Was war die erste mythologie

Deine Fragestellung ist zu Recht von Aprilfisch als fragwürdig beschrieben worden. Aber nicht nur, weil sie so nicht beantwortbar ist wegen der von ihm genannten Gründe. Sondern auch wegen des so verwendeten Begriffs „Mythologie“.

Unter der „Mythologie eines bestimmten Kulturbereichs“ verstehen wir in der Religionswissenschaft den gesamten Bestand sowohl an schriftlich manifesten kompletten Mythen (auch wenn sie nur in Fragmenten vorhanden sind), als auch die Mannigfaltigkeit einzelner Mythologeme und Theologeme (wie sie sich z.B. in Stempelabdrücken, Rollsiegeln, Erwähnungen in amtlichen Zeugnissen, Verträgen, oder anderen Literaturen oder aus Statuen oder Figurien finden), aber auch Dämonologien und die damit zusammenhängenden magischen Formeln und Praktiken, ferner auch Totenkulte, Bestattungsriten und jegliche Rituale und Zeremonien überhaupt.

Zum Bestand mythischer Denk-und Handlungsformen gehören insbesondere auch Kosmologien und Kosmogonien. In diesem Zusammenhang zeigen sich tatsächlich (wie ebenfalls von Aprilfisch angedeutet) auch bereits Spuren mythischer Orientierungen offenbar ritualisierten Grablegungen ( Ost-West-Ausrichtung des Kopfes, Hockstellung des Toten).

Als die ältesten Funde mutmaßlich ritueller Bestattungen gelten bis heute die Höhlen von Qafzeh und Skhul in der Nähe von Nazareth in Israel. Sie werden um 100000 v.u.Z. datiert. Die dort gefundenen Körper gehören einer Spezies an, die dem Homo sapiens neanderthaliensis näher zu sein scheint als dem H. sapiens ss.

Nun sagst du aber in weiteren Kommentaren, daß du dich eigentlich für die ältesten schriftlich dokumentierten einzelnen Mythen bzw. mythischen Erzählungen interessierst. Das ist nicht dasselbe wie „eine Mythologie“.

Hier ist die Frage schon eher beantwortbar: Zu den ältesten ausgetexteten Mythen zählt das Etana-Epos, ein sog. „Himmelsreise“-Epos.Seine akkadische Niederschirft wird auf 2400 v.u.Z. datiert.Das Epos bezieht sich dem Namen nach auf den ersten historischen Herrscher (Anfang 3. Jahrtausend) der sumerischen Stadt Kisch. Es ist also ein sog. Gründungs-Mythos, neben Schöpfungsmythen die zweite große Gattung mythischer Erzählungen.

In die selbe Zeit fallen aber die ägyptischen Pyramiden-Texte aus der 5. und 6. Dynastie des Alten Reiches zwischen 2500 und 2300 v.u.Z. Memphis, Hierapolis mit der sog. Götter-Neunheit und Hermopolis (= das antike Schmun, heute Aschmunen) mit der sog. Götter-Achtheit, bei der Amun, eine der ältesten (neben Ptah und Chnum) Gottheiten des Alten Reiches eine herausragende Rolle spielt, gehören zu den ältesten religiösen Zentren Ägyptens (später kommen Theben, Edfu und Krokodilopolis dazu, deren mythischer Bestand aber deutlich von den Vorgenannten beeinflußt ist).

Die Mythen aus dieser Pyramidentext-Epoche zeichnen sich durch die berühmte mythologische Formel „sp tpj“ („Als zum ersten Mal …“) aus, und sie zählen in der Hauptsache zur Gattung der Weltschöpfungsmythen. Sie sind literarisch auf einem recht hohen Entwicklungsstand und es läßt sich erschließen, daß ihre Ursprünge ins 4. Jhtsd zurückdatieren.

Der älteste indische Textbestand mythischer Inhalte ist die Mandala-Sammlung des Rgveda. Er er ist in der vedischen Sprache geschrieben (einer Vorform des Sanskrit) und datiert aber kaum älter als 1500 v.u.Z.

Und, nein, das was durch die (durchaus umfangreichen und sehr geschätzten) Arbeiten Haarmanns als „Donauzivilisation“ unter ein einziges Hochkultur-Paket subsumiert wurde (und seitdem auch populär diese Bezeichnung beibehalten hat), hat sich längst als recht komplexe Abfolge vieler sehr unterschiedlicher vor-indogermanischer Kulturen erwiesen. Hinweise auf spezifische Mythologeme gibt es nicht und Schriftzeugnisse sensu strictu erst recht nicht.

Gruß
Metapher
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war es die sumerische mythologie, gefolgt von der agyptischen und der indischen ? oder gab es schon frührere z.b. von der donauzivilisation ?

Servus,

methodisch müssen sich nicht nur Religionshistoriker davor hüten, eine Frage so zu stellen. Sie ist nämlich objektiv nicht beantwortbar. Die Tatsache, dass für irgendetwas keine Zeugnisse bekannt sind, erlaubt nicht den Schluss, dass es es nicht gegeben hat.

Man kann also keine Aussage darüber machen, was die erste Mythologie der Menschheitsgeschichte war; aussagen lässt sich allenfalls, dass man sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kennt.

Schöne Grüße

MM

Verwandtschaften der biblischen Schöpfungsmythen

Damit meinst du möglicherweise die beiden Schöpfungsmythen des 1. Buches (Genesis) der Torah und zahlreicher anderer kosmogonischer Passagen, die in der Schriftsammlung des Tanach verstreut zu finden sind. Der (möglicherweise im 6./5. Jhdt vielleicht in Babylon schriftlich gefaßte) 1. Schöpfungsmythos (das 6-Tage-Werk 1. Mo. 1.1-2.4) zeigt vielfältige erstaunliche Analogien zu zahlreichen ägyptischen Texten, teils zu den im anderen Artikel oben erwähnten Pyramidentexten bis hin zu viel jüngeren Texten aus der 20. Dynastie. Alle jedenfalls beträchtlich älter als das biblische Dokument.

Eine sogar geographisch nächstliegende Verwandtschaft des anderen, 2. Schöpfungsmythos (Garten Eden Mythos 1. Mo 2.4ff) hat sich gerade in jüngster Zeit deutlicher gezeigt: Neue und neuübersetzte Tontafeltexte aus der kanaanitischen Metropole Ugarit zeigen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Genesis-Text: Hier hat der höchste (Vater-)Gott Ilu (seine Frau ist Attiratu) einen Weinberg am Fuß des Götterberges Ararat. In der Mitte dieses Weinbergs steht der „Baum des Lebens“. Ein anderer - ebenso wie Ba’al untergeordneter - Gott namens Horranu will Ilu den Thron streitig machen und wird dafür aus den göttlichen Gefilden verbannt. Aus Rache verwandelt Horranu den Baum des Lebens im Weinberg in einen Baum des Todes. Ilu schickt nun den Gott Adammu (begleitet von seiner Frau, der ebenso unsterblichen Muttergöttin Kubaba, die allerdings nur an einer Stelle kurz erwähnt wird) in den Weinberg, damit er den Baum wieder zurückverwandeln und weiterhin gegen die Attacken des Horranu bewachen soll. Aber Horranu verwandelt sich in eine Giftschlange, die beim Kampf den Adammu beißt. Adammu verliert daraufhin seine Unsterblichkeit …

Die ugaritischen Tafeln mit unter anderem diesen Texten stammen aus dem 13. und 12. Jhdt. v. u.Z… also lange bevor sich die israelitischen Stämme im kanaanitischen Kulturraum etablieren.

Es konnte gezeigt werden, daß diese Mytheme auch zur Zeit der Abfassung späterer hebräischer und aramäischer Literaturen, kanonischer und pseudepigraphischer, noch bekannt waren.

Gruß
Metapher
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Hallo Chan,

beachte den Unterschied zwischen „Hinweise auf“ und „Belege für“, und schwupps! sind die logischen Schmerzen weg. Welche auf eine persönliche Seele bezogenen Jenseits- oder Wiedergeburtsideen ohne Götterpersonen gibt es denn so?

Die Ausstattung von Lascaux und so weisen so viel und so wenig auf eine eigentliche Mythologie hin, und eindeutig, wie Du sagst, nur grundsätzlich auf religiöse Vorstellungen wie die Grabbeigaben aus dem mittleren Paläolithikum.

Deswegen bin ich auf die Frage nach der „ersten Mythologie“ in der Zeit hinter die Höhlenmalereien zurück gegangen, obwohl mir letztere natürlich viel besser gefallen - aber das gehört woanders hin.

Schöne Grüße

MM

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Zum Sodom & Gomorrha-Mythos erkenne ich keinen Zusammenhang. Orpheus wiederum steigt in die Unterwelt hinab, um seine Geliebte zu retten. Auch hier sehe ich keine unmittelbare Analogie zu Etanas Himmelsaufstieg. Zwar ist Etana in der ausgereiften Fassung des Mythos bemüht, das begehrte Geburtskraut von der Himmelsgöttin Inanna zu erlangen, um die Fruchtbarkeit seiner Frau herzustellen, aber die Motivation des Orpheus ist im griechischen Mythos doch deutlich anders. Zudem scheitert Etana, weil er kurz vor Erreichung des Ziels in Angst verfällt. Das Ende der Story ist aber, wie gesagt, unbekannt. Die Eurydike-Geschichte ist eher mit dem Inanna-Mythos in Verbindung zu bringen, auf den ich in meinem gestrigen Post schon Bezug genommen hatte (Inannas Gang in die Unterwelt).

Das Motiv des Himmelsaufstiegs ist ein klassisches schamanistisches Thema und reicht als existentielle schamanische Erfahrung weit in die Jahrzehntausende des Paläolithikums zurück. Es gehört sicher zu den frühesten proto-mythologischen Motiven überhaupt. Ganz besonders in Ägypten wurde es ein zentrales Element der Bestattungsriten beim Tod eines Pharao. Ich gebe nachstehend einen ausführlichen Überblick dazu. Dabei wird erkennbar, wie Mythologie (z.B. das Totengericht) und Ritus (Gliedervergottung, Einbalsamierung) zusammenwirken, ohne aber unmittelbar zusammenzugehören (wie das in diesem Thread verschiedentlich behauptet wurde).

Zum Himmelsaufstieg des Pharao:

An den charakteristischen Mumienbinden kann man ablesen, wie gespalten das Verhältnis des Ägypters zu seinen Toten ist: Einerseits tut er per Ritual und Opfergaben alles Menschenmögliche, um ihre weiteres Dasein zu erleichtern, andererseits fürchtet er sie und ergeht sich in Vorstellungen, wie sie als materielle Wiedergänger die Lebenden heimsuchen. Die Mumienbinden können - neben der Konservierungsfunktion - also auch als Fesseln zu verstehen sein, um Wiedergänger daran zu hindern, aus dem Grab zu steigen. Das Ritual der Zerstückelung des Körpers und der anschließenden symbolischen Wiederzusammensetzung (unten mehr dazu) hat seine Ursache in der vorgeschichtlichen Sitte, eine Leiche zu vernichten oder zumindest wichtiger Organe zu berauben (z.B. Kopf, Gehirn, Herz, Penis), um eine Heimsuchung zu verhindern. Noch bis in die Zeit des NR wird auch königlichen Leichen zuweilen das Glied entfernt und dieses gesondert begraben. Das ursprüngliche Motiv dahinter ist die Angst, ein Toter könne damit die Frauen der Hinterbliebenen schänden. Mit dem Aufkommen der Vorstellung, der Tote könne in anderer als einer materiellen Erscheinungsweise seinen Leib verlassen und so die Fesseln überwinden, entsteht die Praxis der Konservierung der Leiche mit dem Hintergedanken, den Toten zufriedenstellen und von Rachegelüsten u.ä. abhalten.

Damit ist der Keim zu jenem religiösen Konzept gelegt, das in der rituellen Behandlung der Königsleiche gipfelt. Fortbestand und Harmonie der Menschenwelt sind nur gesichert, wenn diese Leiche dauerhaft ihre menschliche Gestalt bewahrt. Die Körperzerstückelung wird zwar beibehalten (in Form der Ausweidung, darunter Entfernung des Gehirns), nimmt aber eine positive Bedeutung an: Der Körper erhält die entfernten Organe (die separat beigesetzt werden) symbolisch wieder zurück in einer Weise, die ihn unendlich aufwertet, denn die neuen „Organe“ sind göttlicher Provenienz. Damit vollzieht sich eine Transfiguration des Toten in den himmlischen Seinsmodus. Beispielhaft ist ein der Göttin Isis in den Mund gelegter Text aus der Zeit des MR:

Du hast Gestalt angenommen, indem du die Gesamtheit aller Götter bist;
Dein Kopf ist Re,
Dein Gesicht ist Upuaut,
Deine Nase ist der Schakal (= Anubis),
(…)
Deine Zunge ist Thot,
Deine Kehle ist Nut,
Dein Nacken ist Geb,
Deine Schultern sind Horus
(usw.)

