Wie kann man sich gegen starrende Blicke wehren?

Liebe/-r Experte/-in

also, aufgrund meiner Krankheit, die eine hormonelle Schieflage im Körper verursacht geht’s mir immer (mal mehr, mal weniger) schlecht. Durch den kranheitsbedingten Nährstoffmangel habe ich schon seit der Pubertät ganz trockene, strohige Haare (dazu auch noch enorm viele). Damals konnte ich die Haare noch nicht bändigen, weil es Glätteisen noch nicht gab (zumindest wusste ich davon nichts). Ich konnte aber auch keinen Zopf machen, weil mein linkes Ohr absteht(das wollte ich immer verstecken). Dementsprechend sah ich, im wahrsten Sinne des Wortes, aus wie ein Wischmop. Ich wurde in der Schule immer deswegen gemobbt. Und auch außerhalb der Schule haben mich die Leute immer angestarrt (oft kam auch mal ein blöder Spruch). Ich habe mich dafür gehasst und alle möglichen Sachen ausprobiert, um meine Haare zu bändigen. Heute bin ich aufgrund dieser Erfahrungen sehr eitel und perfektionistisch geworden, was mein ganzes Aussehen betrifft. Dabei will ich aber nicht schöner sein als andere, ich will nur so aussehen, dass andere keinen Grund mehr haben mich anzustarren. Doch trotzdem kommt es komischerweise immernoch sehr oft vor, dass ich angestarrt werde(das heißt wirklich starren, ohne den Blick abzuwenden über mehrere Minuten lang). Ich finde mich nicht hässlich (im Gegenteil, mir haben schon oft Menschen gesagt, dass ich hübsch bin), also woran kann es denn noch liegen? Ich kleide mich nicht auffällig, glätte mein Haare und verhalte mich in der Öffentlichkeit auch immer so unauffällig wie möglich. Nunja und weil es mir ja, wie schon erwähnt, immer so schlecht geht kann ich dieses Gestarre nun mal nicht ab. Es macht mich wütend, dass die Leute so dreist und unhöflich sind, ohne jeglichen Anstand. Einen Rollstuhlfahrer(der offensichtlich krank ist) würde man ja auch nicht anstarren. Wer möchte schon angeguckt werden, wenn es einem nicht gut geht. Da möchte man einfach nur seine Ruhe haben. Es macht mir auch deshalb so sehr zu schaffen, weil ich aufgrund der negativen Erfahrungen in der Schule ein gemindertes Selbstwertgefühl habe. Manchmal, wenn ich wirklich die Nase voll habe (und ich das nicht mehr ignorieren kann), bringe ich dann auch schonmal meinen Unmut zum Ausdruck (ich werde nicht laut oder so), aber ich sage dann schonmal so Sachen wie: „Was glotzt du denn so blöd?“ oder ich starre zurück oder zeige unauffällig den Mittelfinger oder ich zeige mit dem Finger auf die starrende Person, meistens guckt die dann ganz schnell weg. Aber eigentlich mache ich das sehr ungern. Aber ich weiß halt keine bessere Methode. Also, was kann man gegen solche „Starrer“ tun (ohne die Anstandsregeln zu verletzen)? Was sind eure Erfahrungen?
Viel Dank schonmal im Voraus

Hallo Tabea,

also, da ich Sie selbst nicht persönlich kenne und mir von daher kein genaues Bild über ihre Persönlichkeit machen kann, werde ich jetzt einfach mal auf das zurückgreifen was sie soeben geschrieben haben.

Werfen wir einen Blick zurück in ihre Jugend. Hier handelte es sich um eine Zeit in der Sie wegen Ihres Äußeren sehr oft missachtet oder sogar gemobbt wurden. Wie sie selbst schon sagten, hat das ihrem Selbstwertgefühl einen enormen Schlag versetzt. Betrachten wir die Situation nun nochmal aus psychologischer Sicht, kommt ein solches Erleben einer Art Trauma gleich, welches in vielen Fällen später zu mehr oder weniger schweren Formen von Soziophobie führen kann. Es handelt sich hierbei um die Angst vor Menschen oder Menschmassen. Diese Angst kann sich sowohl dadurch ausdrücken das man die Masse als erdrückend empfindet, oder das man glaubt, das einen alle anstarren. Beobachten Sie sich bitte mal selbst. Wenn Sie einen Raum betreten, glauben Sie dann das Sie alle darin befindlichen Leute anstarren und Sie mustern? Haben Sie das Gefühl das Sie die Blicke durchbohren? Haben Sie mittlerweile schon leichte oder starke Ängste vor solchen Situationen? Dies können Anzeichen für eine Soziophobie oder leichte Angststörung sein. Vielleicht haben Sie deshalb einfach nur das Gefühl das Sie die Leute ständig anstarren. Sicherlich kommt es hin und wieder vor, aber vielleicht empfinden Sie es als massiver, als es tatsächlich ist?

