich. Und ich bemerke zum meinem Missvergnügen, dass ich die beim Überfall Getöteten in meiner obigen Antwort einfach unter den Tisch fallen ließ.

Doch versuchte ich vor allem den Unterschied dieses Zwischenfalls zu all den früheren an der libanesischen Grenze herauszuarbeiten. Was war die Initialzündung, die die Israelis bewog, dieses Mal den Zwischenfall nicht hinzunehmen, bzw. mit Artilleriebeschuss zu erwidern, sondern einen militärischen Gegenstoß zu unternehmen? Raketen flogen schon seit Monaten, Beschuss von Grenztruppen war nicht unüblich, Opfer hatte es auch schon gegeben. Hingegen wurden erstmalig (bzw. zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit nach Gilead Shalit) zwei Soldaten entführt.

Wohl bist du näher dran und kannst es vielleicht besser beurteilen, doch ich habe festgestellt, dass die Entführung von Landsleuten für Israelis einen völlig anderen Stellenwert hat, als für andere Nationen. Ron Arad, seit 1986 vermisst, ist den Israelis noch heute ein Begriff und die Bemühungen, etwas über seinen Verbleib zu erfahren, ging bis hin höchste Diplomatenkreise. Ich erinnere mich an die Diskussionen über die Freilassung der Susanne Osthoff aus irakischer Geiselhaft, wo kritisch angemerkt wurde, ob es richtig gewesen wäre, größere Geldzahlungen an die Entführer zu leisten, worauf eine Israelin entgeistert bemerkte, es wäre doch nur Geld.

Meiner Meinung nach handelt es sich um einen Sieg der
Hisbollah. Daß er zu Lasten Israel, auf lange Sicht gesehen,
gehen wird, bezweifle ich allerdings. Eine gestärkte Hisbollah
könnte unter Umständen Israel nützlich sein.

Sieg der Hisbollah? Propagandistisch vielleicht. Faktisch sehe ich keinen Erfolg. Ich sehe auch so richtig keine Niederlage Israels, die Schwachstellen der IDF wurden schonungslos aufgedeckt, wie du anschaulich beschriebst. Verloren hat Israel nichts. Und bis jetzt ist es an der Nordgrenze ruhiger als vorher.

Ich bestreite die Destabilisierung in Libanon als Folge des
Krieges, sehe eher die Aktivitäten der Hisbollah als
schleichende - zunächst destabilisierende -
Machtergreifungsstrategie an, den Angriff auf Israel als Teil
dieser Gesamtstrategie.

Richtig. Die Lage im Libanon war schon vor dem Krieg verworren genug. Allerdings sagt man mir, dass das Ansehen der politischen Führung von Null ins Bodenlose sank.

Dazu muß man sagen, daß bei der jetzigen
Proporz-Machtverteilung im Libanon die Schiiten so ziemlich
mit leeren Händen da stehen, sie jedoch längst die Mehrheit
stellen. Dazu kommt ihre unbarmherizge sklavereiähnliche
Unterdrückung in der Vergangebheit.

Zustimmung.

Das ganze hat die Zahal wachgerüttelt. Die Disziplin wird
wiederhergestellt, die Moral baut sich auf. Die „Neuen
Blender“ sind entmachtet. Der Minister ist sehr gut, der
Generalstabchef noch besser. Die Truppe faßt Zuversicht. Nur
der MP ist weiter die ursprüngliche Nulpe.

Aber weißt du einen besseren? In aussichtsreicher Position? Bitte sage jetzt nicht Bibi Netanyahu.

Gruß
Hardey

Kurz noch…
.

Lieber Hardey,

die „Gründe“ (oder vielleicht eher die Anlässe…) für die spezifische Reaktion hab’ ich versucht aufzuzählen: Im Generalstab die Wahrnehmung, so ginge es nicht weiter, die Moral würde sonst völlig schwinden; selbst würde man als Blender entlarvt (wenn auch letzte Empfindungen - man verzeihe mir das sehr dumme Wortspiel - selbstredend in Tarnuniform auftraten…), die eigene Autorität sich verflüchtigen; dann die kurzzeitige Fehlannahme, es handle sich um muslimische Soldaten, das Ausbleiben eines massiven Eingreifens könne man den nicht-jüdischen Troupiers nicht zumuten; die Neigung zur Hybris; das Gar-nicht-verstanden-Haben wie lange her der Vorfall schon war (wie gesagt, er hatte schon eine Stunde, bevor er registriert wurde, stattgefunden, im Stab aber wußte man das nicht, nahm an, er sei maximal 10 Minuten, vielleicht weniger, alt: Die angeblichen „Beratungen & Abwägungen“ dauerten 26 Minuten (!), nach 27 einhalb Minuten segnete die Nulpe den „Plan“ ab, das heißt, man rechnete damit, die Entführung sei zwischen 37 einhalb und 31 Minuten alt, man würde die Wagenkolonne noch erwischen (vorsorglicher Startbefehl war den Jägern und Hubschraubern sofort gegeben worden); das frische Debakel mit Gilead und den „Versuchen“ zu seiner Befreiung saß jedem in den Knochen; letzlich wollte im Stab so richtig niemand wissen, in welchem miserablen logistischen Zustand die Bodentruppen waren, zumal der bekloppte Chef überzeugt war, auf „so was“ weitestgehend verzichten zu können; außerdem hatte man sich seinerzeit geweigert, die Berichte des zuständigen Dienstes (des Anan) über die Totalbefestigung des Südlibanons durch die Hisbollah, sowie über ihre gelungene Professionalisierung zur Kenntnis zu nehmen (O-Ton: „Wen interessiert das?!“). Auf der Seite der Nulpe war es wohl die Eingebung, von der gefühlten Null zum großen Staatsmann mutieren zu können, auch die Freude, über den nicht „vernehmungsfähigen“ Minister triumphieren zu können, letztlich ängstlich-stolze Ahnungslosigkeit von nichts, aber viel „Guter Wille“ (!).

