Hi Bastler,
hab auch was beizutragen. TL;DR-Zusammenfassung:
- M-Disk und alle möglichen Standarddateiformate sind dein Freund.
- Cloud-Dienste sind in jedem Fall ungeeignet, ganz unabhängig vom Datenschutz
- Ohne Apokalypse oder Krieg wird es auch in 20 Jahren noch irgendeine Art Computer/Tablet geben
- je nach Wert der Daten ist der Aufwand klein bis groß
- Auch bei Papier-Fotos gibt es Stolpersteine (UV-Beständigkeit usw). Papier ist bei großen Fotoarchiven unrealistisch
- Fotos haben das Problem, dass sie schlecht vor Feuer und Diebstahl geschützt sind
Langfassung:
Was du suchst ist KEINE Datensicherung, sondern eine Datenarchivierung. Sowas plant man üblicherweise auf 15 bis 20 Jahre, auch wenn auf Fotopapier ausbelichtete Fotos auch gern mal 100 Jahre halten. Aber wir rechnen mal mit 20 Jahren.
Bei der Langzeitarchivierung hast du genau die zwei Probleme, die du beschreibst:
- hält das Medium so lange?
- Gibt es noch Hardware und Software, die das nach der Zeit auch lesen können?
Also fällt die Cloud schonmal weg, weil sie 1. nicht sicher erfüllen kann. Wenn google oder irgendein anderer Anbieter seinen Dienst einstellt, sind die Daten weg. Darauf hast du keinen Einfluss, schon gar nicht über 20 Jahre. Zudem hast du vielleicht nach 20 Jahren die Zugangsdaten nicht mehr oder so. 20 Jahre sind lang!
Die externe Festplatte könnte funktionieren, allerdings ist deren technische Komplexität sehr hoch und damit auch die Ausfallwahrscheinlichkeit. Das beginnt bei mechanisch bewegten Teilen geht über mögliche Entmagnetisierung einzelner Bits und endet nicht zuletzt beim (nicht-standardisierten) Dateisystem. Wenn nur eines davon versagt, dann sind die Daten futsch. Also eher keine gute Idee.
Dann hast du die M-Disk ins Spiel gebracht. Das ist aus meiner Sicht im Moment tatsächlich die kostengünstigste Lösung, auch wenn die 1000 Jahre wohl eher ein Werbeversprechen sind. Sowas kann man nicht ohne massive Fehlermarge extrapolieren. Aber 20 Jahre wird sie schon durchhalten (nach meiner Erfahrung halten selbst die billigsten DVD-Rohlinge mehr als 10 Jahre).
Der Vorteil ist, dass die M-Disk mit jedem BluRay-Player gelesen werden kann. BluRay-Player sind Standardhardware, die so häufig eingesetzt werden, dass sie mit hoher Sicherheit auch noch in 20 verfügbar sind - oder aber die Discs von späteren Playergenerationen gelesen werden können. Auch eine ordinäre Audio-CD wird von mordernen BluRay-Playern noch gelesen. Da wird tatsächlich auf Abwärtskompatibilität geachtet.
An der Disc sind keine mechanischen Teile dran, die ausfallen könnten, auch keine Elektronik, nix. Wenn der Player kaputt ist, nimmt man halt einen anderen, aber die Daten sind davon - anders als bei Festplatten - unbetroffen.
Wenn dir die Daten sehr wichtig sind, dann lagere einfach 2 externe BluRay-Player verschiedener Hersteller mit verschiedenen USB-Versionen ein. Auch USB ist ein Standard, der im Moment so weit verbreitet ist, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch in 20 Jahren an jedem Computer/Tablet dieser Welt dran sein wird - oder es mindestens Adapter dafür gibt, so wie es auch heute Adapter von serieller Schnittstelle auf USB gibt.
Okay, also haben wir die Hardware im Griff. Kommen wir zur Software.
Achte darauf, dass deine externen Player keine Treiber-CD brauchen und sowohl in Windows als auch in verschiedenen Linuxen aus dem Stand funktionieren. Ansonsten ist es Murks.
Dann achte darauf, dass die Daten mit einem Standard-Dateisystem auf die Disc geschrieben werden. Wenn du zudem die Daten an sich in einem Standard-Dateiformat auf die Disc speicherst, dann wirst du auch in 20 Jahren noch Programme finden, die das lesen. Also alles, was in einer DIN/ISO/IEC/IETF/RFC beschrieben ist. Bsp.
- PDF oder noch besser PDF/A
- JPG, PNG, SVG, TIFF
- docx, xlsx, odt, ods
- txt, csv
- …
Was du nicht in diesen Formaten vorliegen hast, musst du konvertieren. Im einfachsten Fall druckst du alles mit einem PDF-Drucker, der PDF/A kann. Oder wenn es keine Druckfunktion und sonst keinerlei Möglichkeiten gibt, dann speichere dir Screenshots im PNG-Format weg.
Verzichte, wenn möglich auf Verschlüsselung, denn so ein Passwort steht dann im besten Fall auf irgendeinem Zettel, der beim nächsten Haus–brand–putz vernichtet wird. Damit wären die Daten dann zwar noch da aber wertlos. Und zudem gibt es zwar standardisierte Verschlüsselungsalgorithmen, aber kein standardisiertes Dateiformat für verschlüsselte Daten. Verzichte auf alles, was das spätere Wiederherstellen der Daten verkompliziert, also auch kein verpacken in zip/7z, auch wenn das eigentlich Standards sind. Aber du brauchst in all diesen Fällen immer noch ein zusätzliches Programm, was auch in 20 Jahren noch funktioniert.
Okay, das wars von der technischen Seite. Kommen wir zur menschlichen Komponente.
Bevor du die Daten archivierst, musst du sie ordnen und vernünftig benennen. Kein Mensch erinnert sich in 20 Jahren, was in den Dokumenten test.pdf oder brief.docx drinsteht. Sortiere die Dateien nach sinnvollen Kriterien. Benenne die Ordner und die Dateien nach ihrem Inhalt. Schließe alles aus der Archivierung aus, was du mit Sicherheit nicht mehr brauchst. Wenn das erledigt ist, dann gehts ans eigentliche Archivieren.
Je nachdem, wie wichtig dir die Daten sind, würde ich die Daten auf mindestens 2 Discs verschiedener Hersteller brennen. Wenn die Daten wichtiger sind, dann auch 3 oder 4 Kopien. Beim Brennen die niedrigstmögliche Brenngeschwindigkeit einstellen und während des Brennens den Rechner einfach in Ruhe lassen. Wenn es eine Funktion zum verifzieren der geschriebenen Daten gibt, dann diese verwenden. Die Discs dabei niemals mit den blanken Händen anfassen. Einmalhandschuhe aus Gummi verwenden, um das Risiko von Fett und Säure auf der Scheibe zu verringern.
Dann die Hälfte der Kopien in blickdichte Umschläge verpacken und diese in Folie einschweißen, um Luftfeuchtigkeit, Staubeintrag und UV-Strahlung zu minimieren. Aber wie gesagt, nur bei der Hälfte der Discs, falls die Folie oder die Umschläge irgendwas ausgasen und wiederum die Discs chemisch angreifen. Ganz unbedingt alles gut beschriften, mit geplantem Ablaufdatum und Inhaltsverzeichnis in Papierform.
Dann alle Kopien an weit voneinander entfernten Orten lagern (Bspw. zuhause und bei deinen 100km entfernten Eltern), dabei aber unbedingt die für die Disc spezifizierten Lagerungsbedingungen einhalten. Zwei unterschiedliche Orte beugen Feuer oder Diebstahl vor. Wenn eine Kopie durch Feuer oder Diebstahl zerstört wurde, muss dann natürlich eine neue Kopie erstellt werden. Aber hier musst du jetzt auf den Schutz deiner Daten achten. Da die Daten unverschlüsselt auf den Discs sind, kann jeder die Disc lesen und die Daten verwenden. Also solltest du die Daten nur Leuten geben, denen du wirklich vertraust. Eltern oder Geschwister sind da besser geeignet als der aktuelle Lebenspartner (Wer denkt bei einer Trennung wohl zuerst daran, seine Daten zurückzuholen?).
Dann würde ich nach 20 Jahren eine Kopie in einen Player einschieben und alle Daten auf einen Satz neuer Speichermedien mit zu dem Zeitpunkt aktuellem Stand der Technik kopieren. Wenn das fehlschlägt, nimmst du eine andere Kopie der Daten und versuchst, die fehlenden Teile zu ergänzen. Dann beginnt der Zyklus von neuem.
Okay, soweit so gut. Aber was ist, wenn du den Hochglanzprospekten doch nicht glaubst und unterstellst, dass so eine M-Disc nicht mal 20 Jahre durchhält?
Dann musst de es eben noch ein bisschen weiter treiben. Dann kannst du auch - unmittelbar vor dem Brennen der Daten - eine Liste mit Dateihashes machen, die du später immer wieder gegen den Inhalt der Discs vergleichen kannst. Damit weißt du dann mit Sicherheit, ob die Daten auf der Disc noch den Originaldaten entsprechen. Ein geeignetes Tool ist md5deep. Auch md5 ist ein Standard, den man auch mit anderen Programmen erzeugen kann, das folgt hier dem oben genannten Schema. Ja, ich weiß, md5 ist unsicher, da man Kollisionen provozieren kann. Aber wir reden hier nicht von mutwilligen Manipulationen, sondern von zufällig fehlerhaften Daten. Dafür ist md5 gut und um Größenordnungen schneller als „sicherere“ Algorithmen.
Das Vorgehen wäre:
Auf dem Rechner mit den Originaldaten erstellst du eine Liste mit individuellen Dateihashwerten. Natürlich musst du das auf deine konkreten Pfade anpassen.
md5deep –r "c:\wichtige Daten" > Hashwerte.txt
Die Datei Hashwerte.txt, das Programm md5deep sowie eine Anleitung in einer separaten text-Datei kopierst du mit auf die Disc.
Und dann kannst du auf der Disc die Hashes der Daten auf der Disc prüfen gegen die Hashes in der Liste.
md5deep –x Hashwerte.txt –r "BLURAY-Pfad" > c:\HashCheck.txt
Wenn die Datei c:\HashCheck.txt leer ist, dann ist alles gut. Wenn nicht, dann findest du dort die fehlerhaften Dateien gelistet.
Wenn du diese Prüfung alle 3-5 Jahre machst, erfährst du relativ zeitnah, wenn was nicht mehr stimmt. Dann kannst du dir von deinen verschiedenen Kopien immer einen vollständigen Satz korrekter Daten zusammenkopieren und den dann jeweils auf einen neuen Satz Discs vervielfältigen. Das macht zugegebener Maßen alle paar Jahre etwas Arbeit, aber dafür hast du tatsächlich die Sicherheit, auch nach 20 oder 100 oder 1000 Jahren wirklich noch die Daten zu haben, die du archivieren wolltest.
Am Ende ist es immer die Frage, wie sicher man seine Daten wirklich braucht. Je wertvoller die Erinnerungen hinter so einem Foto sind, desto mehr Aufwand kann und muss man betreiben.
Klar könnte man jetzt auch fragen, ob ein Ordner voll Fotos den Aufwand lohnt, weil man die ja auch in Papier aufbewahren könnte. Das stimmt natürlich. Aber auch hier gibt es Probleme. Das, was man in der Drogerie aus dem Automaten zieht, ist NICHT DOKUMENTENECHT. Es ist Tinte auf Papier, die durch UV-Einstrahlung vergilbt und sich chemisch mit der Zeit verändert. Gut gedacht - schlecht gemacht. Also muss es schon ein Foto aus einem echten Fotoprinter sein. Also so, wie es früher schon gemacht wurde, wo fotoaktives Papier mit den Bildinformationen belichtet und dann entwickelt wurde. Nur solche Fotos halten dann auch 100 Jahre oder länger. Sowas gibt es auch, das erkennt man zumeist daran, dass das Foto einen Rückseitendruck hat. Im Zweifel: Nachfragen!
Wenn es nur um ein einzelne wichtige Fotos geht, dann macht Papier unbedingt Sinn aber wenn man einige GB Fotos archivieren will, dann sind Papierfotos indiskutabel, weil sie teuer sind und viel Platz brauchen. Wenn man sie vor Feuer oder Diebstahl schützen will, dann muss man sie auch noch doppelt ausdrucken und braucht auch an zwei entfernten Stellen den vielen Platz.
Und zum Abschluss noch was zum Thema „in 20 Jahren gibt es keine PCs mehr“: Das mag stimmen für den apokalyptischen Fall eines fortgesetzten Stromausfalls oder eines Krieges. Ansonsten ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Heutzutage ist fast alles, was einen Stecker hat auch irgendwie ein Computer. Vielleicht verschwinden die dicken Kisten unter den Tischen. Aber auch jedes Tablet hat USB. Und wenn irgendwann mal jemand USB über wLAN erfindet, dann gibt es dafür mit Sicherheit auch Adapter. Und im Kriegsfall oder bei der Zombieapokalypse ist vermutlich das letzte, was man in Sicherheit bringt, eine umfangreiche Fotosammlung - sei es in Papier oder elektronisch.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.