Texte dieser Art werden von Priestern während der Einbalsamierung nonstop rezitiert; durch den Vortrag vollzieht sich die Wiederherstellung des Leibs auf höherer Ebene, er wird ins Göttliche transfiguriert. Der ägyptologische Ausdruck dafür ist „Gliedervergottung“.

Mythologisch hat sich das Zerstückelungs- und Wiederbelebungsthema in Geschichten um den Gott Osiris niedergeschlagen, mit dessen Name der Tote rituell angesprochen wird:

O Osiris N! Empfange deinen Kopf im Westreich…
(N = Platzhalter für Name des Toten)

Der tote König hat auf seiner Reise zum Himmel im Totenreich eine Prüfung durch das Totengericht zu bestehen, das unter dem Vorsitz des Osiris an die vergangenen Taten des Toten rigide Maßstäbe anlegt. Natürlich ist der Tote dabei nicht als Verkörperung des Osiris anzusehen, dieser steht ihm ja als Richter gegenüber. Beide Vorstellungen, die verschiedenen Traditionen entspringen, stehen im ägyptischen Denken nebeneinander, ohne sich auszuschließen. Ist das Herz des Toten nicht schwerer als die Feder der Gerechtigkeitsgöttin Maat, dann ist die Prüfung bestanden, und der Tote vermag zum Himmel aufzusteigen. Im negativen Fall würde das Monster Ammit das Herz auffressen mit der Konsequenz, dass der Tote in den Höllenbereich stürzt („der zweite Tod“), wo ihn schreckliche Qualen erwarten. Diese Vorstellung, wie auch die Vorstellung eines Totengerichts, ist die Grundlage späterer christlicher Ideen (endzeitliches Gericht und „zweiter Tod“ in der Johannesoffenbarung).

Zu gewährleisten, dass der Tote zur Seligkeit aufsteigt statt in Qualen zu stürzen, ist der Zweck der Rituale und Totensprüche. Werden diese durchgeführt bzw. vom Toten berücksichtigt, ist das Gelingen vorprogrammiert. Bis hierhin unterscheidet sich der Weg des toten Königs nicht vom Weg des Normalsterblichen: Beide müssen sich dem osirianischen Gericht stellen. Im Falle des Bestehens gehen sie aber getrennte Wege: Der König zu den Göttern der Sternenwelt, der Normalsterbliche zum schon erwähnten überirdischen Reich Sechet Iaru.

Allerdings können sich dem König nach Bestehen der Prüfung missgünstige Götter in den Weg stellen, um den himmlischen Aufstieg zu sabotieren. Zwar versucht er, durch Gebete die Unterstützung der Götter zu erlangen, kann damit aber scheitern, so dass gröbere Geschütze ins Spiel kommen, nämlich Strafandrohungen gegen feindliche Götter (Teil der rituellen Sprüche in den Pyramidentexten). Angedrohte Konsequenzen sind z.B. Nahrungsentzug und Ausstoß aus der göttlichen Gesellschaft.

Voraussetzung für die Wirksamkeit der Drohungen ist natürlich, dass das göttliche Potential des Toten dem seiner Widersacher überlegen ist. Laut den Pyramidentexten besteht an dieser Überlegenheit aber kein Zweifel; die Drohungen erreichen also garantiert ihr Ziel.

In der göttlichen Sternenwelt existiert der Tote, wie schon angedeutet, in mehreren Seinsformen simultan nebeneinander. Die wichtigsten heißt Ba, Ka, Ach und Sechem.