Ein selbstentzündliches sich selbst katalisierendes Konglomerat von Teilanlässen, in einer Atmosphäre der Hektik, der Aufregung, des Termindruckes.

Was Bibi angeht übrigens, da ist jede Nulpe besser. Betrachte ihn als dreizehnte ägyptische Plage (die elfte ist die jüdische Mamme, die zwölfte, schlimmere, meine eigene Mamme selig; Bibi kommt gleich nach…).

Ich halte einiges von der guten Livni und versuche sie zu unterstützen: Durch ihr dummes Vorpreschen ein Tag zu früh und anschließendes Schwanzeinziehen hat sie freilich auch eine Menge Federn lassen müßen. Im Moment jedoch sehe ich sonst niemanden für wen das Land mehr als ein müdes trauriges Lächeln hätte…

Ein Wort noch zu Ron: in jedem Kinderzimmer hängt sein Bild, jeden Tag denkt jeder an ihn. Als wir jetzt in der Raumstation waren, war für jeden von uns in erster Linie Ron, der dort oben seine Runden drehte, auf uns schaute, uns zuwinkte…

abifiz

.

Fühle dich reich besternt! ************* & *
Lieber Abifiz,

Klasse Beitrag, ich wiederhole mich. Es bleibt mir nichts einzuwerfen zur Thematik des Beginns des Libanonkriegs und der israelischen Generalität.

Aber was Nullpen und ägyptische Plagen angeht, da hätte ich noch eine Frage:

Was Bibi angeht übrigens, da ist jede Nulpe besser. Betrachte
ihn als dreizehnte ägyptische Plage (die elfte ist die
jüdische Mamme, die zwölfte, schlimmere, meine eigene Mamme
selig; Bibi kommt gleich nach…).

Wenn Bibi schon die 13. Plage ist, was ist dann Lieberman und seine Israel Beitenu?

Ich halte einiges von der guten Livni und versuche sie zu
unterstützen: Durch ihr dummes Vorpreschen ein Tag zu früh und
anschließendes Schwanzeinziehen hat sie freilich auch eine
Menge Federn lassen müßen. Im Moment jedoch sehe ich sonst
niemanden für wen das Land mehr als ein müdes trauriges
Lächeln hätte…

Livni mag ich auch. Allerdings, Olmert war auch ein ganz passabler Minister bevor er zum schwachen Ministerpräsidenten wurde. Hat Livni wirklich das Format voranzugehen, eine Spur zu legen und zu führen? Ohne militärische Führungserfahrung?

Gruß
Hardey

Hallo,

Schade,

… Zwar hatte der im geringen Ausmaß an kritischen Stellen
ausgebaute Anti-Terror-Zaun …

Soll ich das „zynisch“ verstehen oder verrätst Du Dich hier:wink:

(Kann ich so klar nicht erkennen.)

Deine Schilderung ist imho ganz ok (bis auf „Färbungen“),
aber:

Meiner Meinung nach handelt es sich um einen Sieg der
Hisbollah. Daß er zu Lasten Israel, auf lange Sicht gesehen,
gehen wird, bezweifle ich allerdings. Eine gestärkte Hisbollah
könnte unter Umständen Israel nützlich sein.

hier ist imho doch das Wunschdenken mit Dir durchgegangen.

Und

Das ganze hat die Zahal wachgerüttelt. Die Disziplin wird
wiederhergestellt, die Moral baut sich auf. Die „Neuen
Blender“ sind entmachtet. Der Minister ist sehr gut, der
Generalstabchef noch besser.

woher kannst Du wissen, daß das nicht mehr als bloße Beteuerung
oder frommer Wunsch ist. Wieso sollte in einer Armee, die durch
einen belächelten Gegner deklassiert wurde, plötzlich „alles viel
viel besser werden“?

Grüße & Dank für die ausführliche Schilderung

CMБ

obszon

verloren. Am meisten verloren hat der Libanon: Tausende Tote
und Verletzte, und die politische Lage ist so instabil wie
seit dem Bürgerkrieg nicht mehr.

Tausende Tote? Also mehr als 1999 Tote?
Das ist nicht wahr.

‚Und‘ und die Addition
Lieber Karl Heinz

verloren. Am meisten verloren hat der Libanon: Tausende Tote
und Verletzte, und die politische Lage ist so instabil wie
seit dem Bürgerkrieg nicht mehr.

Tausende Tote? Also mehr als 1999 Tote?
Das ist nicht wahr.

Freundlicherweise hast du meinen Text zitiert: Tausende Tote und Verletzte.
Nach offiziellen libanesischen Quellen gibt es

1191 Tote und
4409 Verletzte.

5600 Tote und Verletzte.

Und nu?

Gruß Hardey

PS. Nein, ich werde das Wort PISA nicht in den Mund nehmen.
PS2. Nichts für ungut. :wink: