Doch alle Lust will Ewigkeit
Hi Ivy
ich hab deinen Artikel „Träume…“ und die Antworten darauf gerade gelesen…
Meine Träume beschäftigen mich noch immer sehr.
Die „Tiefe“ der Trauer ist wohl immer auch der Bedeutsamkeit des Verlorenen gleich. Tod - wie sonst auch jede andere Art des Verlustes geliebter Menschen, den wir auch metaphorisch als Tod erleben - erscheint dem rationalen Denken notwendigerweise als widersinnig, unsinnig: der Gedanke, die Idee, kennt den Tod nicht… oder - um es mit Nietzsche zu sagen:
_O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
"Ich schlief, ich schlief -,
aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Die Welt ist tief,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit!"_
Und gerade diese Auseinandersetzungen des Bewußtseins mit dem, was ihm widersinnig erscheint, diese Kämpfe zwischen dem, was im physischen, materiellen Sinne als „wahr“ anerkannt werden muß und dem, was der Idee nach nicht als „wahr“ anerkannt werden kann: Das ist die „Arbeit“, die wir Trauer nennen - Arbeit die nicht in Zeitmaß zu pressen ist, Arbeit, von der niemand sagen kann, wann sie aufgehört haben wird. Wir wissen nur, wann sie angefangen hat. Trauer ist die „gesunde“ Revolte des Denkens gegen das, was im ideellen Sinne „unwahr“ ist. Sie ist keineswegs „Krankheit“ (egal, wie lang sie dauert, so ein Unsinn… Trauer hört nicht auf, sie rückt nur im fortschreitenden Leben allmählich an den Rand des Horizontes), es sei denn - wiederum mit Nietzsche gesagt - man meint damit die „Krankheit - Mensch genannt“.
Der Traum ist einer der Modi des Bewußtseins, diese ungeheuren „inneren“ Turbulenzen zu durchleben, durchzuarbeiten. Die Inhalte sind viel zu komplex für das wache Bewußtsein des Tages: Deshalb zeigt er es ihm in Form von Bildern, die immer mehr enthalten, als sie „auf den ersten Blick“ scheinen lassen. Das Bewußtsein weiß das - deshalb bildet sich die Ahnung, daß sie deutbar, entschlüsselbar wären.
Es ist auch möglich, sie zu entschlüsseln. Keineswegs aber "ein"deutig (den Weg dazu hab ich im FAQ „Traumdeutung“ kurz dargestellt FAQ:286 ). Daß du diese Träume träumst, auch wenn dir ihre Häufigkeit und Dichte überraschend erscheinen mag, ist keinesweg Anlaß zur Beunruhigung. Es ist selbstverständlich, da sich deine Träume, wenn ich dich recht verstanden hab, gerade mit diesem Ereignis auseinandersetzen, mit dem du sich auch im Wachbewußtsein beschäftigst, daß diese Traumerinnerungen viel häufiger den Prozess des Wachwerdens überstehen, als das sonst der Fall ist …
Schreib sie auf oder schreib sie nicht auf, versuche sie zu erinneren oder versuche es nicht, deute sie (im dafür geeigneten Dialog) oder deute sie nicht: ihren Inhalt - deine Auseinandersetzung mit dem Geschehenen - und damit auch ihren Zweck, erfüllen sie in jedem Fall…
Ich denke, ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, suizidgefährdet bin ich nicht
das hat wohl auch niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, vermutet und einen Kommentar zur der abwegigen Konjunktion von Trauer und Depression erspare ich mir höflich.
… ich habe Angst einen weiteren Menschen auf diese Art zu verlieren.
Ja. Und dies macht es nur durch das Ereignis bewußt, was im Grunde ja immer so ist: Sobald wir anfangen zu lieben, setzen wir uns der Gefahr des Schmerzes aus …
Auch das Lieben will niemals einsehen, daß es endlich ist, wie alles.
Auch Lieben ist eine Revolte des Geistes gegen die Endlichkeit der Natur.
Und dann folgt der nächste Gedanke: will ich mich je wieder in einer Beziehung so fallen lassen, wenn die Möglichkeit besteht solch einen Schmerz noch einmal erleben zu müssen?
Ganz sicher wirst du wieder … die Lust des Sichfallenlassens besiegt jede Angst vor Schmerz - nicht zu jeder Zeit, aber wenn die Zeit da ist, letztlich doch.
Ich habe manchmal den Einruck, ich denke zu viel.
*smile* es gibt kein „zuviel“ im Denken
reiche dir die Hand
Metapher