  1. Ach: Der Seligkeitskörper des Toten. Er entsteht erst mit dem Eintritt in den Himmel.

  2. Ba: Der Handlungskörper des Toten. Mit ihm vertritt er nach außen seine Interessen. Von vornherein in jedem Menschen angelegt.

  3. Ka: Der Ernährungskörper des Toten. Er ist für die Nahrungsbeschaffung zuständig. Verkörpert in einer Statue des Toten, opfern ihm die Hinterbliebenen die für die Fortexistenz des Toten unerlässlichen Gaben. Da die Ägypter aber jede Möglichkeit in Betracht ziehen, auch das Ausbleiben von Opfergaben, werden bildliche Darstellungen von Nahrung in die Grabanlage gestellt, die das Ausbleiben zu kompensieren vermögen. Auch der Ka ist Teil jedes Menschen.

  4. Sechem: Der Herrschaftskörper des Toten, symbolisiert im Zepter. Kraft dieses Körpers kann er über andere Götter herrschen. Er ist exklusives Attribut von Königen und vielleicht auch wichtigen Angehörigen der Oberschicht.

Mittels seines Ba und seines Sechem vermag der tote König auch in der irdischen Welt Macht auszuüben. Umso wichtiger sind Bemühungen, seinen Leib zu erhalten (Firewall-Funktion der Pyramide) und ihm auf rituellem Wege per Opfergaben Kraft zuzuführen.

Chan

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Servus,

die ältesten bekannten Hinweise auf eine Mythologie und / oder Religion sind Bestattungen mit Grabbeigaben aus der mittleren Altsteinzeit mindestens 50.000 v.u.Z.

Schöne Grüße

MM

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Danke für die Blumen, @abifiz. Es war ja nur die direkte Beantwortung der Frage.

Natürlich bin ich in einem gewissen Sinne noch da. Aber leider ist von der eh schon seit einigen Jahren sehr spärlich gewordenen Riege der anderen einschlägig Fachkundigen weit und breit nichts mehr zu sehen. Verständlich, denn nachdem die Brettdefinition „Religionswissenschaft“ mit der zugehörigen recht eindeutigen Brettbeschreibung in den Orkus annihiliert worden ist - mit den vorhersehnbaren Folgen für Fragestellungen und Beiträge - und zudem das Gebiet gedankenlos aufgesplittert worden ist, lohnt die tägliche Präsenz auch kaum noch wie 15 Jahre lang vormals. Und spannende Diskussionen bis auf tiefere Verzweigungsebenen sind eh nicht mehr möglich, wie du ja schon a.a.O. festgestellt hast.

So ergeht man sich denn in spekulativen Hobby-Referaten, Wikipedia-Links und Sinn- und Endlosdiskussionen in chaotiserter Beitragssequenz. Das war’s dann. Schade.

Das ist großartig. Und - wie a.a.O: erwähnt: Auch hier welcome back!

Metapher

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Ja DU hast doch geschrieben:

Und dann behauptest du plötzlich, dass man „nichts wissen kann“. Das ist nicht sehr logisch. Ich habe, deine ursprüngliche Behauptung korrigierend, klargestellt, dass ein im heutigen Sinne mythologisches Denken damals nicht existierte, und habe stattdessen auf Fakten und Hypothesen hingewiesen, für deren Plausibität viel spricht. Mir scheint, dass du dich mit dem Thema noch so gut wie gar nicht tiefer befasst hast. Grabbeigaben hatten jedenfalls nichts mit Mythologie zu tun, sondern mit dem Jenseits- und Wiedergeburtsglauben jener Zeit.

Man kennt aus der Zeit ab 40.000 BCE sehr viel mehr als nur Grabbeigaben, nämlich vor allem die Innenausstattung der paläolithischen Kulthöhlen, deren Details mit hoher Wahrscheinlichkeit auf bestimmte religiöse Vorstellungen schließen lassen.

Chan

Wobei die Geschichten zu den Bildern mit Sicherheit nicht seit 10 000 Jahren dieselben sind. Ausschliesslich mündlich weitergegebene Geschichten ändern sich ja schon innerhalb von 1-2 Generationen beträchtlich, wie Anthropologen nachweisen konnten.

Gruß
T.

Flüchtigkeitsfehler von mir, daher die Korrektur: Seth ist natürlich der Onkel des Horus, nicht sein Bruder. Brüder sind die Götter Seth und Osiris, um dessen Thronnachfolge es geht.

