"Wider besseren Wissens" & Falschaussage

Hallo,

zunächst einmal: Das ist eine theoretische Frage, also bitte keine Antworten wie „Geh zu einem Anwalt“. Ich interessiere mich dafür, wie „wider besseren Wissens“ konkret in der rechtlichen Praxis ausgelegt wird.

Es gibt ja immer wieder Leute, die von Sachverhalten sehr felsenfest überzeugt sind, obwohl diese Sachverhalte objektiv und nachweislich falsch sind. So auch in Strafprozessen.

Beispiel: Bei Herrn B wird eingebrochen. Herr A hat flüchtig eine Gestalt gesehen und sagt „Das war sicher der asoziale Herr C aus der Nachbarstraße.“ Davon ist er auch überzeugt und sagt bei der Polizei „Ich habe gesehen, wir Herr C in das Haus eingebrochen ist!“ Herr C hat aber ein totsicheres Alibi.

Herr C hat also etwas ausgesagt, was faktisch nicht sein konnte. Er hat Herrn C nicht gesehen. Er war überzeugt, dass er Herrn C gesehen hat. Das spricht für mich dafür, dass das nicht „wider besseren Wissens“ geschehen ist. Andererseits: Dann könnte man ja letztendlich jeden wahllos beschuldigen, solange man nur darauf beharrt, dass man davon überzeugt war, dass das stimmt. :slight_smile: „Mein Nachbar baut Hanf an! Ich habe ihn gestern Hanfpflanzen ausladen sehen! Ach, das waren nur Tomaten? Das wusste ich nicht.“

Wie gehen Gerichte und Staatsanwaltschaft damit um? Mal angenommen, der „asoziale“ Herr C ist es leid, dass er aufgrund seiner Punkfrisur ständig verdächtigt wird und stellt eine Anzeige gegen Herrn A wegen falscher Verdächtigung. Wäre das völlig ausichtslos? Oder sagt das Gericht: „Lieber Herr A, du hast dir zwar eingeredt, Herrn C gesehen zu haben, aber du hast ihn nicht gesehen, und eigentlich wusstest Du das auch.“

Liebe Grüße,
Max

Hat sich selbst nicht gesehen. Nicht am Spiegel vorbeigekommen?

Obwohl mir klar ist, was du meinst, solltest du die Personen nicht so durcheinanderwirbeln. Gerade bei juristischen Fragen: Sich nicht selbst widersprechen.

Gerichte und Staatsanwaltschaft sollten diese „individuellen“ Eindrücke kennen und hinterfragen. Je länger die Beobachtung zurück liegt, desto nebulöser die Aussage.

Da passt dieser Witz:

Staatsanwalt: „Zeuge, wie weit waren Sie vom Unfallort entfernt?“

Zeuge: „23 Meter, 58 Zentimeter”

Staatsanwalt: „Woher wissen Sie das so genau?”

Zeuge: „Ich bin abends noch mal hin und habe nachgemessen. Habe mir schon gedacht, dass irgend ein Idiot danach fragt.”

Lies dir mal §164 StGB Falsche Verdächtigung durch. Da sehe ich dein Beispiel (falsche Zeugenaussage) nicht.

Ich habe dazu das hier gefunden


So wie ich dein Anliegen verstehe, beantwortet dieser Wikipedia Artikel in Kombination mit den dort verlinkten weiteren Artikel all deine Fragen hierzu.

Wenn das so wäre, hätte ich nicht gefragt. Eine Laienmeinung kann ich mir selber bilden. Ich kann auch darüber mutmaßen, was Gerichte kennen und hinterfragen. Ich würde aber gerne von Juristen hören, wie das nun wirklich konkret in der rechtlichen Praxis ist.

M…

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Anscheinend rafft hier echt niemand mehr, warum das mal Expertenforum hieß.

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Ich wundere mich auch über die Schwierigkeiten, hier in eine vernünftige Diskussion einzusteigen…

Zur Frage: Ich kann mich aus meiner Schöffenzeit nicht an solche Zeugen erinnern, nur an Zeugen, die vorsichtig Antworten gaben. Vor dem Gericht so völlig unbedarft und gedankenlos reden machen vermutlich doch kaum Zeugen, da ist der Respekt vor der Situation doch da.
In vielen Verfahren gibt es übrigens von Anfang an ein Geständnis, oft wegen drückender Belege. Das ist anders als im Krimi!
In so einem Fall spielen Zeugenaussagen ja eine viel geringere Rolle.

Natürlich wertet das Gericht Zeugenaussagen im Zusammenhang mit dem, was sie vom Zeugen wissen (z. B. ‚wurde letztes Jahr wegen einem ähnlichen Tatbestand verurteilt‘, ‚konnte den Angeklagten offenbar noch nie leiden‘), mit anderen Belegen, die vorliegen und im Wissen, dass es viele psychologische Untersuchungen darüber gibt, wie extrem unzuverlässig Erinnerungen sein können, wie sie sich im Laufe der Zeit ändern können.

Verurteilungen wegen bewusster Falschaussage sind vermutlich sehr selten, denn das Gericht muss dafür ja ganz sicher sein, dass die Person wirklich absichtlich gelogen hat und dies auch irgendwie belegen können. Das Ganze muss dann noch so bedeutsam sein, dass der Staatsanwalt das ganze nicht wegen Geringfügigkeit fallen lässt.

Die Vereidigung eines Zeugen, und, im ersten Schritt, der Hinweis an den Zeugen, das er vereidigt werden kann, soll ja den Druck auf ihn erhöhen, wahrheitsgemäß zu berichten.

Das sind meine beschränkten Erfahrungen und Gedanken dazu!
Karl

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Wie oft muss man hier eigentlich schreiben, dass es sich um eine theoretische Rechtsfrage handelt, bevor das jemand akzeptiert? Und natürlich können Juristen unter vollem Namen theoretische Rechtsfragen erörtern, ohne dass das die Anwaltskammer und oder den BGH auch nur im geringsten tangiert.

M.

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Danke.

Das ist gut möglich. Geredet ist viel, aber wenn man vor dem Richter steht, reißt man das Maul dann nicht so weit auf. :slight_smile: Allerdings geht (gottseidank) auch nicht jedes Strafverfahren vor Gericht. Mir ging es da eher um unberechtigte Anzeigen oder Aussagen bei der Polizei, also eher in die Richtung falsche Verdächtigung und nicht in Richtung uneidliche Falschaussage. Auch wenn es folgenlos bleibt, weil der Staatsanwaltschaft feststellt, dass an der Anschuldigung nichts dran ist, ist es ja für den Betroffenen durchaus lästig.

Der Hintergrund ist, dass ich in meinem Leben wiederholt Leute erlebt habe, die von völlig unmöglichen Sachverhalten felsenfest überzeugt waren. Zum Bespiel, dass jemand anwesend war, der definitiv eine Stunde vorher gegangen ist. Und da habe ich mir gedacht, was wäre wenn das jetzt in einer Aussage vor der Polizei ist? Bleibt das dann völlig folgenlos, selbst wenn das an den Haaren herbeigezogen war, nur weil der, der die Aussage gemacht hat, aufgrund seines Wahns felsenfest überzeugt war? Wie würde da eine Staatsanwaltschaft oder ein Richter mit einer Anzeige wegen falscher Verdächtigung umgehen?

Danke & Gruß,
Max

Moin,

Diese Leute sind wir alle.
Lesetipp dazu: https://www.swr.de/odysso/wie-falschaussagen-zustande-kommen/-/id=1046894/did=20237836/nid=1046894/m84pth/index.html

und auch https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/verbrechen/gericht_im_namen_des_volkes/gericht-falsche-erinnerung-100.html

Wissenschaftler sprechen hier von Veränderungsblindheit: Weil wir uns nur eine sehr begrenzte Menge von Informationen merken können, fokussieren wir unsere Aufmerksamkeit auf einen Punkt und blenden Geschehnisse drumherum aus.
Darum merken wir oft nicht, dass unser Partner beim Friseur war, darum funktionieren Zaubertricks und darum können in Beobachtungen von Zeugen wichtige Details fehlen.

-Luno

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