Wann darf man Leute unterbrechen?

Servus,
es kommt ja vor, dass jemand (bewusst) wortreich an der Frage vorbei antwortet, oder in einer Besprechung mit 10 Kollegen immer nur 2 einen Dialog führen oder jemand detailliert etwas erklärt, das schon bekannt ist.
Wie geht man damit am besten um?

Oder aus anderer Perspektive: Was sagt man denen, die anderen ständig ins Wort fallen?

„Bitte seien Sie so nett und lassen mich zu Ende sprechen. Sie haben danach Gelegenheit, Fragen zu stellen!“

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Für beide Fälle gibt es auch in Rhetorikschulungen (die meisten Politiker machen eine solche durch, auch wiederholt) keine einfachen Gebrauchsanweisungen. Es hängt sehr von dem Szenarium ab, in dem mehrere Gesprächsteilnehmer agiern. Zum Beispiel davon, ob es eine Moderation gibt (die - eigemtlich - gelernt haben sollte, in solche Situationen einzugreifen). Auch von dem intellektuellen Niveau der Teilnehmer. Dann auch von dem Anliegen bzw. Zweck des Zusammenfindens der Runde.

Empfiehlenswert ist immer, öffentliche Beispiele genauestens zu studieren. Zum Beispiel Talkshows im TV, die man aufnehmen und nachträglich en detail rekapitulieren kann: Mit welchen Worten und in welchem Augenblick könnte man Person X effizient ausbremsen?.

Aber noch wichtiger ist das Umgekehrte: Wie schaffen es z.B. fast konkurrenzlos gekonnte Fließbandrednerinnen wie Sarah Wagenknecht oder Luisa Neubauer, daß in Talkshows selbst beschlagene Rhetoriker sich vergeblich die Kiefer ausrenken, um sie auszubremsen, geschweige denn das Wort zu übernehmen? Es sind bestimmte (und lernbare) rhetorische Techniken, die den Gesprächsgegner hilflos („Ja, aber …“) vor der Tür stehen lassen: z.B. Formulierung von Gedankengängen so, daß am Ende einer Aussage (ohne Atempause!) durch eine geeignete Konjunktion ("… und außerdem …", „… und das ist dasselbe wie …“ usw.) der nächste Gedankengang angesetzt wird, meist zu einen Seitenthema. Ferner spielt Intonation und Lautstärke eine wesentliche Rolle. Wesentlich ist auch die Präzision der Ausdrucksweise (perfekte Grammatik) und das Fehlen jeder Redeflussstörung („äh“, „öhm“).

Redner mit erheblichen Redeflussstörungen (mehrere „äh“ in jedem Satz, vielfache Silben- und Wortwiederholungen. Beispiel Günther Jauch) sind dagegen jeder Zeit leicht unterbrechbar.

Noch weitere wichtige Elemente gehören dazu, wie z.,B. die Führung des Gedankenganges (so, daß der Zuhörer bzw. Gegner an der Fortsetzung selbst interessiert ist. Oder die möglichen Gegenargumente selbst bereits vorweggenommen wirden). Soetwas reduziert die Möglichkeiten das Gespräch zu übernehmen auf ein Minimum. Da sind dann oft die Gegner nicht „schnell genug im Kopf“, den Punkt zu finden, wo sie einhaken können.und die Worte (und Argumente) zu formulieren, mit denen sie eingreifen könnten.

Ähnlich ist es beim Umgang mit rhetorischen Wadenbeißern, die penetrant und permanent unterbrechen. Nerviger Meister darin: Markus Lanz. Auf den fallen die meisten Gesprächsteilnehmer herein, indem sie sich tatsächlich unterbrechen lassen. Und zwar, weil sie dessen Einwürfen schlicht zuhören. Das tun Redner wie die beiden obengenannten Damen zum Beispiel nicht. Dadurch läuft Lanz auch bei ihnen gegen den Poller. Das einfachste Mittel gegen solche Unterbrecher ist: Ungestört weiterreden. Das geht aber ebenfalls nur beim Reden mit „wohlgesetzten Worten“. Reden in Anakoluthen (halbe, grammatisch nicht komplette Sätze) ist dagegen aussichtslos.

Übrigens - wie die Erfahrung lehrt - ist die „höfliche Bitte“, doch zu Ende reden zu lassen - je nach Niveau des Szenariums - fast immer sinnlos. Es zeigt meistens dem wadenbeißenden Gegner lediglich rhetorische Hilflosigkeit.

Auch hier ist es nützlich, solche Szenarien en detail oder sozusagen in Zeitlupe zu studieren und sich „auf dem Trockenen“ Möglichkeiten der Reaktion durch den Kopf gehen zu lassen. Solche Übungen trainieren auch die Schlagfertigkeit.