Vermutlich weil die sumerische und die ägyptische Kultur nun einmal wichtige Ausgangspunkte aller späteren abendländischen Kulturen waren. Auch die vom Fragesteller angesprochene Donauzivilisation ist wichtig, auf sie gehe ich morgen gesondert ein. Die indische Kultur wiederum geht zu wesentlichen Teilen auf geflohene Angehörige der Ubaid-Kultur zurück, deren Gebiet im 4. Jt. BCE von den vermutlich aus dem Iran einfallenden Sumerern erobert wurde. Die sumerische Kultur entstand praktisch als Überlagerung der einheimischen nicht-sumerischen Population durch eine militarisch überlegene Minderheitenschicht. Alle wichtigen sumerischen Städte, auch die wichtigsten Götter, gehörten ursprünglich zur Ubaid-Kultur, sind also vor-sumerisch. Die sumerische Kultur prägte zusammen mit der ägyptischen den gesamten Alten Orient und der wiederum in hohem Maße die ägäischen Kulturen, insbesondere deren Religionen, und damit das, was wir heute als „Wiege des Abendlandes“ bezeichnen. Es macht also mehr Sinn, sich mit den vom Fragesteller angesprochenen Mythenquellen zu befassen statt mit jenen der australischen Ureinwohner, die sicher interessant sind, aber keinen direkten Bezug zu unserem Kulturkreis haben. Alle heute relevanten „Weltreligionen“ gründen ursprünglich in sumerischen und ägyptischen und - im Falle des Hinduismus und Buddhismus - altindischen Vorstellungen (Brahmanismus, Vedismus).

Cha

Hallo

der UP hat nicht nach den für die hiesige Kultur möglicherweise relevanten Mythen gefragt - das er seine Frage aus einer ethnozentrischen Warte herausstellt mag allerdings nicht überraschend sein (weil man sich ja gerne als den Nabel der Welt sieht).

Gruss, Sama

die frage habe ich mir halt gestellt, um zu schauen, was der ursprung biblischer texte ist. (ägypten (kolbrin bibel), sumerer: dämonen und sinnflut etc.)

Dass du den UP Ethnozentrismus unterstellst, halte ich für sehr übertrieben. Erstens sehe ich nicht, was die Erwähnung von Sumerern, Ägyptern und Indern mit „Ethnozentrismus“ zu tun haben soll (alle drei Gruppen haben unterschiedliche ethnische Herkunft). Zweitens ist seine Frage im Titel neutral gestellt, während er im Artikeltext einfach nur eigene Lösungsvorschläge macht. Er fragt dann auch, ob es noch frühere Mythologien gab. Das schließt doch die Möglichkeit von Mythen weiterer Ethnien ein. Du hast seine Frage, scheint mir, also nicht präzise genug gelesen.

Chan

Hi.

Dass du den Mythologie-Begriff auch auf

beziehst, halte ich für problematisch. „Mythologie“ bezeichnet den Gesamtbestand von Mythen einer bestimmten Ethnie. Mythen wiederum sind und bleiben Erzählungen mit Göttern im Zentrum der Handlung. Riten und andere Praktiken gehören dagegen zum Kult, nicht zur Mythologie. Laut Jan Assmann wurden Mythen nachträglich zu Ritualen hinzugefügt, um diese verstehbar zu machen. Religionsgeschichtlich primär sind also die Rituale, während Mythen sekundäre Produkte sind. Mit Bestattungsriten hat Mythologie schon gar nichts zu tun. Mit dieser Behauptung wolltest du wohl Aprilfisch - leider vergeblich - zur Seite springen.

Die Entstehung des semitischen Epos wird in die Zeit des akkadischen Usurpators Sargon oder etwas später in die Zeit seines Enkels Naram-Sin datiert. Deine Datierung „Niederschrift auf 2400 v.u.Z.“ liegt also schon von daher um mindestens 50 bis 100 Jahre zu früh. Zudem stammt die früheste überlieferte Schriftfassung des Epos in akkadischer Sprache aus der Zeit um 1800 BCE. Eine frühere „Niederschrift“ ist nicht bekannt, schon gar nicht von 2400 BCE.

