Testament: Aufteilung und Ansprüche eines Kindes

Hallo Experten,
hier ein Fall aus meinem Bekanntenkreis: Eine ehemalige Lehrerin (Sabine) wird mit 45 Jahren aufgrund von MS und Rheuma pensioniert - arbeitsunfähig mit GdB 100 aG. Da ihre Pension nicht ausreicht erhält sie vom Sozialamt Wohngeld und anteilig Aufstockung.
Nach ca. 12 Jahren wird sie, da sie sich nicht mehr selbst versorgen kann, in ein alternatives Wohnprojekt Ibbenbüren verlegt - eigenes Zimmer mit eigenen Möbeln, Vollverpflegung und ggf. Hilfe im Krankheitsfall. Dort lebt sie seit 3 Jahren und erhält monatlich über eine Betreuerin 120€ Taschengeld.
Nun ist ihr Vater gestorben, der nochmals geheiratet hatte. Im Testament des Vaters (Notarurkunde) wurde festgelegt, dass seine jetzige Frau Alleinerbin ist.
Nach ihrem Tod (2. Frau) soll Sabine 2/5 des Gesamterbes erhalten. Das Gesamterbe beläuft sich auf ca. 300.000 € für das Haus plus Möbel und evtl. Bargeld. 3/5 sollen die Kinder der Frau erhalten.
Nun meine Fragen:

  1. Erbt Sabine nach dem Tod der 2. Frau ihres Vaters überhaut etwas oder gehen sofort ihre 2/5 Anteile an die Kommune/Sozialamt?
  2. Muss Sabine ihrer Betreuerin den Tod ihres Vaters melden?
  3. Welche Rechte hat die Betreuerin bezüglich Testament?
  4. Gibt es irgendwelche Verhaltensweisen von Sabine bzw. notwendigen Reaktionen hinsichtlich des Testaments?
    Für alle fachlichen Hinweise vorab von uns eine dickes „DANKE“!
    Rene

Für welche Aufgabenkreise ist die Betreuung denn überhaupt eingerichtet? Mir erscheint es etwas merkwürdig, dass Sabine mit 60 Jahren aufgrund von MS und Rheuma nicht in der Lage sein soll, ihre Vermögenssorge selbst wahrzunehmen. Wobei ich mich eigentlich überhaupt frage, warum eine Betreuung eingerichtet wurde.
https://www.bundesanzeiger-verlag.de/betreuung/wiki/Aufgabenkreis

Sabine erbt nicht erst nach dem Tod der 2. Frau sondern, pflichtteilsberechtigt , bereits nsch dem Tod des Vaters. Auch ein notarielles Testament kann diese gesetzliche Regelung nicht ausser Kraft setzen.
Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteiles und ist sofort in bar fällig. Und da kann selbstverständlich, je nach Höhe, die Auflage bestehen, dass Sabine zunächst, bis auf den Freibetrag, ihe Erbe zur Lebenshaltung verwenden muss.
Genauso läuft das dann auch nach dem Tode der 2. Frau des Vaters. ramses90

Die Betreuung wurde von ihrer „Stiefmutter“ aktiviert, da Sabine Probleme mit Geld und allgemeiner Pflege hatte.

Eine Betreuung ist bis auf ganz wenige Ausnahmen eine freiwillige Angelegenheit! Vielleicht sollte Sabine sich dringend einmal persönlich beraten lassen. Das betrifft auch den Umgang mit dem Testament. Völlig untauglich ist eine „Beratung“ in einem Internetforum und schon gar nicht über Dritte.

Sabine hat die Möglichkeit zu einem Sozialverband zu gehen und / oder zu einem Rechtsanwalt. Letzteres über einen Beratungsschein. Das würde vor allem den Erb-Teil meinen.

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Nein, dass stimmt so nicht. Die Betreuung wird durch das zuständige Gericht angeordnet, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, und das Gericht hiervon Kenntnis (z.B. durch eine formelle Betreuungsanregung) erhalten hat. D.h. die „Stiefmutter“ mag hier diejenige gewesen sein, die die Anregung an das Gericht gegeben hat (dies kann jedermensch jederzeit in Bezug auf x-beliebige Menschen tun). Das Gericht hat dann aber von Amts wegen ermittelt, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung in bestimmten Aufgabenkreisen notwendig ist, und diese dann eingerichtet.