Was die Situation als solches angeht. Wenn es zu einem Moment kommt in dem Sie eine Person übermäßig anstarrt empfiehlt es sich vor allem nicht aggressiv oder beleidigend zu agieren. Die von Ihnen gebrachten Beispiele empfinde ich als sehr provokant und zum Teil auch unhöflich bis beleidigend. Damit lassen Sie sich selbst auf diese Ebene herab. Sprechen Sie die Person stattdessen freundlich an. Fragen Sie was sie so ungewöhnlich findet. Vielleicht entsteht ein Gespräch aus dem mehr Verständnis erwachsen kann.

Der andere Punkt ist die Tatsache, das sie vielleicht auch einfach lernen müssen solche Situationen auszuhalten oder sie zu ignorieren.

Da ich leider nicht mehr über Sie weiß, empfehle ich daher das sie sich in die Hände eines Therapeuten oder einer Beratungsstelle begeben sollten. Dort kann Ihnen sicherlich besser geholfen werden.

Ich hoffe ich konnte Ihnen ein Stück weit weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen!

Mathias Schäfer
Sozialpädagoge B. A.

Hallo Tabea
Wenn dir das angestarrt werden massiv Probleme bereitet, dieses angestarrt werden zum Beispiel unangemessen heftige Aggressionen auslöst, dann kann ich dir guten Gewissens nur empfehlen einen Allgemeinmediziner aufzusuchen, ihm das Problem zu schildern und dir dann probatorische Sitzungen bei einem Verhaltenstherapeuten verschreiben zu lassen.
Ich bin kein Therapeut, habe aber viele Jahre Verhaltenstherapie hinter mir. Aus dieser Erfahrung heraus kann ich dir ein paar Sichtweisen eröffnen die dir vielleicht weiterhelfen.
Die Ursache der Aufmerksamkeitserregung liegt nicht bei dir sondern beim Betrachter. Der Betrachter entscheidet bewußt oder unbewußt (in der Regel eher unbewußt), was er betrachten will, was sein Interesse weckt. Auslöser für diesen Prozess ist ein Phänomen welches unter dem Begriff „selektive Wahrnehmung“ in einschlägiger Fachliteratur beschrieben wird. Kurz gesagt dient das Phänomen der selektiven Wahrnehmung dazu Wahrnehmungen heuristisch zu filtern (zu selektieren) und zwar zuerst nach gefährlich und ungefährlich und dann nach weiteren Filterkriterien (zum Beispiel attraktiv/unattraktiv, essbar/nicht essbar) um dann nach der Filterung zu entscheiden (unbewußt oder bewußt) was weiterhin Aufmerksamkeit verdient, betrachtet (angestarrt) werden soll und was nicht.
Das anstarren wird durch eine Irritation des heuristischen Filtersystems des Betrachters ausgelöst. Kurz gesagt kann der Betrachter sich nicht entscheiden ob er dich als gefährlich/ungefährlich oder sonstwie klassifizieren soll und diesen inneren Widerspruch versucht er zu lösen durch intensiveren Informationsgewinn, nämlich anstarren. Du irritierst den einen oder anderen Menschen, mehr steckt beim anstarren nicht dahinter.
Ich vermute das du das anstarren durch Wahl geeigneter Modeartikel (Mauerblümchenoutfit) wahrscheinlich etwas reduzieren kannst, ganz ausschließen wirst du es wahrscheinlich nicht können, dafür bist du wahrscheinlich eine zu „ungewöhnliche“ Erscheinung.
Im Grunde ist es auch eine Frage wie du mit diesem unvermeidbaren Phänomen umgehen möchtest. Das die anderen dich anstarren kannst du nicht ändern, was du ändern kannst ist deine Einstellung zu dem Phänomen. Es ist ganz allein deine Entscheidung ob du ein Problem für dich daraus machen willst oder nicht.
Es ist auch ganz allein deine Entscheidung wie du zu dir und deiner Erscheinung stehst. Kein Mensch kann dich lehren wie du zu dir selbst zu stehen hast, das mußt du ganz allein herausfinden. Ich habe mich irgendwann entschieden mich gern zu haben, mit allem Drum und dran, mit allen Auffälligkeiten und Unauffälligkeiten. Ich habe dann mit Freunden ein paar sehr verrückte Sachen gemacht bei denen ich öffentlich stark exponiert war, quasi auf dem Präsentierteller stand, damit war das Thema „andere schauen mich an“ für mich vom Tisch. Lern dich selbst kennen und Scheiss auf die Meinung der anderen, die können dir eh nicht erklären wie du mit deinem Leben (und deiner Erscheinung) klarkommen kannst.
Mit dem Verhalten ist das eine ganz andere Sache, da habe ich gelernt daß es schlaue Menschen (z.B. Verhaltenstherapeuten, Psychiater) gibt die durchaus in der Lage sind mir den einen oder anderen Hinweis zu geben wie ich mein Verhalten besser an Situationen anpasse, also welche Möglichkeiten es noch gibt angemessen zu reagieren, oder was ich tun kann um mein Selbst zu unterstützen und zu stärken.

Ich hoffe du kannst etwas damit anfangen.

Liebe Grüße
Uwe