Weitere Fassungen stammen aus der mittelassyrischen Zeit (ab ca. 1400 BCE) und der neuassyrischen Zeit (ab ca. 900 BCE).

In seiner ausgereiften Gestalt dürfte der Mythos zur Zeit des Naram-Sin entstanden sein, also um 2250 BCE. Ob er damals schon in schriftlicher Form vorlag, ist ungewiss. Nachweisbar verschriftet würde er, wie gesagt, erst in der neubabylonischen Zeit. Vermutlich hat sich der Inhalt des Mythos im Laufe der vor-neubabylonischen Überlieferung wiederholt verändert. Als gesicherter Grundbestand gilt folgender Plot:

  • Die Götter suchen einen Menschen, um ihn zum ersten König über die Erde zu machen, und finden Etana. Dessen Frau ist nicht in der Lage, Kinder (also königliche Nachkommen) zu empfangen. Ein bestimmtes Gebärkraut soll Abhilfe schaffen.

  • Dann wird ein Konflikt zwischen Adler und Schlange beschrieben. Sie freunden sich zunächst an, jagen aber in ihren eigenen Territorien. Der Adler beschließt, die Kinder der Schlange aufzufressen. Verzweifelt über den Verlust ihres Nachwuchses trägt die Schlange ihre Klage beim Sonnengott Schamasch vor (akkadische Version des sumerischen Sonnengottes Utu). Der Gott rät der Schlange, einen Stier zu töten und sich in dessen Leib zu verbergen, um den Adler, wenn er den Stier fressen möchte, zu fangen und in ein Loch zu werfen. Der Plan gelingt. Nun ist es an dem Adler, aus seinem Loch heraus den Sonnengott um Hilfe zu bitten. Der verspricht, ihm einen Retter zu schicken.

  • Dieser Retter ist Etana. Er hilft dem Adler aus dem Loch. Zum Dank trägt ihn der Adler hinauf zum Himmel (der Himmelsaufstieg). Allerdings wird Etana in schwindelnder Höhe hoch über der Erde von Angst ergriffen, so dass der Adler ihn wieder zur Erde zurückbringt.

Der Schluss des Mythos ist unbekannt, da die überlieferten Texttafeln unvollständig sind. Der Adler und die Schlange werden als Totems zweier Clans gedeutet; die entsprechende Passagen im Etana-Mythos war ursprünglich wohl ein separates Erzählstück mit volkstümlichem Hintergrund.

Chan

ist das die urgeschichte von sodom und gomorra und orpheus und eurydike ?

Korrektur: Hier muss es natürlich „vor-altbabylonische Überlieferung“ heißen.

Chan

Ein wahrhaft ausgezeichneter Übersichts-Abriß, Metapher.

Freue mich immens, daß Du (zunächst?) noch da bist. Als ich Dich in der Moderatoren-Auflistung nicht auffinden konnte, hatte ich schon einen Ganz-Rückzug befürchtet.

Selber habe ich auch den vierten Großangriff meines treuen Myeloms gegen jede „wahrscheinliche Wahrscheinlichkeit“ (schmunzel…) doch noch überstanden, und bin also wieder da… Schließlich hält auch die Queen ihre Stellung, warum sollte ausgerechnet ich als Gleichaltriger als erster meine räumen? (Ist gar nicht wahr…! Nicht ich bin in ihrem Alter, sie ist doch in meinem!)
So habe ich es seit gestern geschafft, rechtzeitig in diesen mich gänzlich überrumpelnden Chaos-Fischmarkt einzukehren. :flushed:

Sei gegrüßt!
abifiz

PS
In der Zwischenzeit ist mein Deutsch (etwas…) verständlicher geworden.

Das weiß wohl keiner so ganz genau, aber die Sumerer haben einen entscheidenden Hinweis (für uns) hinterlassen:

Dass Wir nicht allein sind, was sowieso definitiv klar ist, selbst, wenn das im Video nicht belegt/bewiesen werden kann, so naiv, das in Frage zu stellen, um nicht blöd zu schreiben, kann keiner sein.

Es gibt Individuen die sich einbilden die Herrscher der Welt zu sein/werden, aber das war es dann auch, das ist wie bei einem Ameisenhaufen …