Selbstverständlich kann die Betroffene jederzeit eine Überprüfung der Notwendigkeit eines Fortbestands der Betreuung verlangen, und das Gericht wird im Falle der erstmaligen Anordnung ohnehin hierfür eine überschaubare Frist vorsehen, wenn nicht zu 100% klar ist, dass es sich um einen Dauerzustand handelt (z.B. bei Demenz, dauerkomatösen Betroffenen, ohnehin nur noch geringer Lebenserwartung, …)

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Der Pflichtteilsanspruch ist kein Erbe! Denn während letzteres durch die Universalsukzession automatisch mit dem Erbfall entsteht, muss ein Pflichtteilsanspruch zunächst gegenüber dem/den Erben geltend gemacht werden. Und unterbleibt diese Geltendmachung, dann gibt es auch kein Pflichtteil.

Spannend in Fällen wie diesem ist allerdings, dass der Sozialleistungsträger nach § 93 SGB XII berechtigt ist, sich den Pflichtteilsanspruch eines Berechtigten durch Anzeige gegenüber dem/den Erben überzuleiten. D.h. dem Berechtigten wird dann die Entscheidungsfreiheit, ob er seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen möchte oder nicht, genommen, und der ihm zustehende Pflichtteil landet dann - bis zur anrechenbaren Höhe - beim Sozialleistungsträger.

Deshalb wird bei so genannten Behindertentestamenten gerne mit einem Pflichtteilsverzicht agiert (soweit die Betroffenen geschäftsfähig sind). Diese Lösung bietet sich auch in sonstigen Fällen von Sozialleistungsbezug an, wenn man über eine Erbregelung mit entsprechenden Auflagen eine Teilhabe am Erbe so gestaltet, dass die dem Betroffenen zugute kommenden Anteile immer so über einen Testamentsvollstrecker zur Verfügung gestellt werden, dass keine Anrechenbarkeit auf die Sozialleistungen gegeben ist. Als Steuerzahler darf man dies natürlich selbstverständlich kritisch sehen.

Hier ist der Zug für einen Pflichtteilsverzicht allerdings abgefahren, da dieser zu Lebzeiten des Erblassers hätte beurkundet werden müssen.

D.h. da die Berechtigte hier erkannt hat, dass ihr Ansprüche nach dem Tod des Vaters zustehen könnten (dies muss sich nicht konkret auf einen Pflichtteil beziehen), muss sie hierüber (ggf. über den Betreuer) Mitteilung an den Leistungsträger machen, der sich dann vermutlich den Pflichtteilsanspruch überleiten und gegenüber den Erben geltend machen wird. Nach Versterben der Stiefmutter droht dies dann auch für den dann zugedachten Erbteil, sollte sich die finanzielle Situation der Betroffenen nicht so geändert haben, dass diese keine Sozialleistungen mehr benötigt.

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Und diese, erbende Stiefmutter ist die Betreuerin von Sabine?
Wenn ja, sollte da schleunigst zur Not mit anwaltlicher Hilfe, dieser Status geändert werden. ramses90

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Das ist ja soweit richtig. Allerdings ist auch die Frage, inwieweit die Betroffene überhaupt über die Rechte und Möglichkeiten aufgeklärt war. Das ist beileibe nicht selbstverständlich!

Und wenn, wie in diesem Fall, zumindest die Initiatorin der Betreuung (wenn nicht gar die Betreuerin, was dann schon heftig wäre!) unmittelbar in die Erbschaftsangelegenheit verwickelt wird, wird es ziemlich schwierig! Zumal diese ja einen echten Interessenkonflikt hat.

Ich wiederhole also meine Anregung, dass da jemand eingeschaltet wird, der eindeutig und unzweifelhaft die Interessen von Sabine wahrnimmt.

An ALLE!
Vorab danke für die Hinweise.
Wir haben mittlerweile einen Rechtsanwalt mit den Interessen von Sabine beauftragt incl. Beratungsschein.
Liebe Grüsse
Rene