Gruß
Metapher

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Ich glaube, der ist ein schlechtes Beispiel. Immerhin ist das seine Sendung und er bestimmt die Spielregeln. Man hätte ja nicht kommen müssen.

Von der Erziehung kennen wir das: Man muss die Leute erstmal aussprechen lassen.
Dieses anerzogene Verhalten nutzen manche gnadenlos für sich aus. Wir hatten hier ja kürzlich über die betrügerichen Buchverkäufer gesprochen.
Was für normale Diskussionen gilt, hast du ja schon richtig beschrieben. Es kommt darauf an.
Bei Reinquatschern sollte man stur weiterreden. Im Rededurcheinander wird er vermutlich irgendwann aufgeben und man äußert „Ja wenn wir beide immer gleichzeitig reden, versteht keiner was“.
Auch der Hinweis, man habe das Gegenüber vorher auch ausreden lassen, hilft nicht selten.

Man kann auch beim Nachdruck die Form bewahren.

Oder man könnte, nach einer Warnung, einfach wieder gehen, was ich zugegebenermaßen gerne einmal erleben würde:
„Herr Lanz, ich versuche so sparsam und umfassend wie möglich auf Sie alle hier einzugehen, aber es stört mich erheblich wenn Sie mich dauernd dabei unterbrechen. Hören Sie mir jetzt bitte zu! Also werde ich Ihre Sendung verlassen wenn Sie ab jetzt noch einmal tun.“
Und dann kurze Zeit später, weil er es natürlich NICHT lässt.
„Na schön, schönen Talk noch“
Ich würde es rahmen, beweihräuchern und auf meinen Hausaltar platzieren, direkt neben dem Buzz Aldrin Punch,

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Leider steht dieser einfachen Maßnahme die Mediengeilheit der Eingeladenen, ob Politiker oder nicht, im Wege.

Eine derart peinliche Nummer hätte sich jemand dann in einer Talkshow sicher zum letzten Mal geleistet. Zumindest ein Politiker, dessen ureigenstes Interesse es doch gerade ist, zu demonstrieren, daß er sich in öffentlichen Kampfdialogen zu bewähren versteht.

Einer der wenigen, die es sich - zumindest in persönlichen Interviews, aber auch niemals in Talkshows - schadlos leisten konnten, in solcher Weise auf beleidigte Leberwurst zu machen, war Helmut Kohl.

Gruß
Metapher
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@Metapher
Sie würden also so jemanden nicht wählen? Da.unterscheiden wir uns wohl erheblich. Zudem halte ich jemanden der sich gegen eine ständige sehr, sehr unhöfliche Provokation zur wehr setzt eher für ehrlich als für eine ,beleidigte Leberwurst, worin wir uns wohl ebenfalls sehr unterscheiden.

P.S. Wie ich erfuhr stehen mir als Neuling 20 Antworten pro Tag zu, was natürlich keine echte Diskussion erlaubt.

Erwartungen, Bitten an Übergriffige- und nichts anders sind permanente Unterbrecher- sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

In der Sendung Lanz vom 5 September zeigt uns in einem Paradebeispiel der Ökonom Jens Südekum wie man es macht:
Als C. Dürr ihn (und vorher auch andere) penetrant zu unterbrechen versucht lässt er sich nicht unterbrechen. Er spricht ganz einfach weiter, bis er gesagt hat, was er sagen wollte.
Das kann er , weil er sehr bei seiner Sache ist, seinen Punkt klar hat und seinen Gesprächsraum nicht beschneiden lässt.
Er macht sich nicht vom Gegenüber abhängig durch Bitten, sondern er lässt sich nicht aus seiner Redezeit drängen.
Übergriffige greifen nach genau dem Raum, den man ihnen gibt.
#Selbstverantwortung

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Ich kenne speziell diese Sendung nicht. Hatte man denn trotzdem verstanden was er sagen wollte?

Gute Frage! Ja, am Ende hat er seinen Punkt sehr deutlich gemacht.
Es könnte aber sein, dass der Moderator, der m.A. nach diese spannungsreiche Sendung gut moderiert hat und einige Male zuvor unterbrochene Punkte noch einmal kurz zusammen gefasst hat, das auch an dieser Stelle getan hat.
Aus eigener Erfahrung habe ich gelernt, dass, wenn man ein paar Mal Bescheid gesagt hat und im zweiten Schritt gleich unbeirrt weiter redet, das Gegenüber bemerkt, dass Grenzen abgesteckt sind.

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Was hat das denn mit dem Thema hier zu tun?
Es geht um wirksame rhetorische Techniken, wie → hier bereits beschrieben.

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